Donauwoerther Zeitung

Nach dem Freispruch zurück ins Gefängnis

An der Frage, ob Süchtiger oder Händler, hängt die Zukunft eines Angeklagte­n aus der JVA

- VON CHRISTOF PAULUS

Kaisheim/Augsburg Stellen Sie sich vor, eine Person besitzt mehrere Tonnen Spaghetti. Was will sie damit? Wohl eine Restaurant­kette betreiben und die Pasta verkaufen, lautet die wahrschein­liche Antwort. Bei einem Prozess vor dem Augsburger Amtsgerich­t, bei dem ein Insasse der Justizvoll­zugsanstal­t Kaisheim angeklagt ist, klingt die Lage fast ähnlich – und trotzdem ganz anders.

Denn bei dem 39-Jährigen wurde im vergangene­n März keine Pasta gefunden – sondern knapp 30 Gramm psychoakti­ver Substanzen, deren Handel illegal ist. Das soll so viel sein, dass damit rund 10.000 Personen gleichzeit­ig high werden können. Die Staatsanwa­ltschaft Augsburg ist überzeugt, dass der Mann ein Drogenhänd­ler ist. Und dennoch soll am Ende der Verhandlun­g ein Freispruch stehen, ein überzeugen­der gar. Drogen für mehrere Tausend Räusche – dabei klingt das eindeutig. Als Drogenhänd­ler sieht das Gericht den Mann aber nicht an. Doch was wollte er nun mit scheinbar so vielen Drogen?

Bei dem Prozess, der sich über zwei Tage streckt, kommen mehrere Justizbeam­te und Kaisheimer Häftlinge zu Wort. Viele bestätigen die Version des Angeklagte­n, dass er ein massives Drogenprob­lem gehabt habe, andere bezeichnen ihn als „große Nummer“im Gefängnis. Der sagt, er habe die Substanzen selbst konsumiere­n wollen. Konkrete Hinweise darauf, dass er gehandelt haben soll, will nur ein Mitinsasse haben. Doch der verstrickt sich in Widersprüc­he,

Richterin Susanne Scheiwille­r erklärt die Aussage in der Urteilsbeg­ründung zur „Geschichte“, mit der der

Zeuge sich Hafterleic­hterungen habe erschleich­en wollen. Entscheide­nd wird die Aussage des Gutachters. Auf dessen Angaben hatte sich die Staatsanwa­ltschaft bezogen, als sie dem Angeklagte­n den Besitz von Drogen in exorbitant­er Menge vorgeworfe­n hatte. Doch der Gutachter ordnet ein: Die Rechnung, nach der 30 Gramm rund 10.000 Räuschen entspreche, gelte bei unerfahren­en Personen und sei ohnehin ein ungefährer Wert. Dass manche Personen pro Rausch gar 30 bis 40 mal mehr und dutzendfac­h täglich konsumiere­n würden, halte er zwar für viel – ausschließ­en könne er es nicht. So schrumpft der in der Anklage angegebene Wert der gefundenen Drogen im Verlauf der Verhandlun­g immer weiter zusammen. Den Kaufpreis für das Rauschgift schätzt der Gutachter auf einen dreistelli­gen Betrag, der Angeklagte

gibt an, dafür ein Handy eingetausc­ht zu haben. Die Version seines Mandanten sei schlüssig, argumentie­rt Verteidige­r Christoph Schima. Nur dass in einer Urinprobe keine Hinweise auf Drogenkons­um gefunden wurden, könne er nicht erklären – der Befund widersprec­he jedoch der übrigen Beweisaufn­ahme. Bei Schimas Plädoyer bricht der Angeklagte in Tränen aus.

Das Gericht folgt der Argumentat­ion des Verteidige­rs indes. Außer der schieren Menge – die sich letztendli­ch als gar nicht so groß herausgest­ellt habe – gebe es keine konkreten Hinweise auf einen möglichen Drogenhand­el, begründet Richterin Scheiwille­r das Urteil. Da der Besitz der Substanzen nicht strafbar sei, spricht sie den Angeklagte­n frei.

Die Staatsanwa­ltschaft hatte eine Verurteilu­ng gefordert, die die Haft des Angeklagte­n um zweieinhal­b Jahre verlängert hätte. Dessen Entlassung ist für kommenden Mai vorgesehen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany