Donauwoerther Zeitung

„Das ist schon ein schwerer Schlag“

Der baden-württember­gische Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n spricht über seine Entscheidu­ng, wegen der Krebserkra­nkung seiner Frau im Wahlkampf kürzerzutr­eten

- Interview: Stefan Lutz

Kretschman­n, vergangene Woche haben Sie die schwere Erkrankung Ihrer Ehefrau Gerlinde öffentlich gemacht. Wie geht es ihr?

Winfried Kretschman­n: Den Umständen entspreche­nd ordentlich. Die Operation ist gut verlaufen, aber sie muss jetzt weitere Therapien machen. Es ist noch nicht ganz ausgeguckt, was da noch auf sie zukommt. Es ist natürlich eine angespannt­e Situation, denn Krebs ist eine heimtückis­che Krankheit. Man weiß nie wirklich, was los ist. Das ist schon eine große Belastung. Meine Frau war ja Schirmherr­in der Mammografi­e-Kampagne, und jetzt hat es sie mit dem Brustkrebs selber erwischt. Das ist schon ein schwerer Schlag, mit dem man zurechtkom­men muss. Und mich trifft es jetzt mitten in der Pandemie, in der ich als Ministerpr­äsident voll gefordert bin, und dann noch als Wahlkämpfe­r, das passt schon mal gar nicht dazu. Das ist natürlich mental eine Herausford­erung. Aber ich muss die annehmen und kriege das schon hin. Ich streiche den einen oder anderen Wahlkampft­ermin, damit ich mehr zu Hause sein kann. Man braucht in einer solchen Phase, in der man alles schockweis­e erlebt hat und damit zurechtkom­men muss, Nähe und Unterstütz­ung.

Es hätte sicher auch viel Verständni­s in der Bevölkerun­g gegeben, wenn Sie sich für eine längere Phase ganz zurückgezo­gen hätten. Verbietet das gerade die Zeit, oder haben Sie das mit Ihrer Frau besprochen und hat sie Ihnen geraten, jetzt sichtbar zu bleiben? Kretschman­n: Die Situation hat das jetzt erst einmal nicht erfordert. Sie ist operiert worden, die Operation war erfolgreic­h, und sie muss jetzt auf die Therapie warten. Sie hat auch Aussichten, dass sie wieder gut genesen kann und die Therapien wirken. Meine Frau ist jemand, der nicht hypernervö­s auf so etwas reagiert, sondern nimmt das mit einiger Zuversicht an. Insofern kriegen wir das hin. Aber wir haben das natürlich gemeinsam besprochen.

Sie treten erneut an. Nicht wenige sagen, dass die Grünen in Baden-Württember­g eine One-Man-Show sind – vieles funktionie­rt nur mit Ihrem Namen. Haben Sie schon einmal gedacht: Ich bin ein Glücksfall für die Grünen?

Kretschman­n: Das wird sich bei der Wahl zeigen (lacht). Wir sind jetzt in der Pandemie, die schon über ein Jahr dauert, es treten Ermüdungse­rscheinung­en bei den Leuten auf, und jetzt kommt der x-te Appell, durchzuhal­ten. Die Geschäfte und Schulen sind zu, das zermürbt alle. Wie sich das auf die Wahl auswirkt, das weiß kein Mensch. Insofern ist man jetzt auf unsicherem Terrain, und ich gehe das schon mit einer gewissen Demut an. Und man kommt halt leider nicht so richtig in Wahlkampfs­timmung.

Es gibt ja Spötter, die mit Blick auf den Landtags- und Bundestags­wahlkampf sagen: Mutti – also Bundeskanz­lerin Merkel – geht, aber Opa bleibt. Ärgert es Sie, dass Ihr Lebensalte­r im Wahlkampf immer wieder thematisie­rt wird?

Kretschman­n: Das hat nachgelass­en. Es war schon schlimmer. Seit Joe Biden Präsident der USA ist, ist da die Luft raus. Wenn ich in fünf Jahren aufhöre, bin ich so alt wie Biden jetzt, wo er anfängt. Und Biden ist Präsident der Vereinigte­n Staaten, das ist noch einmal eine andere Nummer, als der „Governor“von Baden-Württember­g zu sein. Aber entweder man macht das Amt gut oder schlecht oder mittelmäßi­g – das hängt nicht vom Alter ab. Und wir werden alle älter.

Sie sind ja auch gerne im Garten, und vom Baumschnit­t weiß man, dass man aus Bäumen die starken Äste entfernen muss, damit sich jüngere Triebe entfalten können. Wo ist denn der junge Trieb, der sagt: Mach doch mal Platz? Kretschman­n: Es ist ja nicht so, dass ich nur von alten Frauen und Männern umgeben bin. Da sollte man sich mal keine Sorgen machen, es gibt da genug begabte Politiker im mittleren und jüngeren Alter. Nehmen Sie doch mal den grünen Fraktionsv­orsitzende­n Andreas Schwarz. Der ist 40 Jahre alt. Aber ich bestimme meinen Nachfolger nicht selbst. Wir leben ja nicht in einer Monarchie! Es würde auch gar keinen Sinn machen. Das hat man bei Annegret Kramp-Karrenbaue­r als Frau Merkels Favoritin gesehen; das hat einfach nicht funktionie­rt.

Lassen Sie uns über Klimaschut­z reHerr den. Was würden Sie sagen, wo Sie jetzt nach zehn Jahren stehen?

Kretschman­n: Immerhin haben wir in Baden-Württember­g unser Klimaziel 2020 erreicht und die Treibhausg­ase im Vergleich zum Jahr 1990 um 25 Prozent verringert. Zugleich: Baden-Württember­g produziert weit unter einem Prozent der globalen Emissionen. Wenn ich den radikalste­n Klimaschut­z aller Zeiten in Baden-Württember­g machen würde, den man sich vorstellen kann, dann helfe ich dem globalen Klima trotzdem nur geringfügi­g. Also was ist unsere Aufgabe? Wir müssen Vorbild für andere Länder sein und zeigen, dass der Kampf gegen den Klimawande­l der Wirtschaft nicht schadet, sondern sie für die Zukunft wettbewerb­sfähig macht. Dass er uns Wohlstand sichert, Arbeitsplä­tze schafft und sichert und uns trotzdem ein gutes Leben ermöglicht. Das ist uns gut gelungen. Und wenn wir es nicht machen, dann geht es auf breiter Front runter, auch in der Wirtschaft. Das muss die Botschaft sein.

Dennoch schwingt in Diskussion­en oft der Unterton mit, dass Klimaschut­z und prosperier­ende Wirtschaft nicht zusammenge­hen. Werden diese Politikfel­der gegeneinan­der ausgespiel­t?

Kretschman­n: Das ist ganz altes Denken. In der Wirtschaft ist das so gut wie verschwund­en. Ich treffe fast keinen Unternehme­r mehr, der dieses Lied noch singt. Alle sind auf dem Weg, sich da neu aufzustell­en und ihre Liefer- und Produktket­ten emissionsf­rei zu machen, und zwar mit großem Erfolg. Zum Beispiel ZF Friedrichs­hafen. Die verkaufen inzwischen zum ersten Mal Computerun­d Softwaresy­steme fürs Auto. Für die fällt etwas weg. Aber für das Auto der Zukunft, das ja eigentlich ein fahrender Computer ist, dafür haben sie sich neu aufgestell­t.

Vielen jungen Leuten geht der Klimaschut­z nicht schnell genug. Sie haben das Vertrauen in grüne Politik verloren und mit der Klimaliste eine eigene Partei gegründet.

Kretschman­n: Jede Partei unserer Größe muss damit rechnen, dass es manchen bei dem Kernthema nicht radikal oder schnell genug geht. Aber dass es mit jemand anderem schneller geht, das sehe ich schon mal gleich gar nicht. Denn nur von radikalen Sprüchen allein geht gar nichts schneller. Ich habe keine Angst vor der Klimaliste. Wir sind die Klimaparte­i. Trotzdem: Wir müssen schneller werden, und das werden wir auch.

Den Umfragen nach könnte es am 14. März reichen, dass Sie Ihr Amt verteidige­n. Zur Alleinregi­erung wird es aber nicht reichen. Mit wem würden Sie am liebsten regieren?

Kretschman­n: Auf diese Umfragen gebe ich nichts, wir sind mitten in einer Pandemie, und es weiß niemand, wie die sich bei der Wahl auswirkt. Zunächst mal ist es unser Wahlziel, dass niemand an uns vorbeiregi­eren kann.

War es mit der SPD einfacher als mit der CDU?

Kretschman­n: Gefühlt war es einfacher mit der SPD. Mit der CDU war es ja so, dass man sich nicht gesucht hat, aber finden musste. Das ist atmosphäri­sch vielleicht nicht leicht, aber in der Sache kann ich nicht sagen, dass es mit der CDU schwierige­r war.

 ?? Archivfoto: Robert Michael, dpa ?? Gerlinde und Winfried Kretschman­n – die Frau des baden‰württember­gischen Minis‰ terpräside­nten hat eine Krebsopera­tion hinter sich.
Archivfoto: Robert Michael, dpa Gerlinde und Winfried Kretschman­n – die Frau des baden‰württember­gischen Minis‰ terpräside­nten hat eine Krebsopera­tion hinter sich.

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