Wenn Corona unter die Haut geht
Friseure dürfen öffnen, das Tattoo-Studio von Leona Hinz trotz ähnlicher Hygieneregeln nicht. Die staatliche Unterstützung deckt ihre Kosten nicht – jetzt wird die Zeit knapp
Auch Tattoo-Studios leiden unter dem Lockdown. Leona Hinz erzählt, wie sehr die Beschränkungen an die Substanz gehen.
Donauwörth Wird über die lang ersehnte Öffnung der Dienstleister gesprochen, dominieren Friseure die Diskussion. Auch Kosmetikund Nagelstudios werden in der Öffentlichkeit schmerzlich vermisst. Für eine Branche gibt es hingegen kaum Aufmerksamkeit: die Tätowierer.
Leona Hinz ist Inhaberin des Tattoo-Studios Boom in Donauwörth und versteht die Unterscheidung zwischen den Branchen nicht: „Wieso dürfen Friseure wieder aufmachen, aber wir nicht? Wir haben ähnliche Hygienekonzepte. Das ist unfair.“Leona Hinz gönnt es den Friseuren, da diese auch sehr unter dem Lockdown leiden, aber prangert die Ungleichbehandlung an.
Ihr Hygienekonzept sei ausgefeilt und habe im vergangenen Sommer sehr gut funktioniert. Zwei Kunden dürfen sich laut Hinz gleichzeitig im 100 Quadratmeter großen Studio aufhalten. Sie hat zwei Räume, in denen jeweils ein Kunde Platz nehmen kann. Damit sieht Leona Hinz die Wahrscheinlichkeit einer Infektion kaum noch gegeben. Außerdem gilt auch in ihrem Studio Maskenpflicht, und es wird alles gründlich desinfiziert.
machen zudem eine Rückverfolgung problemlos möglich. „Ich verstehe, dass Tattoos nicht lebensnotwendig sind, aber Schönheitsoperationen sind es auch nicht, und die gibt’s weiterhin.“
Für Leona Hinz und viele andere Selbstständige und Soloselbstständige geht es um die Existenz. Seit November sei ihr Tattoo-Studio nun zum zweiten Mal geschlossen, und das Geld werde knapp. Der Staat helfe zwar, aber nicht ausreichend, so ihre Erfahrung. Die sogenannte außerordentliche Wirtschaftshilfe für November und Dezember ist zweckgebunden und darf nur für die betrieblichen Kosten wie Studiomiete verwendet werden. Die Dezemberhilfe hat Leona Hinz erst im Februar bekommen. Die Kosten für ihren Lebensunterhalt sind dadurch nicht gedeckt, weshalb sie im November Hartz IV beantragen musste. Der Antrag wurde allerdings noch nicht genehmigt.
Eine Situation, die für die 55-Jährige nur schwer zu ertragen ist: „Ich bin seit 30 Jahren selbstständig und war in meinem ganzen Leben noch nie beim Amt. Jetzt muss ich, weil ich nicht arbeiten darf.“Das große Glück der Tätowiererin ist ihr Lottogewinn über 10.000 Euro im Frühjahr vergangenen Jahres gewesen. Ohne den Gewinn wüsste sie schon seit Monaten nicht mehr, wovon sie leben solle: „Ich habe noch circa 300 Euro auf dem Konto, das war’s. Wenn nächsten Monat kein Geld kommt, weiß ich nicht, wie es weitergehen soll.“All ihr Erspartes habe schon der erste Lockdown verschluckt.
Die Tätowiererin hat keine große Hoffnung auf rasche Lockerungen und auf die Öffnung ihres Studios. Sie sieht Versäumnisse der Politik bei der Impfstoffbestellung. Dadurch ziehe sich der Lockdown noch mehr in die Länge, weil die Menschen nicht so schnell geimpft werden können wie vorgesehen. Hinz würde sich wünschen, dass die Politiker dafür Verantwortung übernehmen, denn „wenn ich Fehler mache, muss ich auch dafür geradestehen“.
Für 2000 Euro neue Farben kaufen
Sollte der Lockdown irgendwann wieder beendet werden, hätte Hinz wieder alle Hände voll zu tun. Das zeigen ihr die vielen Nachfragen ihrer Kunden, wann sie denn wieder aufmache. Zu normalen Zeiten haben sie und ihr Team, das aus sechs Gast-Tätowierern besteht, zehn bis 15 Kunden pro Tag. Für die Tätowiererin ist ihre Arbeit ihr LebensKontaktformulare inhalt und das Studio ihr ganzer Stolz: „Mein Hobby ist mein Job. Ich freue mich, wenn die Leute mit einem Strahlen rausgehen.“Wenn sie irgendwann wieder aufmachen darf, müsse sie erst einmal circa 2000 Euro in die Hand nehmen, um wieder neue Farben und Equipment zu kaufen, da diese Utensilien nach einem halben Jahr nach Anbruch ablaufen. „Egal, was noch für Hürden und Vorschriften kommen, ich nehme alles in Kauf, damit ich wieder arbeiten darf.“
Der Verein Deutsche Organisierte Tätowierer machte mit einem Brief an die Bundesregierung auf die Lage der Tattoo-Branche aufmerksam. Vor allem der Schwarzmarkt, der durch den Lockdown noch mehr gewachsen sei, mache ihm Sorgen, denn es komme bei den „Hinterhofund Privattätowierern“meistens „fragwürdiges Material unter noch fragwürdigeren Hygienebedingungen“zum Einsatz. Der Verein betont in seinem Schreiben, dass sie viel weniger Kunden hätten, als das bei Friseuren der Fall sei, und sie meistens nicht „gesichtsnah“arbeiteten. Außerdem sei bis jetzt kein Fall von Corona nachgewiesen, der von einem Tattoo-Studio ausging. Sie seien davon überzeugt, dass sie aufgrund der strengen Hygienemaßnahmen keine Pandemietreiber seien.