Wer ist hier der Boss?
Wenn es sich lohnt, den Trainer aus der Halle zu werfen
Nervig, wenn die eigene Arbeit permanent vom Chef begutachtet wird. Wenn der Boss im Rücken herumschleicht und wenig dezent auf Fehler am Bildschirm deutet. Oder beim Blick auf die gerade verlegten Fliesen die Augenbrauen hebt. Kein Angestellter, der einen Vorgesetzten nicht irgendwann schon mal sonst wohin gewünscht hätte. Dementsprechend darf Daniil Medvedev als Held aller Arbeiter gelten.
Der Russe befindet sich nun nicht gerade in einem prekären Angestelltenverhältnis. Als herausragender Tennisspieler fällt es ihm möglicherweise leichter, den Chef auf seine unnütze Anwesenheit hinzuweisen. Medvedev war jedenfalls im Drittrunden-Spiel der Australian Open so genervt von den Anweisungen seines Trainers Gilles Cervara, dass er ihn zuerst anmaulte und dann mit einem Handzeichen von der Tribüne schickte. Cervara folgte, Medvedev gewann schließlich das Match.
Die Beziehung zwischen Spieler und Trainer soll keinen nachhaltigen Schaden genommen haben, heißt es. Daher kann der Vorfall als durchaus beispielhaft für die Berufswelt gelten. Nah liegen die Anwendungsbeispiele dabei im Sport: Denkbar, wie Augsburgs Stürmer Florian Niederlechner Trainer Heiko Herrlich von der Bank scheucht, weil er den Angreifer mal wieder nicht von Beginn an spielen lässt. Aber auch Büroangestellte können nun ihren Chef mit Verweis auf den innerbetrieblichen Frieden – und wichtiger: die Produktivität – der Kaffeeküche verweisen.
Ob Trainer möglicherweise in der Bundesliga davor stehen, ganz ohne Chance auf Rückkehr vom Vereinsgelände geworfen zu werden, steht im
Melbourne Bei einer entspannenden Massage richtete sich Alexander Zverev darauf ein, was ihn in seinem zweiten Viertelfinale bei den Australian Open erwartet: die denkbar schwerste Aufgabe gegen Novak Djokovic. Gegen den Titelverteidiger und Weltranglisten-Ersten wird Deutschlands bester Tennisprofi am Dienstag alle Kräfte brauchen, wenn er den erhofften Weg in sein zweites Grand-Slam-Endspiel weitergehen will. Der 23-Jährige erwartet „eine der härtesten Herausforderungen in unserem Sport. Das ist sein Lieblingsplatz, das ist sein Lieblingsturnier.“
Beim 6:4, 7:6 (7:5), 6:3 gegen den unangenehm zu spielenden Serben Dusan Lajovic war Zverev am Sonntag beizeiten am Ziel. Mit einem Ass beendete der Hamburger nach 2:21 Stunden das Match. Danach konnte der WeltranglistenSiebte verfolgen, wie Djokovic beim 7:6 (7:4), 4:6, 6:1, 6:4 auch im zwölften Vergleich den Kanadier Milos Raonic bezwang. Die Schmerzen, die ihn am Freitag beim Zittersieg über den Amerikaner Taylor Fritz am Bauch geplagt hatten, schien der achtmalige Australian-Open-Champion bei Streckungen weiter zu merken. Erst um 0.25 Uhr Ortszeit war Djokovic schließlich durch, mehr als drei Stunden später als Zverev. „Wenn es ein anderes Turnier als ein Grand
Slam wäre, hätte ich definitiv zurückgezogen. Hoffentlich ist es in zwei Tagen besser“, sagte Djokovic. „Es liegt in Gottes Hand, wie sich mein Zustand bis zum ersten Punkt gegen Sascha entwickelt“, fügte er hinzu, ohne Details zu seiner Blessur zu nennen.
„Ob er so angeschlagen ist, weiß ich nicht. Um gegen Raonic zu gewinnen, muss man topfit sein auf so Belag“, bemerkte Zverev. Seine Beschwerden im Bauchmuskelbereich werden nach seinen Worten langsam besser, Schmerzmittel nimmt er aber noch. „Wenn es gegen Novak geht, muss ich voll aufschlagen können“, sagte Zverev und will auch Risiko gehen: „Da muss ich alles auf dem Platz lassen.“
Der verpflasterte Djokovic gewann fünf der bisher sieben Duelle gegen Zverev, das letzte jüngst beim ATP Cup in Melbourne. „Ich erwarte nichts anderes als die große Schlacht, die wir zuletzt hatten“, sagte Djokovic. Der 33-Jährige hat nun 300 Siege bei Grand-Slam-Turnieren auf seinem Konto, nur Roger Federer hat mit 362 mehr. Zverev schaffte seinen 50. Erfolg bei den vier wichtigsten Turnieren.
Der fiel ihm gegen Lajovic leicheinem ter als in den bisherigen beiden Vergleichen, als es bei den French Open jeweils über fünf Sätze ging. Dass er inzwischen relativ problemlos in die entscheidende Phase bei den Grand Slams kommt, ist aus seiner Sicht ein Reifeprozess. Den konstatierte auch Wimbledonsieger Boris Becker als Experte bei Eurosport zufrieden.
In der leeren Margaret Court Arena erinnerte nur das 0:2 am Anfang an die anderen Aufeinandertreffen mit Lajovic. Der 30 Jahre alte Weltranglisten-27. spielte wieder solides, schnörkelloses Tennis von der Grundlinie. Trotz des anfänglichen Frusts kam Zverev allmählich besser in die Partie und bestimmte sie zunehmend. Das Break zum 3:1 im dritten Satz war dann praktisch schon die Entscheidung. Wegen des seit Freitagabend bis einschließlich Mittwoch geltenden neuerlichen Lockdowns waren zumindest keine Zuschauer im Melbourne Park zugelassen.
Sein letztjähriger Halbfinal-Bezwinger Dominic Thiem scheiterte zuvor überraschend deutlich mit 4:6, 4:6, 0:6 am Bulgaren Grigor Dimitrow. „Ich bin keine Maschine, auch wenn ich gerne eine wäre“, sagte der US-Open-Champion. „Heute war seit langer Zeit ein rabenschwarzer Tag.“Dimitrow bekommt es am Dienstag unerwartet mit dem russischen Qualifikanten Aslan Karazew zu tun.