Der schreckliche Tod zweier Knaben
Vor 110 Jahren wagten sich Peter und Andreas Scheppach in Donauwörth auf die zugefrorene Wörnitz. Es kam zu einem Unglück. Betroffenheit reichte bis in die USA
Donauwörth Es muss ähnlich kalt wie in den vergangenen Tagen gewesen sein. Auch damals, im Februar 1911, übten zugefrorene Gewässer auf die Menschen offenbar eine geradezu magische Anziehungskraft aus, vor allem auf Kinder. Die tummelten sich gerne auf dem Eis. Doch gerade auf Flüssen ist dieses tückisch. So war die Schicht an jenem 16. Februar auf der Wörnitz offenbar viel zu dünn, um darauf laufen zu können. Das kostete zwei Kindern das Leben.
Das Schicksal der beiden Buben geht Barbara Neuber unter die Haut. Sie wuchs in der Berger Vorstadt in Donauwörth auf. Jeden Sonntag besuchte sie mit ihrem Vater in der St.-Johann-Kirche den Gottesdienst: „Zum Friedhof zu gehen war eine Selbstverständlichkeit.“
Vor einigen Jahren fotografierte
Neuber auf dem Areal alte Grabsteine an der Kirche und der Friedhofsmauer, um mit den Kolping-Frauen eine kleine Exkursion zu gestalten. Dabei stieß die HobbyHeimatforscherin aus dem Stadtteil Wörnitzstein erneut auf ein Grabmal, das sie schon länger beschäftigte. Wenige Reihen vom Friedhofsportal entfernt fällt das künstlerische Werk eines Steinmetzes auf. Es ist die letzte Ruhestätte der Familie Scheppach.
Auf dem mittleren Teil ist folgende Aufschrift zu lesen: „Hier ruhen die am 16. Februar 1911 jäh in ein besseres Jenseits abberufenen Ärztesöhnchen Peter Scheppach und Andreas Scheppach.“Die Buben waren demnach acht beziehungsweise zehn Jahre alt, als sie starben. Dies könnte durch Diphtherie, Keuchhusten oder eine andere schwere Kinderkrankheit geschehen sein, vermutete Barbara Neuber zunächst. Da sie jedoch am selben
Tag aus dem Leben schieden, habe sich der Verdacht aufgedrängt, sie könnten ins Eis eingebrochen und ertrunken sein.
Tatsächlich war dies der Fall. Dies zeigt ein Blick in das Donauwörther Anzeigenblatt vom 18. Februar 1911. In der Meldung wird das Unglück geschildert, das sich mittags nahe dem Cassianeum (Bereich um die Heilig-Kreuz-Kirche) ereignete. Das Eis sei zu dünn und die herbeieilenden Helfer seien nicht schnell genug gewesen. Drei Tage später erschien in dem Blatt die Todesanzeige. In dieser werden Dr. Andreas Scheppach und Maria Magdalena Scheppach als Eltern genannt. Andreas Scheppach war praktischer Arzt und Bahnarzt.
Es war in jener Zeit nicht der einzige Vorfall dieser Art in Donauwörth. In dem Artikel vom 18. Februar wird auf ein weiteres Unglück verwiesen, das glimpflich endete. So sei am 15. Februar ein kleines MädBarbara chen ebenfalls in der Wörnitz eingebrochen. Es habe aber gerettet werden können.
Der tödliche Unfall der Brüder Scheppach bewegte die Menschen weit über die Grenzen der Stadt Donauwörth hinaus. Auch Zeitungen im Ausland berichteten darüber, zum Beispiel das Salzburger Volksblatt. Die Meldung schaffte es vor 110 Jahren sogar über den „Großen Teich“, wie Barbara Neuber herausgefunden hat.
Am 14. April, also gut zwei Monate nach dem Tod von Peter und Andreas, war im deutschsprachigen Nebraska Staats-Anzeiger und Herold unter der Rubrik „Postnachrichten aus der alten Heimat“zu lesen, dass die beiden Knaben auf der schwachen Eisdecke der Wörnitz in der Nähe des Cassianeums eingebrochen seien. Trotz sofort eingeleiteter Rettungsversuche hätten sie „nur als Leichen geborgen werden“können.