Zwei gewollt, vier bekommen
Die deutsche Mannschaft verdoppelt bei der WM in Cortina d’Ampezzo die Vorgabe des Alpindirektors. Das hat vor allem mit dem Aufschwung in einem Bereich zu tun, der lange Jahre ein Problemkind des DSV war
Cortina d’Ampezzo In all dem Trubel und Durcheinander dieser Zeit sind Konstanten wichtiger denn je. Sie geben dem Leben Halt. Eine dieser Konstanten heißt Hubertus von Hohenlohe und absolvierte in Cortina d’Ampezzo gerade seine 19. Weltmeisterschaft. Mit den Topleuten hatte und hat er nichts zu tun. Als Sohn von Ira von Fürstenberg und Alfonso zu Hohenlohe-Langenburg wurde er 1959 in Mexiko-Stadt geboren und besitzt deshalb neben der liechtensteinischen auch die mexikanische Staatsbürgerschaft. Da der Wintersport in Mexiko ein Nischendasein pflegt, durfte er sich in den vergangenen Jahrzehnten als schillernder Exot auf den Skipisten der Welt präsentieren. So auch in Cortina d’Ampezzo, im reifen Alter von 62 Jahren. Ins Ziel kam er weder im Riesen- noch im Slalom. Doch allein seine Anwesenheit verlieh der Weltmeisterschaft zumindest einen Hauch von Normalität.
Ebenfalls normal ging es am anderen Ende der Leistungsskala zu, an der Spitze des Medaillenspiegels thront mal wieder Österreich. Nach dem „Debakel“von Åre vor zwei Jahren, als die Alpenrepublik mit nur einer Goldmedaille auf Platz vier abrutschte, schlug das Imperium nun zurück. Fünf Titel sind eine beeindruckende Bilanz, an die auch die starken Schweizer nicht herankamen. Mit Vincent Kriechmayr und Katharina Liensberger stellen die Österreicher zwei Doppel-Weltmeister. Das gleiche Kunststück schafften auch die Schweizerin Lara
Gut-Behrami und der Franzose Mathieu Faivre.
Von derartigen Erfolgen sind die deutschen Starter weit entfernt. Allerdings nicht mehr so weit, wie noch 2019. Damals hatte Viktoria Rebensburg, die vergangenen Sommer ihre Karriere beendete, mit Silber im Riesenslalom die einzige Medaille für das deutsche Team geholt. Die Stimmung war fast so mies wie drüben im österreichischen Lager.
Doch schon damals hatte sich Besserung angedeutet. Nach langen Jahren der Abstinenz waren die deutschen Schnellfahrer auf dem Vormarsch, allen voran Thomas Dreßen. Dass sich nun ausgerechnet der vor der WM verletzte und mit großem Trainingsrückstand nach Cortina d’Ampezzo gekommen war und deshalb nicht in den Kampf um die Medaillen eingreifen konnte, spielte überraschenderweise keine Rolle. Andere sprangen ein. Andreas Sander zum Beispiel. Der 31-Jährige streifte den Ruf ab, ein ewiges Talent zu sein, und gewann Silber in der alpinen Königsdisziplin Abfahrt – mit nur einer Hundertstel Rückstand auf Weltmeister Kriechmayr.
Zudem zahlte sich aus, dass der
DSV dem in Österreich aussortierten Romed Baumann eine Zuflucht geboten hat. Der gebürtige Tiroler zahlte das Vertrauen in Form einer Silbermedaille im Super-G zurück. Dazu kam, mindestens ebenso überraschend, Silber von Kira Weidle in der Abfahrt. Drei Speed-Medaillen sind eine überragende Bilanz für das einstige Sorgenkind des DSV.
In den vergangenen Jahren hatten meist die Techniker die deutschen Farben hochgehalten. Doch seit den Rücktritten von Fritz Dopfer und Felix Neureuther ist hier eine kleine Delle zu beobachten, wenngleich das Potenzial groß ist. Die beiden Allgäuer Stefan Luitz und Alexander Schmid waren im Riesenslalom in Schlagdistanz zu Edelmetall, mussten sich aber mit Bronze im Team-Wettbewerb begnügen. Linus Straßer fuhr zwar im abschließenden Slalom hinterher (Platz 15.), hat aber mit seinem Weltcup-Sieg in diesem Winter in Zagreb gezeigt, dass auch mit ihm zu rechnen ist.
Der DSV-Alpindirektor Wolfgang Maier hatte schon nach der ersten WM-Woche gesagt, dass es aus deutscher Sicht eine gelungene Weltmeisterschaft sei. Diesem Lob an seine Athleten fügte er nach der zweiten WM-Woche noch ein Pauschallob für die Veranstalter hinzu. „In der gesamten Präsentation des Sports war das eine besondere WM. Man hat hier extrem schöne Rennen gesehen, eingebettet in eine sensationelle Landschaft. Man träumt im
Wintersport von solchen Bedingungen, wie wir sie hier in Cortina vorgefunden haben.“
Zwei Medaillen hatte Maier im Vorfeld als Ziel ausgegeben. Eine Prognose, die Maier traditionell ungern wagt, denn im alpinen Rennsport liegen oft nur wenige Hundertstel zwischen Erfolg und Misserfolg. Immerhin: Seine Mannschaft strafte Maier Lügen. Und verdoppelte dessen Vorgabe. Das Lob folgte prompt: „Wir haben uns selbst überrascht, der ein oder andere hat sich selbst übertroffen. Ich kann nur den Hut ziehen vor unseren Sportlern und Trainern, das haben sie wirklich klasse gemacht.“Maier kam aber nicht umhin, seine SpeedMänner hervorzuheben. Es sei eine fast schon historische lange Lücke geschlossen worden. „Da sind speziell in der Abfahrt viele Dinge sehr gut gemacht worden.“Dabei sei mit Thomas Dreßen der beste deutsche Abfahrer aller Zeiten noch nicht einmal in Topform gewesen.
Auf den Erfolgen ausruhen werde man sich beim DSV aber sicher nicht. Und Maier wäre nicht Maier, hätte er nicht auch ein paar kritische Worte, diesmal in Richtung Weltverband Fis. Denn der habe durch die Hereinnahme der Parallelwettbewerbe das WM-Programm stark verdichtet. „Das bringt aus meiner Sicht ein gewisses Problem mit sich, was die Einhaltung des Zeitplans betrifft. Aber ich bin bei so vielen WMs dabei gewesen und bei keiner wurde danach nicht diskutiert, was richtig oder falsch gewesen sei. Es ist eine Freiluftsportart, da ändern sich die Bedingungen eben.“
Vier Doppelweltmeister, zwei davon aus Österreich
Lob vom Alpindirektor für seine Sportler und Trainer
Und auch den Unkenrufen, der Skisport sei angesichts der CoronaPandemie und des Klimawandels längst zum Tode verurteilt, begegnet Maier mit einem Lächeln. „Wenn wir die Einschaltquoten sehen, dann lebt der Skisport sicher. Er lebt sowieso immer, denn die Menschen wollen raus in den Schnee und die Natur. Da ist es egal, in welche Schublade man den Skisport steckt.“