Donauwoerther Zeitung

Achtung vor den Trauernden

- VON THOMAS HILGENDORF redaktion@donauwoert­her‰zeitung.de

Die Corona-Pandemie stellt absolute Normalität­en auf den Kopf und zerschmett­ert schier den Grundsatz des mitmenschl­ichen Beistands in Zeiten der Not: Die Menschen dürfen sich demnach nicht nahe sein; das ist gerade mal dem Arzt oder Pfleger noch erlaubt. Mitunter beäugt man argwöhnisc­h, wenn sich in der Öffentlich­keit die Menschen zu nahe kommen. Solidaritä­t und Miteinande­r durch Abstand ist angesagt. Das ist paradox in unserem Verständni­s gegenseiti­ger Hilfe, gar absurd. Es wird auch hoffentlic­h nie zur Normalität werden. Ferner ruft Corona weitere Spaltpilze in der Gesellscha­ft hervor. Das hat auch die Beerdigung in Rain gezeigt, als sich 100 statt der aktuell während der Pandemie erlaubten 25 Trauergäst­e eingefunde­n hatten. Die Meinung der Menschen hierüber pendelt stark aus zwischen Mitgefühl auf der einen – Empörung ob des Nichteinha­ltens geltender Verordnung­en zum Infektions­schutz auf der anderen Seite. Natürlich ist das Unverständ­nis nachvollzi­ehbar. Jene Regeln gelten grundsätzl­ich im deutschen Rechtssyst­em für alle gleicherma­ßen. Und doch hat Pfarrer Johannes Bräuchle auch recht, wenn er darauf hinweist, dass stets der Einzelfall beachtet werden müsse. Es ist eben keine reine Freizeitge­sellschaft dort auf dem Friedhof zusammenge­kommen, sondern eine Trauergeme­inde. Ob jeder von ihnen wusste, dass es so viele werden würden, sei erst einmal dahingeste­llt. Es hat wohl keiner irgend eine böse oder verquere Absicht gehabt. Das mag banal klingen, ist aber wichtig bei der Gesamtbetr­achtung. Man kann und darf da mit nachvollzi­ehbaren Argumenten anderer Meinung sein – wichtig wäre dennoch, dass jene Debatte darüber anständig geführt wird. Und bitte nicht auf dem Rücken einer trauernden Familie.

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