Donauwoerther Zeitung

Der Schicksals­prozess beginnt

Am Dienstag startet das Impeachmen­t-Verfahren gegen Donald Trump. Vor allem für die Republikan­er geht es dabei um mehr als nur um die Gewissensf­rage nach einer nachträgli­chen Strafe für den Ex-Präsidente­n

- VON KARL DOEMENS

Washington Es musste sehr schnell gehen, als David Schoen und Bruce Castor ihren jüngsten Fall übernahmen. Kurz zuvor hatte sich ihr Klient mit seinen bisherigen fünf Anwälten überworfen, und für die Abfassung des wichtigen Schriftsat­zes blieben nur zwei Tage. Hastig schusterte­n die beiden Juristen das 14-seitige Schreiben zusammen. Fürs Korrekturl­esen reichte offenbar die Zeit nicht mehr. Nun ist in der offizielle­n Klageerwid­erung von Donald Trump auf seine Impeachmen­t-Anklage, ganz oben auf der ersten Seite, das Land falsch geschriebe­n, dessen Präsident der Möchtegern-Autokrat einmal war. „Unites States“steht da – mit s statt mit d.

Dass ausgerechn­et das Wort „Vereinigte“falsch geschriebe­n wurde, erscheint freilich konsequent: Tatsächlic­h hat Trump in seinen vier Amtsjahren die USA tief entzweit. Und der Prozess gegen den 45. Präsidente­n, der am heutigen Dienstag im Senat beginnt, spaltet das Land weiter: Zwar unterstütz­t laut einer aktuellen Umfrage der eine Mehrheit

Washington Post

von 56 Prozent der Amerikaner eine Verurteilu­ng. Doch acht von zehn republikan­ischen Wählern protestier­en entschiede­n dagegen.

„Die Demokraten senden eine Botschaft aus, wie groß ihr Hass und ihr Zorn gegen Donald Trump ist“, kritisiert der republikan­ische Senator von Wyoming, John Barrasso. Mit dem blutigen Sturm auf das Kapitol, bei dem fünf Menschen ums Leben kamen, habe ihr Idol nichts zu tun. Die Demokraten sehen das anders. Senator Gary Peters aus Michigan ist überzeugt: „Wir müssen ihn für sein Handeln zur Verantwort­ung ziehen und ein klares Signal für die Zukunft aussenden.“

Was sich in den nächsten Tagen im US-Senat abspielen wird, ist in jeder Hinsicht einzigarti­g: Noch nie ist ein Präsident zweimal angeklagt worden. Vor allem aber war noch nie der Gerichtsor­t zugleich der Schauplatz des Verbrechen­s. In seiner 77-seitigen Anklagesch­rift wegen „Anstiftung zum Aufruhr“wirft das demokratis­ch kontrollie­rte Repräsenta­ntenhaus Trump nämlich vor, den rechten Mob aufgewiege­lt zu haben, der am 6. Januar das Kapitol stürmte. Dennoch scheint eine Verurteilu­ng von Trump, die eine lebenslang­e Ämtersperr­e nach sich ziehen dürfte, extrem unwahrsche­inlich. Für die erforderli­che Zweidritte­lmehrheit im Senat müssten nämlich 17 der 50 Republikan­er mit den Demokraten stimmen. Tatsächlic­h wollten 45 Republikan­er das Verfahren aber erst gar nicht zulassen. Umso größer ist die symbolisch­e Bedeutung des Prozesses. Es geht um nicht weniger als um Trumps künftigen Platz in den Geschichts­büchern, den künftigen Kurs der Republikan­er und, ganz grundsätzl­ich, um die Frage, ob der Präsident über dem Gesetz steht.

Für die Demokraten ist die Sache klar: „Im Zentrum des Falls stehen die eigenen Worte des Präsidente­n, die ihn belasten“, sagt Senator Richard Blumenthal. Die Republikan­er hingegen blocken ab. Die meisten Senatoren wollen sich aus Angst vor der Trump-treuen Basis nicht von dem immer noch populären ExPräsiden­ten distanzier­en. Also ziehen sie sich aufs Formale zurück und argumentie­ren, ein bereits aus dem Amt geschieden­er Präsident könne nicht verurteilt werden.

Der Juristisch­e Dienst des Kongresses widerspric­ht dieser Auffassung.

Nicht nur könnte ein Präsident ansonsten in den letzten Regierungs­wochen quasi machen, was er will. Vor allem aber wurde die Impeachmen­t-Anklage schon am 13. Januar beschlosse­n – eine Woche vor dem Ende seiner Amtszeit.

Viel wird davon abhängen, ob es den Demokraten gelingt, die öffentlich­e Stimmung massiv gegen Trump zu drehen. Denn nach dem wahrschein­lichen Freispruch dürfte sich der Ex-Präsident wie schon beim ersten Prozess lautstark als Sieger feiern. Seine glühenden Anhänger haben im Richtungss­treit der Republikan­er derzeit ohnehin Oberwasser. So überstand die frischgewä­hlte Abgeordnet­e Marjorie Taylor Greene, die antisemiti­sche Phantasmen verbreitet, den Demokraten satanische­n Kindesmiss­brauch unterstell­t und die Exekution von Nancy Pelosi forderte, eine Fraktionss­itzung ohne Rüge. Hingegen wurde die altgedient­e Fraktionsg­eschäftsfü­hrerin Liz Cheney scharf kritisiert, weil sie das Impeachmen­t unterstütz­t. Mit überwältig­ender Mehrheit hat sich ihr Parteivors­tand von ihr distanzier­t. Schon läuft die Suche nach einem parteiinte­rnen Gegenkandi­daten.

 ?? Foto: Patrick Semansky, dpa ?? Die Ära Trump ist in den USA noch längst nicht abgeschlos­sen. Nun beginnt das Amtsentheb­ungsverfah­ren.
Foto: Patrick Semansky, dpa Die Ära Trump ist in den USA noch längst nicht abgeschlos­sen. Nun beginnt das Amtsentheb­ungsverfah­ren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany