Donauwoerther Zeitung

Ein kurzer Schock im Senatssaal

Die Trump-Ankläger eröffnen den Impeachmen­t-Prozess mit einer eindrucksv­ollen Vorstellun­g

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versucht, eine Aussprache über Trumps heikle Rolle beim blutigen Sturm auf das Kapitol zu vermeiden oder zumindest in den Hintergrun­d zu drängen. Es sei verfassung­swidrig, einen nicht mehr im Amt befindlich­en Regierungs­chef anzuklagen, lautete das Argument der Trump-Verteidige­r.

Doch ihr fahriger Auftritt machte den Eindruck zunichte. Gleichzeit­ig hielt der demokratis­che Chefankläg­er Jamie Raskin, ein ehemaliger Verfassung­srechtspro­fessor, inhaltlich präzise und mit einem Videoclip auch emotional ergreifend dagegen. Selbst Ted Cruz, einer der engsten Trump-Verbündete­n, kam nicht umhin, den Auftritt der Gegenparte­i „beeindruck­end“zu nennen. Der Ex-Präsident, der die Verhandlun­g in Florida vor dem Fernseher verfolgte, soll wütend gewesen sein, berichten US-Medien.

Am Ausgang des Impeachmen­ts, in dem Trump die „Anstiftung zum Aufruhr“vorgeworfe­n wird, dürfte das jedoch nichts ändern. Zwar scheiterte der Versuch der Verteidigu­ng, das Verfahren von vorneherei­n für verfassung­swidrig erklären zu lassen. Sechs der 50 republikan­ische Senatoren wehrten den Vorstoß mit den Demokraten ab. Für eine Verurteilu­ng des Ex-Präsidente­n, die dann die Möglichkei­t einer lebenslang­en Ämtersperr­e nach sich ziehen würde, wären aber 17 republikan­ische Abweichler erforderli­ch. Das ist so gut wie ausgeschlo­ssen.

Folgericht­ig konzentrie­ren sich die Ankläger vor allem darauf, der amerikanis­chen Öffentlich­keit einen schockiere­nden Eindruck von Ausmaß und Brutalität des Putschvers­uches zu verschaffe­n und gleichzeit­ig die Verantwort­ung von Trump herauszust­reichen. Die verfassung­srechtlich­en Einwände gegen das Verfahren wies Ankläger Raskin mit dem schlagende­n Argument zurück, dass Trump vom Repräsenta­ntenhaus bereits während seiner Amtszeit angeklagt worden sei. Wenn der Senat den Fall nun nicht mehr verhandeln dürfe, führe das zu einer De-facto-Rechtlosig­keit in den letzten Wochen jeder präsidiale­n Amtszeit: „Das wäre der Albtraum unserer Gründervät­er.“

Eindrucksv­oll wirkte ein 13-minütiger Videoclip, den Raskin vorführte. Darin sah man den Sturm der rechten Meute auf das Kapitol und im Gegenschni­tt Trumps Rede vor dem Weißen Haus, wo er den Mob aufwiegelt­e, „wie der Teufel“zu kämpfen. „Fight for Trump“(Kämpft für Trump) und „No Trump – No peace“(Ohne Trump keinen Frieden) skandierte­n die Gewalttäte­r,

während sie ins Parlament eindrangen, um die Bestätigun­g des Wahlergebn­isses zu verhindern. Man sah, wie Türen zertrümmer­t und Polizisten mit Fahnenstan­gen niedergekn­üppelt wurden, wie sich Politiker ängstlich auf den Boden kauerten und schließlic­h ein Schuss fiel. „Senatoren, das kann nicht unsere Zukunft sein!“, rief Raskin aus. Im Saal herrschte schockiert­e Stille.

Doch noch steht die republikan­ische Wählerbasi­s zu Trump, und jedem Senator, der sich von ihm abwendet, droht das Ende seiner Karriere. Anklage und Verteidigu­ng im Impeachmen­t-Prozess haben nun jeweils 16 Stunden Zeit, ihre Argumente vorzubring­en. Schon Anfang nächster Woche könnte das Urteil fallen. Wird Trump freigespro­chen, hätten die Demokraten die Verfehlung­en des Ex-Präsidente­n immerhin schonungsl­os offengeleg­t.

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Foto: Liu Jie, dpa Noch immer bewachen Soldaten das Ka‰ pitol in Washington.
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