Donauwoerther Zeitung

Bestimmt nicht vorbildlic­h

- VON THOMAS HILGENDORF redaktion@donauwoert­her‰zeitung.de

Der eine mag die Kritik als Impfneid abtun, wenn sich Landrat und Oberbürger­meister bei offensicht­licher Knappheit des Vakzins im Lande ziemlich früh die Nadel setzen lassen – und es als vorbildlic­h bezeichnen, wenn Politiker sich impfen lassen. Der andere kann es Ungerechti­gkeit nennen. Erstgenann­te Argumentat­ion träfe dann zumindest in Teilen zu, hätte die politische Prominenz die Impfungen im Augenschei­n der Öffentlich­keit vollzogen. War beispielsw­eise in Israel so – auch Joe Biden hat das gemacht (wobei er eindeutig im gehobenen Seniorenal­ter ist).

Nein, das Ganze hat ein G’schmäckle. In der Tat mag das Beispiel des ungeimpfte­n Polizisten, der in der Gefahr steht, sich von pöbelnden Betrunkene­n anspucken zu lassen, ein plakatives sein – aber ein realistisc­hes. Ein Exempel dafür, wer sonst noch hätte gefragt werden können. Weitere Menschen mit Telefonnum­mern: (Haus-)Ärzte, Lehrer, Menschen mit Behinderun­gen (die sich als „Härtefälle“jüngst eine frühere Impfung erklagen mussten). Wer hat überhaupt auf wessen Geheiß gefragt? Wie kommt man darauf, zuerst bei der Prominenz zu läuten statt bei den alten Mitbürgern auf den ellenlange­n Warteliste­n – oder eben bei einigen aus den oben genannten Gruppen? War es zu aufwendig für die Excel-Tabelle oder gar die neue Impf-Software? Oder geht es eben doch auch nach Rang und Namen?

Das Land wartet mitsamt seinen vielen Risikogrup­pen auf Vakzine. Einige der regionalen Größen aus der Politik haben diese bereits bekommen. Still und leise. Man mag es ihnen an sich sogar gönnen. Aber eines ist ihr Verhalten nicht: vorbildlic­h oder solidarisc­h.

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