Donauwoerther Zeitung

Wenn Corona unter die Haut geht

Friseure dürfen öffnen, das Tattoo-Studio von Leona Hinz trotz ähnlicher Hygienereg­eln nicht. Die staatliche Unterstütz­ung deckt ihre Kosten nicht – jetzt wird die Zeit knapp

- VON VIKTORIA GERG

Auch Tattoo-Studios leiden unter dem Lockdown. Leona Hinz erzählt, wie sehr die Beschränku­ngen an die Substanz gehen.

Donauwörth Wird über die lang ersehnte Öffnung der Dienstleis­ter gesprochen, dominieren Friseure die Diskussion. Auch Kosmetikun­d Nagelstudi­os werden in der Öffentlich­keit schmerzlic­h vermisst. Für eine Branche gibt es hingegen kaum Aufmerksam­keit: die Tätowierer.

Leona Hinz ist Inhaberin des Tattoo-Studios Boom in Donauwörth und versteht die Unterschei­dung zwischen den Branchen nicht: „Wieso dürfen Friseure wieder aufmachen, aber wir nicht? Wir haben ähnliche Hygienekon­zepte. Das ist unfair.“Leona Hinz gönnt es den Friseuren, da diese auch sehr unter dem Lockdown leiden, aber prangert die Ungleichbe­handlung an.

Ihr Hygienekon­zept sei ausgefeilt und habe im vergangene­n Sommer sehr gut funktionie­rt. Zwei Kunden dürfen sich laut Hinz gleichzeit­ig im 100 Quadratmet­er großen Studio aufhalten. Sie hat zwei Räume, in denen jeweils ein Kunde Platz nehmen kann. Damit sieht Leona Hinz die Wahrschein­lichkeit einer Infektion kaum noch gegeben. Außerdem gilt auch in ihrem Studio Maskenpfli­cht, und es wird alles gründlich desinfizie­rt.

machen zudem eine Rückverfol­gung problemlos möglich. „Ich verstehe, dass Tattoos nicht lebensnotw­endig sind, aber Schönheits­operatione­n sind es auch nicht, und die gibt’s weiterhin.“

Für Leona Hinz und viele andere Selbststän­dige und Soloselbst­ständige geht es um die Existenz. Seit November sei ihr Tattoo-Studio nun zum zweiten Mal geschlosse­n, und das Geld werde knapp. Der Staat helfe zwar, aber nicht ausreichen­d, so ihre Erfahrung. Die sogenannte außerorden­tliche Wirtschaft­shilfe für November und Dezember ist zweckgebun­den und darf nur für die betrieblic­hen Kosten wie Studiomiet­e verwendet werden. Die Dezemberhi­lfe hat Leona Hinz erst im Februar bekommen. Die Kosten für ihren Lebensunte­rhalt sind dadurch nicht gedeckt, weshalb sie im November Hartz IV beantragen musste. Der Antrag wurde allerdings noch nicht genehmigt.

Eine Situation, die für die 55-Jährige nur schwer zu ertragen ist: „Ich bin seit 30 Jahren selbststän­dig und war in meinem ganzen Leben noch nie beim Amt. Jetzt muss ich, weil ich nicht arbeiten darf.“Das große Glück der Tätowierer­in ist ihr Lottogewin­n über 10.000 Euro im Frühjahr vergangene­n Jahres gewesen. Ohne den Gewinn wüsste sie schon seit Monaten nicht mehr, wovon sie leben solle: „Ich habe noch circa 300 Euro auf dem Konto, das war’s. Wenn nächsten Monat kein Geld kommt, weiß ich nicht, wie es weitergehe­n soll.“All ihr Erspartes habe schon der erste Lockdown verschluck­t.

Die Tätowierer­in hat keine große Hoffnung auf rasche Lockerunge­n und auf die Öffnung ihres Studios. Sie sieht Versäumnis­se der Politik bei der Impfstoffb­estellung. Dadurch ziehe sich der Lockdown noch mehr in die Länge, weil die Menschen nicht so schnell geimpft werden können wie vorgesehen. Hinz würde sich wünschen, dass die Politiker dafür Verantwort­ung übernehmen, denn „wenn ich Fehler mache, muss ich auch dafür geradesteh­en“.

Für 2000 Euro neue Farben kaufen

Sollte der Lockdown irgendwann wieder beendet werden, hätte Hinz wieder alle Hände voll zu tun. Das zeigen ihr die vielen Nachfragen ihrer Kunden, wann sie denn wieder aufmache. Zu normalen Zeiten haben sie und ihr Team, das aus sechs Gast-Tätowierer­n besteht, zehn bis 15 Kunden pro Tag. Für die Tätowierer­in ist ihre Arbeit ihr LebensKont­aktformula­re inhalt und das Studio ihr ganzer Stolz: „Mein Hobby ist mein Job. Ich freue mich, wenn die Leute mit einem Strahlen rausgehen.“Wenn sie irgendwann wieder aufmachen darf, müsse sie erst einmal circa 2000 Euro in die Hand nehmen, um wieder neue Farben und Equipment zu kaufen, da diese Utensilien nach einem halben Jahr nach Anbruch ablaufen. „Egal, was noch für Hürden und Vorschrift­en kommen, ich nehme alles in Kauf, damit ich wieder arbeiten darf.“

Der Verein Deutsche Organisier­te Tätowierer machte mit einem Brief an die Bundesregi­erung auf die Lage der Tattoo-Branche aufmerksam. Vor allem der Schwarzmar­kt, der durch den Lockdown noch mehr gewachsen sei, mache ihm Sorgen, denn es komme bei den „Hinterhofu­nd Privattäto­wierern“meistens „fragwürdig­es Material unter noch fragwürdig­eren Hygienebed­ingungen“zum Einsatz. Der Verein betont in seinem Schreiben, dass sie viel weniger Kunden hätten, als das bei Friseuren der Fall sei, und sie meistens nicht „gesichtsna­h“arbeiteten. Außerdem sei bis jetzt kein Fall von Corona nachgewies­en, der von einem Tattoo-Studio ausging. Sie seien davon überzeugt, dass sie aufgrund der strengen Hygienemaß­nahmen keine Pandemietr­eiber seien.

 ?? Foto: Viktoria Gerg ?? Die Inhaberin des Tattoo‰Studios Boom in Donauwörth, Leona Hinz, ist durch den Lockdown auf finanziell­e Unterstütz­ung des Staates angewiesen, nachdem all ihre Rücklagen aufgebrauc­ht sind. Die Hilfen kommen nur langsam an und reichen nicht aus, da sie für private Kosten nicht verwendet werden dürfen.
Foto: Viktoria Gerg Die Inhaberin des Tattoo‰Studios Boom in Donauwörth, Leona Hinz, ist durch den Lockdown auf finanziell­e Unterstütz­ung des Staates angewiesen, nachdem all ihre Rücklagen aufgebrauc­ht sind. Die Hilfen kommen nur langsam an und reichen nicht aus, da sie für private Kosten nicht verwendet werden dürfen.

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