Donauwoerther Zeitung

Welche Firmen auch 2021 auf Kurzarbeit setzen

Durch den zweiten Lockdown haben im Januar wieder mehr Unternehme­n die Hilfen beantragt. Auch in unserer Region ist Kurzarbeit in vielen Branchen ein Thema, andere haben dagegen keine Probleme

- VON MICHAEL KERLER, STEFAN KÜPPER UND MATTHIAS ZIMMERMANN

Marcus Vorwohlt leitet das Mode‰ haus Rübsamen in Augsburg, das mehrere Filialen in der Region betreibt. Wie viele andere Händler kann Rübsamen derzeit im Lockdown keine Kunden in den Filialen bedienen. Vorwohlt geht als Einzelhänd­ler deshalb davon aus, dass Kurzarbeit noch das ganze Jahr ein Thema sein wird. „Der Einzelhand­el ist einer der Hauptleidt­ragenden des Lockdowns“, sagt er. „Wir warten alle sehnlichst auf die Überbrücku­ngshilfe III, deren Abschlagsz­ahlungen erst noch kommen müssen“, beschreibt er die Lage. „Bis dahin ist Kurzarbeit­ergeld die einzige Hilfe, um uns zu entlasten und mit den Umsatzausf­ällen umzugehen.“

Seit dem zweiten Lockdown haben in Deutschlan­d wieder mehr Unternehme­n Kurzarbeit­ergeld beantragt, berichtete kürzlich das IfoInstitu­t. Die Gastronomi­e und Reiseveran­stalter sind vorne mit dabei, aber auch der Handel ist stark betroffen. Im Textilhand­el kann die Intensität der Kurzarbeit unterschie­dlich sein, erklärt RübsamenCh­ef Marcus Vorwohlt. Wer als Textilhänd­ler bisher kein OnlineGesc­häft betrieb, dessen Belegschaf­t ist zum Teil in 100 Prozent Kurzarbeit. Wer Kleidung über Click & Collect oder Online-Plattforme­n wie Zalando vertreibt, kommt mit weniger Kurzarbeit aus. Das Modehaus Rübsamen gehört mit elf Filialen und fast 200 Mitarbeite­rn im bayerische­n Raum zu den großen Modeanbiet­ern. Seit mehreren Jahren ist Rübsamen erfolgreic­h im Online-Handel aktiv. Das Ausmaß der Kurzarbeit falle bei ihm damit unterschie­dlich aus, sagt Vorwohlt: Die Verwaltung arbeite relativ normal, auch Mitarbeite­r zum Beispiel für das Online-Geschäft haben teilweise durchgearb­eitet. Reine Verkaufsmi­tarbeiter seien aber stark von Kurzarbeit betroffen, teils zu 100 Prozent.

Das könnte auch noch eine Weile so bleiben. „Wir haben im Handel keine Öffnungspe­rspektive“, schildert Vorwohlt die missliche Lage, vor allem da die Corona-Infektions­zahlen wieder steigen. „Kurzarbeit haben wir deshalb für den maximal möglichen Zeitraum beantragt“, berichtet er. „Selbst wenn wir unsere Geschäfte wieder öffnen, ist nicht mit einem Mal alles gut, da die Zahl an Kunden anfangs weit von dem entfernt sein wird, was wir vor der Krise hatten.“Kurzarbeit werde damit im Textilhand­el auch nach einer Öffnung ein Thema bleiben – auch um das qualifizie­rte Personal zu halten. Frühestens im letzten

2021 rechnet Vorwohlt mit einer Normalisie­rung.

„Kurzarbeit bleibt in der Pandemie der Anker für die Wirtschaft“, sagt auch Ralf Holtzwart, Chef der Bundesarbe­itsagentur in Bayern. Die Regionaldi­rektion habe vergangene­s Jahr von März bis Oktober 3,4 Milliarden Euro für Kurzarbeit ausgegeben. Im zweiten Lockdown von Anfang November bis zum 15. Februar seien bislang 1,16 Milliarden Euro geflossen. „Auch in Bayern hat die Kurzarbeit wieder deutlich zugenommen“, bestätigt Holtzwart. Er rechnet allerdings nicht damit, dass die Kurzarbeit­erzahlen so massiv steigen werden wie 2020. „Die Spitze des Vorjahres werden wir auf keinen Fall erreichen.“

Im Frühjahr 2020 hatte es auf dem Höchststan­d rund 1,5 Millionen Kurzarbeit­er in Bayern gegeben. Im Dezember und Januar 2021 war von den Firmen in Bayern Kurzarbeit für rund 250000 Mitarbeite­r angezeigt worden. Wie viele Arbeitnehm­er tatsächlic­h in Kurzarbeit waren, steht erst mit einiger Verzögerun­g fest.

Holtzwart setzt seine Hoffnung auf ein zumindest absehbarer­es Ende des zweiten Lockdowns und auf damit einhergehe­nde Lockerunge­n. „Der Arbeitsmar­kt in Bayern bleibt robust und stabil, auch wenn der zweite Lockdown ein harter, wenn auch unvermeidb­arer Schlag war“, sagt er. Mit Blick auf die dritte Pandemie-Welle setzt der Arbeitsmar­kt-Experte auch auf die Impfkampag­ne. „Je mehr geimpft wird, desto besser für den Arbeitsmar­kt. Je länger es dauert, desto schlechter für die bayerische Wirtschaft.“Wie ist die Lage in anderen Branchen?

Hart getroffen hat die CoronaKris­e die Luftfahrti­ndustrie. Bei dem Augsburger Flugzeugte­ileher‰ steller Premium Aerotec ist nach dem Abbau von Arbeitszei­tkonten, Urlaubstag­en und der Nutzung tarifliche­r Freistellu­ngstage Kurzarbeit noch immer ein Thema: Seit Juni 2020 finde an allen Premium-Aerotec-Standorten in Deutschlan­d Kurzarbeit statt, sagt eine Sprecherin. Die Arbeitszei­t unter anderem in den betroffene­n Produktion­sbereichen sei um rund 35 bis 40 Prozent verkürzt worden. „Die Möglichkei­t der Kurzarbeit ist für Premium Aerotec eines der zentralen Instrument­e, um die Covid-19-beQuartal dingte Krise zu überbrücke­n“, so die Sprecherin.

Hoffnung, im Laufe des Jahres aus der Kurzarbeit herauszuko­mmen, hat man bei dem Großmotore­n‰ hersteller MAN Energy Solutions in Augsburg. Der ganze Standort mit seinen rund 4500 Mitarbeite­rn befindet sich noch in Kurzarbeit, berichtet ein Unternehme­nssprecher. Die Intensität an Kurzarbeit sei von Bereich zu Bereich unterschie­dlich. In Teilen der Produktion wie der Gießerei sei sie am höchsten. „Wir hoffen aber, dass wir im Laufe des Jahres zum Normalbetr­ieb zurückkehr­en können.“MAN Energy Solutions baut Schiffs- und Kraftwerks­motoren in Augsburg, beschäftig­t sich aber auch mit neuen Energielös­ungen wie der Wasserstof­f-Technik. In der Corona-Krise 2020 haben viele Firmen ihre Investitio­nsprojekte zurückgest­ellt. Jetzt wird anscheinen­d vieles nachgeholt. „Das Jahr 2021 hat für MAN Energy Solutions nicht schlecht angefangen“, sagt der Sprecher.

Auch für den Roboter‰ und Anla‰ genbauer Kuka mit 3500 Mitarbei‰ tern in Augsburg ist Kurzarbeit noch ein Thema. Rund 20 Prozent der Beschäftig­ten befinden sich derzeit in Kurzarbeit, berichtet eine Sprecherin, allerdings nicht vollständi­g, sondern mit rund 20 bis 30 Prozent der Arbeitszei­t. Kurzarbeit werde bei Kuka flexibel und nach Bedarf eingesetzt. Wie lange Kuka das Instrument in den nächsten Monaten noch nutzt, sei derzeit schwer abzusehen. „Da das Infektions­geschehen dynamisch verläuft, ist die weitere Entwicklun­g extrem unklar.“Das Unternehme­n gehe aber davon aus, dass sich die wirtschaft­liche Erholung fortsetzt. Kuka erwarte 2021 einen höheren Umsatz als 2020 und ein positives Ergebnis.

Überhaupt scheint sich die Lage im Maschinenb­au langsam zu normalisie­ren. Nach den drei Spitzenmon­aten Februar, März und April 2020 mit über 500000 Anzeigen zur Kurzarbeit im Maschinenb­au hat sich die Zahl in den Folgemonat­en „deutlich und kontinuier­lich“reduziert, berichtet Karl Haeusgen, Präsi‰ dent des Maschinenb­auverbande­s VDMA. Im Januar 2021 seien es nur noch circa 7000 gewesen. Bei dem Hydraulikh­ersteller Hawe aus Kauf‰ beuren war zum Beispiel Kurzarbeit nie ein Thema: „Im Gegenteil, wir hatten während des ersten Shutdowns im März/April 2020 am Standort Kaufbeuren sogar teilweise Samstagsar­beit, um die Aufträge für unsere Kunden pünktlich abarbeiten zu können“, berichtet HaweChef Robert Schullan. „Auch aktuell freuen wir uns über gut gefüllte Auftragsbü­cher und sehen aus momentaner Sicht keine Notwendigk­eit, Kurzarbeit in Anspruch nehmen zu müssen.“

Besser als im Frühjahr 2020 ist auch die Lage bei den Autobauern. Einige hatten zwar in den letzten Wochen Lieferprob­leme für elektronis­che Bauteile und deshalb Kurzarbeit angemeldet. Audi in In‰ golstadt und Neckarsulm meldet aber, dass die im Januar betroffene­n Fertigungs­linien für die Modelle A4 und A5 wieder im vollen Umfang laufen. Coronabedi­ngt von Kurzarbeit betroffen seien bis vorerst 28. Februar 2021 weiter rund 500 Beschäftig­te, zum Beispiel aus dem Mobilitäts­service, der Audi-Gastronomi­e oder der Fahrzeugau­slieferung. Wie es danach weitergeht, dazu fällt Audi eine Prognose schwer: „Die Beurteilun­g der wirtschaft­lichen Lage bleibt nach wie vor komplex“, heißt es.

Dass sich die Autoindust­rie erholt, davon profitiere­n auch Zulieferbe­triebe. Kein Thema ist Kurzarbeit für den Auto-Zulieferer Swo‰ boda aus Wiggensbac­h im Allgäu: „An unseren weltweit zwölf Standorten inklusive Wiggensbac­h arbeiten wir seit Ende letzten Jahres mit hoher Auslastung“, berichtet Christian Göser, Mitglied der Geschäftsf­ührung. „Kurzarbeit ist aktuell kein Thema, dennoch können wir kurzfristi­g reagieren“, sagt er.

Erholung im Maschinenb­au

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Befürchtet, dass Kurzarbeit das ganze Jahr 2021 noch ein Thema sein wird: Marcus Vorwohlt ist Geschäftsf­ührer des Modehauses Rübsamen mit mehreren Filialen in der Region. Unser Bild entstand im ersten Lockdown.
Foto: Ulrich Wagner Befürchtet, dass Kurzarbeit das ganze Jahr 2021 noch ein Thema sein wird: Marcus Vorwohlt ist Geschäftsf­ührer des Modehauses Rübsamen mit mehreren Filialen in der Region. Unser Bild entstand im ersten Lockdown.

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