Frühling unter dem Nebelhorn
Bei Temperaturen um 20 Grad genießen die Menschen im T-Shirt die Sonne in Oberstdorf. Wie die Organisatoren den Schnee auf der Schanze und in den Loipen vor dem Dahinschmelzen bewahren
Oberstdorf Das Thermometer in der Oberstdorfer Fußgängerzone zeigt am Montagnachmittag fast 20 Grad an. Es fühlt sich an wie Frühling. Im Kurpark sitzen die Menschen mit T-Shirt, Kaffeebecher und Sonnenbrille, rundherum plätschert das Tauwasser. Man genießt den traumhaften Tag in der südlichsten Gemeinde Deutschlands. Doch was Einheimischen und den wenigen Gästen aus aller Welt, die zur Nordischen Ski-WM gerade in Oberstdorf zu Besuch sind, gute Laune macht, bereitet den Organisatoren der Titelkämpfe Sorgen.
Joachim Schug, Meteorologe im Schweizer Appenzell, hat mit seinem Unternehmen Meteogroup den Zuschlag für die Beratung der Großveranstaltung erhalten – wie bereits bei der WM 2005 in Oberstdorf. Seine Prognose für die erste Woche: viel Sonne und milde Temperaturen. Sorgen um den Schnee müsse sich aber niemand machen, versichert der 61-Jährige. Denn die Nächte bleiben zunächst klar und kalt. Schug und sein Team werden für die WM zweimal täglich einen ausführlichen Wetterbericht erstellen.
Hans Schmid ist als Ressortleiter Sport bei der Nordischen Ski-WM für einen reibungslosen Ablauf im Skisprungstadion zuständig. „Man kann aus allem ein Problem machen. Aber es ist alles halb so wild“, sagt er für seinen Bereich. Die Schattenbergschanze mache ihrem Namen alle Ehre. Aufsprunghügel und Auslauf seien bestens präpariert „und halten auch den warmen Temperaturen stand“, weil es an diesen Stellen keine große Sonneneinstrahlung gebe. Großund Normalschanze seien mit modernster Technologie ausgestattet. Angefahren wird in einer Eisspur. Schmid erklärt: „Die Temperatur regelt sich selbst, sodass die Sportler durchgehend gleiche Bedingungen haben.“In den vergangenen Tagen wurden in der Audi-Arena die letzten Feinarbeiten erledigt. „Kosmetik“, nennt es Schmid.
Tiefenentspannt zeigt sich auch Fidel Joas, der als Sportchef Langlauf für die Loipen im Ried verantwortlich ist. „Bis mittags konnten rund 300 Athleten hier trainieren und die Strecke hat gehalten“, berichtetet der 59-Jährige, der zum dritten Mal nach 1987 und 2005 die Spuren im Schnee präpariert. Die Strecke oben am Burgstall war am Montag für den Trainingsbetrieb allerdings gesperrt, da dort die Sonne voll hereinbrät. Ein weiteres Problem ist die Inversionswetterlage. Oben in den Bergen ist es wärmer als unten im Tal. Ganz konkret: Während im Langlaufstadion Ried plus ein Grad gemessen wurde, zeigte das Thermometer am Burgstall plus acht, berichtet Joas, der sich mit seiner Mannschaft fast rund um die Uhr mit den Strecken beschäftigt. Die Präparierung dauert oft bis nach Mitternacht.
Die Oberstdorfer besitzen als erfahrene Weltcup-Ausrichter einen reichen Erfahrungsschatz im Umgang mit den weißen Flocken. Als Unterlage dient Kunstschnee, der ist robuster als die natürliche Variante. Die Schneehöhe misst zwischen 50 und 100 Zentimeter. Aufgrund der Minustemperaturen in der Nacht kann Wasser gespritzt werden, was den Schnee haltbarer macht. Außerdem haben die Organisatoren einige Hügel mit der gepressten weißen Pracht in der Hinterhand. Auf Salz bei der Schneekonservierung verzichtet Fidel Joas. Noch. Bei der alpinen Ski-WM in Cortina haben die Pistenchefs viel „Breznsalz“verwendet, wie der Langlauf-Chef die grobkörnige Mischung nennt. Doch das sei jetzt nicht nötig und erst die allerletzte Möglichkeit, um den kostbaren Untergrund vor dem Schmelzen zu bewahren. Außerdem ist „besseres Wetter“in Sicht, zumindest aus Sicht der Organisatoren. Joas: „Spätestens Samstag wird es kälter.“