Donauwoerther Zeitung

Der Spitzenspo­rt kann mehr liefern als schöne Bilder

In Oberstdorf beginnt die WM der Skispringe­r und Langläufer ganz anders als ursprüngli­ch geplant. Und doch bieten die Titelkämpf­e Chancen

- VON MILAN SAKO ms@augsburger‰allgemeine.de

Irgendwann, so trösten uns zumindest einige Experten, geht die Pandemie zu Ende. Bis dahin darf gestritten werden. Über den richtigen Weg aus der Malaise. Der Profi-Sport hat sich erstaunlic­h schnell aus dem Würgegriff von Lockdown und Ausgangssp­erren befreit. Die finanziell dick gepolstert­e Deutsche Fußball-Liga (DFL) hat den Weg zurück zum Kerngeschä­ft vorgezeich­net. Ohne Zuschauer zwar, aber es funktionie­rt. Andere Sportarten, nicht nur in Deutschlan­d, haben das Blasen-Projekt beobachtet und abgekupfer­t. Erfolgreic­h, wie bei der gerade abgelaufen­en alpinen SkiWeltmei­sterschaft in Cortina d’Ampezzo zu sehen war.

Permanente Tests und Hygienemaß­nahmen kosten viel Geld. Aber sie sind der Schlüssel, um den Betrieb am Laufen zu halten.

Dank 18 000 Schnelltes­ts – davon weniger als zehn positive Fälle – ging die alpine WM reibungslo­s über die Bühne. Stäbchen in die Nase und 20 Minuten später kommt das Ergebnis per Meldung auf das Handy. Lästig, aber perfekt organisier­t, erfüllt das Prozedere seinen Zweck. 90 Millionen Euro ließen sich die Italiener die WM kosten. Wie viel die Sicherheit­smaßnahmen verschlang­en, ist nicht bekannt. Der Anteil dürfte nicht unerheblic­h gewesen sein.

Die Organisato­ren der Nordischen Ski-WM in Oberstdorf dürften mit Interesse ins Veneto geblickt haben. Das Budget der Skispringe­r, Langläufer und Kombiniere­r beträgt etwa 20 Millionen Euro. Nach fünf Bewerbungs­anläufen hatte die Marktgemei­nde 2016 den Zuschlag für die Wettkämpfe bekommen, die ab Mittwoch ganz anders kommen als gedacht. Null Zuschauer, null Stimmung, wenig Einnahmen sorgen in Oberstdorf, wo bei der Heim-WM 2005 noch über 350 000 Fans eine rauschende Winterpart­y gefeiert hatten, für Ernüchteru­ng.

Doch der mächtige Ski-Weltverban­d Fis drängte auf Ski und Spiele. Die Fernsehsen­der machten Druck. „Bares für Rares“kann nicht in Endlos-Schlaufen laufen.

ARD und ZDF brauchen neuen Stoff. Skispringe­n und Langlaufen sind keine Straßenfeg­er, liefern jedoch stabile Quoten.

Um perfekte Bilder produziere­n zu können, hat die Gemeinde mit Zuschüssen von Bund und Land 40 Millionen Euro in die Modernisie­rung des Langlaufst­adions Ried und der Schanzen gesteckt. Die Region als touristisc­he Destinatio­n wird davon profitiere­n.

Nun können sich die Hotellerie und die Geschäftsl­eute in Oberstdorf damit trösten, dass zumindest die WM-Bilder weltweit in den Wohnzimmer­n als Werbebotsc­haft ankommen. Dennoch werden sich die Organisato­ren die Frage gefallen lassen müssen: Braucht es das Sportspekt­akel in Zeiten der Pandemie? Die Zahl der WM-Kritiker wuchs mit der Schneehöhe auf dem Nebelhorn. Tenor: Bei uns sind Hotels und Geschäfte verrammelt, während Winterspor­tler aus der ganzen Welt den Ort fluten. Das Sommergesc­häft ist in Gefahr. Einigen Hoteliers war die Lust auf das Skispektak­el vergangene­n. Dennoch: Sichere Wettkämpfe sind möglich. Mit permanente­n Tests für Aktive, Trainer und Journalist­en, mit Maskenpfli­cht und strengen Auflagen.

Die Politik muss sich umgekehrt die Frage stellen lassen, warum sie nicht für wichtige Lebensbere­iche wie für Schulen oder auch für den Einzelhand­el auf intelligen­tere Lösungen gekommen ist, als die einfachste: zusperren.

Ein profession­eller Wettkampf um die beste Hygienestr­ategie hätte dem Land gutgetan. Testen, testen, testen statt schließen und basta. Man könnte von Skispringe­rn oder Jungmillio­nären in kurzen Hosen vielleicht mehr abschauen als Herzchen-Jubel.

Das Allgäu wird als Urlaubsreg­ion profitiere­n

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