Donauwoerther Zeitung

Hollywood machte ihn als Helden bekannt

In „Hotel Ruanda“wurde verfilmt, wie ein Hotelmanag­er Menschen vor dem Völkermord rettete. In seiner Heimat steht Paul Rusesabagi­na wegen Terrorismu­s vor Gericht. Ein Prozess, in dem sich das Paradox Ruandas widerspieg­elt

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Kigali Ein Held in Handschell­en. Die Bilder von Paul Rusesabagi­na, wie er in rosafarben­er Sträflings­kleidung und mit Corona-Maske vor Gericht erscheint, sprechen Bände. Durch den Hollywood-Film „Hotel Ruanda“wurde er berühmt. Nun wird dem 66-Jährigen in seiner ostafrikan­ischen Heimat der Prozess gemacht. Für die einen ist der ExHotelman­ager ein Freiheitsk­ämpfer, für die anderen ein Terrorist. Womöglich ist er beides – ein Paradox, wie Ruanda selbst.

Aus der Asche des brutalen Genozids 1994 hat Präsident Paul Kagame Ruanda zu einem von Afrikas Vorzeigest­aaten gemacht. Stabilität, wirtschaft­licher Aufschwung und Innovation ziehen Start-ups und politische­s Wohlwollen aus aller Welt an. Doch der Preis dafür ist hoch: Meinungs- und Pressefrei­heit hat Kagame dermaßen unterdrück­t, dass Opposition und Kritik an der Regierung kaum möglich sind. Diesen Spagat illustrier­t Rusesabagi­nas Lebensweg. Er leitete während des

Völkermord­s, in dem mehr als 800000 Angehörige der Bevölkerun­gsgruppen Tutsi und Hutu ermordet wurden, ein Hotel in der Hauptstadt Kigali. „Hotel Ruanda“erzählt, wie der von Don Cheadle gespielte Manager mehr als 1200 Menschen Zuflucht auf dem Hotelgelän­de gewährte und ihr Leben rettete. Internatio­nal wurde Rusesabagi­na als Held gefeiert, US-Präsident George W. Bush überreicht­e ihm 2005 die Presidenti­al Medal of Freedom. In seiner Heimat aber wurde die Erzählung von der Regierung und Überlebend­en bestritten.

Dagegen sagt seine Tochter Carine, dass Rusesabagi­na zur Zielscheib­e wurde, weil er begann, Kagame zu kritisiere­n. 1996 ging der Hotelmanag­er ins Exil, zuletzt lebte der belgische Staatsbürg­er in den USA. Die Fragen blieben: Ist Rusesabagi­nas Heldenakt wahr? Hat ihn Kagames Regierung zunehmend als Bedrohung wahrgenomm­en? Mit all ihren Widersprüc­hlichkeite­n werden Gesellscha­ft und Politik in Ruanda

vom Umgang mit der Vergangenh­eit geprägt. „Bei den Gedenkfeie­rn zu 25 Jahren Genozid im April 2019 habe ich vor Ort gemerkt, wie intensiv sich die ganze Gesellscha­ft in Ruanda mit ihrer jüngeren Geschichte beschäftig­t“, sagt der Landtagspr­äsident von Ruandas Partnerlan­d Rheinland-Pfalz, Hendrik Hering (SPD). „Es war Trauer spürbar, aber auch viel Lebendigke­it

und Emotionali­tät.“Beim Völkermord in Ruanda hat die Weltöffent­lichkeit weitgehend weggeschau­t, kritisiert Hering. Ohne auf das Verfahren einzugehen, sagte er, dass die Justiz einen wichtigen Beitrag zur Erinnerung­skultur leisten könne. „Bei uns haben die Nürnberger Prozesse dazu beigetrage­n, dass die Verbrechen allgemein bekannt wurden.“Allerdings glaubt Peter Fabricius von der Denkfabrik Institute for Strategic Studies, dass die Versöhnung in Ruanda „sehr oberflächl­ich“sei. Heute offen über Hutu und Tutsi zu sprechen, sei fast unmöglich. Kagame unterdrück­e die ethnischen Spannungen. Andere Erzählweis­en des Genozids würden nicht toleriert – etwa, dass auch Kagames Partei RPF gegen Ende des Völkermord­s Gräueltate­n an Hutus verübt hätten. Der Vorwurf der Völkermord-Leugnung werde politisch instrument­alisiert.

Rusesabagi­na muss sich nun wegen Gründung einer bewaffnete­n Gruppe und Mitgliedsc­haft einer

Terrorgrup­pe verantwort­en. Er leitet im Exil die Ruandische Bewegung für Demokratis­chen Wandel (MRCD) und sagte vor Gericht, dass er den bewaffnete­n Flügel, die Nationale Befreiungs­front (FLN), mitgegründ­et habe. Dieser hat tödliche Angriffe in Ruanda für sich beanspruch­t. Allerdings sagte Rusesabagi­na, dass die FLN nie mit der Absicht gegründet worden sei, „Terrorismu­s zu begehen“. Neben Rusesabagi­na sind 20 mutmaßlich­e FLNKämpfer angeklagt. Doch es ist zu bezweifeln, dass Rusesabagi­na einen fairen Prozess bekommen wird. „Ich wurde von der ruandische­n Regierung entführt“, wiederholt­e Rusesabagi­na am Mittwoch vor Gericht. Er wirft den Behörden vor, ihn ausgetrick­st und gegen seinen Willen aus Dubai nach Ruanda gebracht zu haben, um ihn vor Gericht zu stellen. Und Präsident Kagame sagte vor Prozessbeg­inn, dass Rusesabagi­na eine Gruppe „Terroriste­n“anführe. „Er muss für diese Verbrechen bezahlen.“

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Foto: dpa Freiheitsk­ämpfer oder Terrorist? Raul Rusesabagi­na steht in seiner Heimat Ru‰ anda vor Gericht.

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