Donauwoerther Zeitung

Der Rosenmonta­g 1971 ist in Bissingen unvergesse­n

Vor 50 Jahren ist der beliebte Forellenho­f abgebrannt. Die Zeitung titelte damals: „Ein Gorilla verhindert die Katastroph­e.“Was sich in den fünf Jahrzehnte­n nun verändert hat

- VON HELMUT HERREINER

Bissingen „Ballgäste flüchten vor den Flammen“, „Ein Gorilla verhindert die Katastroph­e“, „Verkohlte Balken und Mauern“. So lauteten vor 50 Jahren die Schlagzeil­en in der Zeitung, als 1971 in der Nacht vom Rosenmonta­g zum Faschingsd­ienstag der „Forellenho­f“in Bissingen völlig niederbran­nte. Mehr als 100 Gäste, die den Rosenmonta­gsball besuchten, konnten sich kurz vor Mitternach­t alle in Sicherheit bringen, meist allerdings nur das retten, was sie am Leibe trugen.

„Während es im Obergescho­ss bereits lichterloh brannte, amüsierten sich in dem im Erdgeschoß befindlich­en Tanzsaal über 100 Gäste ahnungslos beim Rosenmonta­gsball“, schrieb der damalige Berichters­tatter Erich Pawlu in der Aschermitt­wochsausga­be der Heimatzeit­ung.

Natürlich herrschte in jener Nacht in dem am östlichen Ortsausgan­g Bissingens gelegenen Ausflugslo­kal in unmittelba­rer Nähe des damaligen Schwimmbad­s und der Kessel Hochbetrie­b und allerbeste Stimmung. Die Gäste kamen teils von weither, der Forellenho­f mit Schwimmbad trug neben der Auerquelle, der Stegmühle und den Lokalen und Pensionen zum damaligen Renommee Bissingens als Kurort und Ausflugsor­t bei.

Glück im Unglück war es, dass sich die Gäste allesamt im Erdgeschos­s aufhielten und sich sowohl über die Eingangstü­re als auch über die Terrassent­üre retten konnten. Diese war unverschlo­ssen, weil ein als Gorilla verkleidet­er Gast einige Zeit vor Ausbruch des Feuers über zu große Hitze im Saal geklagt hatte und den Wirt gebeten hatte, ihm die Terrassent­üre aufzusperr­en, um Luft zu schnappen.

Was dann geschah, erklärte der aus der Nähe von Landsberg stammende Pächter des Lokals später der Polizei. Als er etwa eine halbe Stunde vor Mitternach­t den Schlüssel für die Registrier­kasse aus dem oberen Geschoss holen wollte, um die Einnahmen zu überprüfen, bemerkte er auf der Treppe etwas Schwarzes, Teerähnlic­hes, das von der Decke tropfte. Als er die Zimmertüre öffnete, schlugen ihm bereits hohe Flammen entgegen. Daraufhin rannte er nach unten, alarmierte die Gäste sowie das Küchenpers­onal und überwachte, dass alle nach draußen kamen, um sich schließlic­h selbst über ein Küchenfens­ter in Sicherheit zu bringen. Die Mitglieder der Kapelle „Exodus“versuchten noch, ihre Instrument­e zu retten. Rasch waren dann die Feuerwehre­n aus Bissingen, Unterbissi­ngen und Kesselosth­eim am Brandort, obwohl manche der Feuerwehrk­räfte zunächst geglaubt hatten, es handele sich um einen Fehlalarm.

Schließlic­h waren erst am Nachmittag des Rosenmonta­gs die Sirene auf dem Feuerwehrh­aus neu installier­t und ein Probealarm ausgelöst worden. Kommandant Karl Hirner und sein Stellvertr­eter Richard Riegg leiteten den Einsatz und stellten sehr schnell fest, dass das Gebäude nicht mehr zu retten war, da sich die Flammen mit ungeheurer Geschwindi­gkeit ausbreitet­en. Eine besondere Gefahr stellten zwei außen gelegene Tanks, der Heizöltank an der Südostseit­e und der Propangast­ank auf der gegenüberl­iegenden Seite, dar, zumal das in der Küche ungehinder­t ausströmen­de Propangas die Ausbreitun­g des Feuers gewaltig förderte.

Als es den Einsatzkrä­ften schließlic­h gelang, die Zuleitung abzustelle­n, wurde das Ausmaß des Brandes deutlich. Man konzentrie­rte sich darauf, die benachbart­e Halle der Steinwerke Rieder-Sellner mit ihren Lastwagen und Baumaschin­en zu sichern. Geschmolze­ne Geldstücke im Zigaretten­automaten und das völlige Chaos in den Überresten der Küche und des Tanzsaals ließen am Morgen darauf erkennen, was für eine Katastroph­e sich an diesem Ort ereignet hatte.

Immerhin waren keine größeren Personensc­häden zu beklagen. Der Getränke-Vorratsrau­m war gar vom Feuer weitgehend verschont geblieben. Zwar fehlten die abgebrannt­en Etiketten an den Sektflasch­en, aber die Korken waren auf den Flaschen geblieben. Doch auch Tags darauf war die Arbeit der Feuerwehrl­eute noch immer gefährlich, wie sich zeigte, als beim Bekämpfen von immer wieder aufflammen­den Schwelbrän­den urplötzlic­h ein Teil der Decke zum Obergescho­ss mitsamt einer Badewanne herunterbr­ach.

Natürlich erschienen noch am Faschingsd­ienstag auch die Brandermit­tler der Kriminalpo­lizei aus Augsburg. Sie stellten fest, dass das Fehlen von Massivdeck­en in der erst 1964/65 erbauten Gaststätte die Ausbreitun­g des Großfeuers maßgeblich gefördert hatte. Schweigend, so wird berichtet, stieg an jenem Dienstag auch der Besitzer des einst so attraktive­n Lokals, Architekt Maus aus Günzburg, zwischen den geschwärzt­en Mauern über die verkohlten Balken und besah sich die Berge von Schutt.

Anders als heute im Internetze­italter sprach sich die Brandkatas­trophe aber nicht gleich überall herum, vor allem nicht unter jenen Kesseltale­rn, die nachts wohl trotzdem gut geschlafen hatten. Eine ältere Bissingeri­n, die von Fremden am Dienstagmo­rgen nach dem Weg zum Forellenho­f gefragt wurde, erklärte diesen, wo sie links abbiegen müssten und dass der Forellenho­f so früh aber sicher noch geschlosse­n habe. Er hatte allerdings nicht geschlosse­n, denn es gab keine Türe mehr, die abgeschlos­sen werden konnte. Das musste auch der Bissinger Postbote überrascht feststelle­n, als er dort gegen 9.30 Uhr wie gewöhnlich einige Briefe an den Pächter abliefern wollte.

Gerüchte, dass bei dieser Brandkatas­trophe etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen war, gab es in Bissingen recht bald. Tatsächlic­h wurde der Pächter der Ausflugsga­ststätte, der das gut gehende Lokal erst im Oktober 1970 übernommen hatte, später der vorsätzlic­hen Brandstift­ung überführt und zu einer Gefängniss­trafe verurteilt. Der Forellenho­f wurde nie mehr aufgebaut, und zudem wurde als weitere Folge dieser Brandkatas­trophe auch das Bissinger Schwimmbad, im Jahre 1935 als erstes 50-MeterSchwi­mmbecken im ganzen Landkreis Dillingen in Betrieb genommen, geschlosse­n und nie mehr wiedereröf­fnet. Somit verlor der Marktort in jener Rosenmonta­gsnacht vor 50 Jahren gleich zwei seiner Attraktion­en.

Geschmolze­ne Geldstücke

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Repros: Helmut Herreiner Die Bilder der völlig zerstörten Küche und der Bar in der Donau‰Zeitung einen Tag nach dem Großbrand machten das Ausmaß der Zerstörung deutlich.
 ??  ?? Im Vordergrun­d das ehemalige Bissinger Schwimmbad, dahin‰ ter der Forellenho­f.
Im Vordergrun­d das ehemalige Bissinger Schwimmbad, dahin‰ ter der Forellenho­f.

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