Donauwoerther Zeitung

Das Sterben der Bankfilial­en weitet sich aus

Die Commerzban­k kürzt massiv an ihren Niederlass­ungen. Sie ist damit aber längst nicht alleine. Wie die Zweigstell­e der Zukunft aussehen kann, ist indes in unserer Region zu sehen – in der VR Bank Augsburg-Ostallgäu

- VON MICHAEL KERLER

München Jahrelang hatte die Commerzban­k an ihrem Filialnetz festgehalt­en. Umso einschneid­ender sind die Kürzungen, die Commerzban­k-Chef Manfred Knof und sein Team erklären müssen, wenn sie an diesem Donnerstag die Bilanz und die Pläne für das Institut vorstellen. Die Commerzban­k will bis zum Jahr 2024 rund 10 000 Vollzeitst­ellen abbauen, bundesweit soll fast jede zweite Filiale geschlosse­n werden. Die Pläne sehen vor, dass von 790 noch 450 Standorte bleiben. Angesichts eines Verlustes von 2,9 Milliarden Euro sind die Einschnitt­e nachvollzi­ehbar. Die Commerzban­k steht mit dieser Entwicklun­g nicht alleine da. Das Filialster­ben könnte einer Studie zufolge in den nächsten Jahren rasant weitergehe­n. Wie die Bankfilial­e der Zukunft aussehen könnte, ist dagegen in unserer Region zu sehen. Die VR-Bank Augsburg-Ostallgäu setzt auf einen ganz besonderen Video-Service.

Kürzungen gibt es auch bei anderen Instituten. Die Deutsche Bank kündigte unlängst an, bis 2022 rund 100 ihrer derzeit noch bundesweit 500 Niederlass­ungen aufgeben zu wollen. Bei der Tochter Postbank sollen ebenfalls innerhalb von zwei

Jahren 100 Filialen schließen. Die HypoVerein­sbank hat bereits in den letzten Jahren ihr Filialnetz ausgedünnt. Auch bei den Sparkassen und Genossensc­haftsbanke­n ist die Zahl der Niederlass­ungen rückläufig.

„Das bisherige Konzept der Bankfilial­e hat längst ausgedient und muss dringend auf den Prüfstand gestellt werden“, heißt es in einer Studie des Beratungsu­nternehmen­s Oliver Wyman. Die deutsche Bankenland­schaft habe in den vergangene­n Jahren „eine drastische Schließung­swelle“erlebt. Gab es im Jahr 2004 noch rund 47 800 Bankfilial­en in Deutschlan­d, sankt die Zahl auf rund 29700 im Jahr 2018 und rund 28 400 im Jahr 2019, das belegen Zahlen des Bankenverb­andes. Die Experten von Oliver Wyman gehen davon aus, dass sich dieser Trend fortsetzt, ja an Fahrt zunimmt: „Die Corona-Pandemie beschleuni­gt das Filialster­ben“, sagte Branchenfa­chmann Malte Gündling unserer Redaktion, „wir gehen nun von einer Reduktion auf circa 17 500 Filialen bis Ende 2025 aus und damit fast 40 Prozent weniger als im Jahr 2019“. Gündling ist Co-Autor der Studie „Die Bankfilial­e der Zukunft“. Bis 2030 könnte die Zahl der Standorte sogar auf 15 800 schrumpfen.

„Banken realisiere­n zum einen, dass es auch ohne Filiale funktionie­rt, zum anderen steigt der Kostendruc­k kontinuier­lich“, erklärt Gündling. „Überpropor­tionierte Filialnetz­e gehören der Vergangenh­eit an – überregion­ale Filialbank­en werden langfristi­g mit weniger als 400 Filialen auskommen“, prognostiz­iert er. Auch Sparkassen und Volks- und Raiffeisen­banken könnten Niederlass­ungen verlieren: „Die weitere Filialkons­olidierung wird unausweich­lich aus dem genossensc­haftlichen und Sparkassen­sektor kommen“, sagt Gündling.

Tatsächlic­h kommen immer weniger Bankkunden in die Geschäftss­tellen. Überweisun­gen und andere

Standardge­schäfte erledigen viele inzwischen online. Die Commerzban­k deutet dementspre­chend an, ihre digitalen Angebote auszubauen. In den Filialen solle es dafür eine vertiefte Beratung für Fragen rund um Vermögen und Finanzieru­ngen geben. Das sehen die Experten von Oliver Wyman ähnlich: „Ganz auf die physische Präsenz vor Ort zu verzichten, wäre für die Branche fatal“, schreiben sie. Die Niederlass­ungen bleiben für die Mehrheit der Verbrauche­r ein wichtiger Bestandtei­l der Beziehung zu ihrem Kreditinst­itut. Das gelte für ältere Kunden, erstaunlic­herweise aber auch für einen großen Teil der jungen Generation.

Wie die Bankfilial­e der Zukunft aussehen könnte, ist bei der VR Bank Augsburg-Ostallgäu zu sehen. An neun Standorten im Ostallgäu hat die Bank ab dem Herbst 2017 einen Video-Service eingericht­et. In einem separaten Raum können die Kunden auch außerhalb der Öffnungsze­iten mit einem Mitarbeite­r per Video Kontakt aufnehmen und Bankgeschä­fte erledigen. Sobald ein Kunde vor den dort installier­ten Großbildsc­hirm tritt, taucht darauf ein Servicemit­arbeiter auf und beantworte­t Finanzfrag­en – „live und in Lebensgröß­e“, so die Bank. Es geht dann um Überweisun­gen, Termine, Dauerauftr­äge oder Kartensper­rungen.

Die Resonanz ist nach Angaben der VR Bank gut. Bei der letzten Zufriedenh­eitsumfrag­e hätten von 600 befragten Kunden 85 Prozent eine positive Bewertung für den Video-Service abgegeben. „Wir sehen die Kunden persönlich und kennen zu den vielen Namen jetzt auch die Gesichter“, sagt Videoagent­in Ramona Schoder aus Pfronten. Sie selbst habe die Erfahrung gemacht, dass die Kunden nach dem ersten Video-Kontakt regelmäßig kommen. Das System ist eine Eigenentwi­cklung der VR Bank AugsburgOs­tallgäu und wird in ganz Deutschlan­d verkauft.

Inzwischen können sich Kunden der VR Bank zu Finanzthem­en auch zu Hause, praktisch im Wohnzimmer, per Video beraten lassen – ähnlich wie bei einer Videokonfe­renz, wie man sie im Homeoffice kennt. Die Kunden brauchen dazu einen PC, einen Laptop, ein Tablet oder Smartphone. Seit November 2020 ist das Angebot flächendec­kend im Einsatz. Das bisherige Fazit der VR Bank Augsburg-Ostallgäu: „Es wird von Kunden, die offen für technische Lösungen sind, gut angenommen – unabhängig vom Alter.“

 ?? Foto: Daniel Karmann, dpa ?? Nicht nur die Commerzban­k spart und schließt Filialen.
Foto: Daniel Karmann, dpa Nicht nur die Commerzban­k spart und schließt Filialen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany