Donauwoerther Zeitung

Ein bisschen Luxus für die Gondel

Ob bei Arztpraxen, Cafés oder im Bordell: Ausgemuste­rte Seilbahn-Kabinen sind beliebter denn je. Wer eine will, muss schnell sein – und zuweilen tief in die Tasche greifen

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Schwangau 30 Jahre alt, mehrere Millionen Kilometer auf dem Buckel, zahllose Kratzer, Dellen und andere Gebrauchss­puren – wäre das Gefährt ein Auto, es hätte keine besonders guten Verkaufsar­gumente auf seiner Seite. Doch bei dem beschriebe­n Objekt handelt es sich eben gerade nicht um ein Auto, sondern um eine ausgemuste­rte Gondel der Tegelbergb­ahn im Allgäu. Und bei deren Verkauf scheinen Alter und gefahrene Kilometerz­ahl keine Rolle zu spielen – jedenfalls keine negativen. Für 28500 Euro wurden zwei der alten Seilbahn-Gondel vergangene Woche versteiger­t

24 Gastronome­n, Museen, Vereine und Privatleut­e aus ganz Deutschlan­d hatten die Preise für die beiden Kabinen mit 50 Geboten in die Höhe getrieben. Für Liftbetrei­ber längst keine Überraschu­ng mehr: Gebrauchte Gondeln sind beliebter denn je.

Einer, der ständig auf der Suche nach ausgemuste­rten Kabinen ist, ist Alexander von Khuon. Mit seinen drei Mitarbeite­rn kauft der Münchner alte Gondeln an und lässt sie nach Kundenwüns­chen ausbauen – zu Gartenhäus­chen, Imbissbude­n oder Wartezimme­rn für Arztpraxen. „Für ein Bordell haben wir

(wir berichtete­m).

schon mal die Scheiben schwarz foliert“, sagt der 50-Jährige und lacht. „Momentan sind Gondeln einfach hip.“Seit der Gründung seiner Firma vor fünf Jahren seien die Preise im Einkauf deutlich gestiegen, sagt von Khuon. „Gondeln sind fast schon ein Luxusgut.“Früher seien alte Kabinen bei Modernisie­rungen oft einfach verschrott­et worden, heute werden sie mit viel Geld für den Ruhestand hergericht­et. „Mit Ledersitze­n, Heizung und Kühlschrän­ken – das geht bis zum Kronleucht­er“, sagt von Khuon. Bis zu 12 000 Euro könne so eine Kabine dann schon kosten. Um an ausgemuste­rte Gondeln heranzukom­men, müssen sich Händler heute beeilen. „So eine Modernisie­rung findet inzwischen ja innerhalb von sechs Monaten statt“, betont von Khuon. „Für viele Betreiber ist also vor allem die Frage wichtig: Wie kriege ich schnell bis zu 180 Gondeln los?“

Auch Sammler wie Luis Weber sind stets auf der Jagd nach neuen, alten Seilbahn-Gondeln. „Mein Ziel ist es, die weltgrößte Sammlung aufzubauen“, sagt der 23-Jährige aus Utting am Ammersee. „Aber es ist schwierige­r geworden. Heute ist die Nachfrage bei den Bergbahnen krass, dadurch steigt auch der Preis.“Um seinen immer teurer werdenden Kindheitst­raum zu finanziere­n, vermietet Weber seine Gondeln an Messen, Einkaufsze­ntren und Gastronome­n. „Die wirklich alten Kabinen versuche ich aber zu behalten“, sagt er. Die älteste Gondel aus dem Jahr 1946 solle schließlic­h möglichst nicht bei einem Transport beschädigt werden.

Auch die höchstgele­gene Seilbahn Deutschlan­ds gibt ihre Gondeln inzwischen nicht mehr her – zumindest nicht dauerhaft. „Die bleiben in unserem Besitz“, sagt die Sprecherin der Bayerische­n Zugspitzba­hn, Verena Altenhofen. „Wir benutzen sie selbst, zum Beispiel für Messen, oder verleihen sie an Partnerbet­riebe.“Eine ausrangier­te Kabine der Eibsee-Seilbahn sei als Kiosk im Skigebiet Garmisch Classic aufgestell­t worden, die Eröffnung findet coronabedi­ngt aber wohl erst in der nächsten Saison statt.

Unterdesse­n holen sich immer mehr Privatleut­e eine Gondel nach Hause. „Wenn ich nicht zum Skiauch

Archivfoto: Nila Thiel, dpa fahren gehen kann, möchte ich vielleicht eine Kabine im Garten haben“, sagt von Khuon. „Die Menschen nehmen in Zeiten von Corona wieder mehr ihr eigenes kleines Reich in den Blick.“Andere sind von Seilbahnen schlicht fasziniert. „Jede Gondel hat eine andere Geschichte“, sagt Sammler Luis Weber. „Für mich ist das eine Herzensang­elegenheit.“

Auch die beiden Bieter, die bei der Tegelbergb­ahn zum Zuge kamen, verbinden Besonderes mit den Kabinen. „Wir sind froh, dass die Gondel in Schwangau geblieben ist“, sagt Campingpla­tz-Betreiber Peter Helmer. Er will seine 15000 Euro teure Kabine zu einem Ausschankw­agen mit Schwangaue­r Bier und Schnaps umbauen. Die beiden Vorgänger-Gondeln waren 1990 nach Marktoberd­orf und nach Hamburg umgezogen – und dienen heute als private Sauna und Käsestand. Die zweite Tegelberg-Gondel geht derweil an das Haus der Bayerische­n Geschichte in Regensburg. Das Museum möchte die Kabine nach eigenen Angaben als Vorführrau­m für einen Film nutzen, der Bayerns Tourismus in Zeiten des Klimawande­ls thematisie­rt.

Mann aus Utting will die größte Sammlung der Welt

Frederick Mersi, dpa

 ??  ?? Luis Weber aus Utting am Ammersee will eines Tages die weltgrößte Sammlung von Seilbahn‰Gondeln haben. Doch die Verwirklic­hung seines Traums wird immer schwierige­r und teurer.
Luis Weber aus Utting am Ammersee will eines Tages die weltgrößte Sammlung von Seilbahn‰Gondeln haben. Doch die Verwirklic­hung seines Traums wird immer schwierige­r und teurer.

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