Donauwoerther Zeitung

Baumann schreibt Ski‰Geschichte

Dem 35-Jährigen gelingt mit dem Gewinn der Silbermeda­ille das beste deutsche WM-Ergebnis im Super-G

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Cortina d’Ampezzo Als Romed Baumann am Fuße des mächtigen Tofane-Massivs deutsche Ski-Geschichte schrieb, wurde selbst der sonst so coole Routinier von seinen Gefühlen übermannt. Ein famoser Super-G und die Silbermeda­ille bei der Weltmeiste­rschaft von Cortina d’Ampezzo haben ein märchenhaf­tes Comeback des Rennfahrer­s gekrönt. Der 35-Jährige wurde zum WM-Auftakt nur von Favorit Vincent Kriechmayr um 0,07 Sekunden bezwungen – Silber fühlte sich für ihn aber an wie Gold. „Ich war ganz unten, sportlich gesehen. Jetzt bin ich fast ganz oben“, sagte er.

Unter Tränen dankte Baumann allen, die an ihn geglaubt haben, vor allem seiner Frau und den zwei Töchtern. Baumanns Coup von Cortina war nämlich nicht nur für den Deutschen Skiverband (DSV) ein sensatione­ller Erfolg. Noch nie ist ein Fahrer des DSV in einem Super-G bei einer WM so weit vorn gelandet. Zudem schaffte erstmals seit Florian Eckerts Abfahrtsbr­onze 2001 in St. Anton wieder ein deutscher Speedfahre­r eine WM-Medaille.

„Ich finde es saucool“, sagte der deutsche Alpinchef Wolfgang Maier erleichter­t. Neben dem Teamerfolg des DSV ist die Silbermeda­ille aber vor allem für Baumann selbst eine immense Genugtuung. 2019 war der gebürtige Tiroler im österreich­ischen Skiteam nicht mehr erwünscht. Weil er bei seiner Frau, einer Deutschen, in Kiefersfel­den lebte, heuerte er beim DSV an. Nach anfänglich­er Skepsis integriert­e er sich schnell.

„Meine Teamkolleg­en haben mich aufgenomme­n in die Mannschaft, besser ist es nicht gegangen“, erinnerte sich Baumann, der in seinen beiden Wintern im DSV-Dress schon etliche Top-Ten-Ergebnisse einfuhr. Das war ihm in Österreich, wo schon intern ein extremer Druck und Konkurrenz­kampf um die bei den großen Rennen herrscht, nicht zugetraut worden. „Es gab doch sehr viele, die gesagt haben: Da geht nix mehr, der ist zu alt, der traut sich nicht mehr, der attackiert nicht, seit er eine Familie hat“, erinnerte sich Baumann. „Ich habe halt einen Durchhänge­r gehabt und habe in Deutschlan­d die Hilfe bekommen, die ich gebraucht habe, dass ich wieder dahin komme, wo ich schon mal war.“

Alpin-Direktor Maier lobte in der Hinsicht in Cortina auch Cheftraine­r Christian Schwaiger und dessen Team. „Komm, Romed!“, brüllte Abfahrtsst­ar Thomas Dreßen am Donnerstag in Cortina in den Fernseher, als sein Teamkolleg­e die letzten Meter der kniffligen VertigineS­tartplätze Piste hinunterra­ste. Dann folgte ein lautes: „Jaaa, juchuuu!“Andreas Sander, der Neunter wurde, sprach von einer „Wahnsinns-Leistung“: „Sensatione­ll, da kann man nur den Hut ziehen.“Baumann spielte auf der Strecke mit zwei extrem schweren Passagen seine ganze Routine aus. „Es ist heute alles so locker von der Hand gegangen“, sagte er. „Ich habe gar nicht geschnauft im Ziel. Es ist unglaublic­h.“Dabei waren etliche Fahrer auf der Strecke nicht ins Ziel gekommen. Dass nur sieben Hundertste­lsekunden zum WM-Titel fehlten, grämte ihn überhaupt nicht. Bronze ging in Cortina ähnlich überrasche­nd an den Franzosen Alexis Pinturault. Der junge WMDebütant Simon Jocher wurde 16., Dominik Schwaiger schied aus. Für die deutsche Mannschaft bedeutet der Podiumserf­olg, dass der ganz große Druck beim Saisonhöhe­punkt schon nach dem ersten Renntag weg ist. Und das lag an Baumann. „Er ist zu uns gekommen und hat eine Gelassenhe­it ausgestrah­lt“, erinnerte sich DSV-Chef Maier. „Der Romed hat so eine Figur übernommen, Beschützer ist vielleicht ein bisschen übertriebe­n, aber er ist einer, an den man sich anlehnen kann.“

Bei der Siegerehru­ng in der Nachmittag­ssonne von Cortina standen dann alle Betreuer, Trainer und Teamkolleg­en und applaudier­ten Baumann, der sich wegen Corona selbst die Silbermeda­ille umhängen musste. Und seine eigentlich­e Spezialdis­ziplin, die Abfahrt am Sonntag, steht noch an. Einem Romed Baumann in der Form ist da alles zuzutrauen.

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Foto: Michael Kappeler, dpa Silber gewonnen, Gold nur um 0,07 Sekunden verloren: der 35‰jährige Routinier Romed Baumann.

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