Ein Ökonom ohne Lobby
Als Vorsitzender der Wirtschaftsweisen war Lars Feld eine Stimme der pragmatischen Vernunft in Deutschland. Gehen muss er jetzt auf Betreiben der SPD. Aber auch die Union hat nicht für ihn gekämpft
Als Ökonom ist Lars Feld über jeden Zweifel erhaben. Direktor des renommierten Walter Eucken Instituts an der Universität Freiburg, Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Finanzministeriums und der Mindestlohnkommission und als Vorsitzender der sogenannten Wirtschaftsweisen der vielleicht wichtigste Wirtschaftsberater der Regierung – ein Mann, dessen Wort Gewicht hat in der Politik. Oder soll man sagen: Hatte?
Weil die SPD mit äußerst durchsichtigen Motiven ihr Veto gegen eine Verlängerung um fünf Jahre eingelegt hat, läuft Felds Mandat als Vorsitzender des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, wie die fünf Wirtschaftsweisen sich offiziell nennen, Ende des Monats aus. Den Sozialdemokraten ist der Professor aus Freiburg zu ordoliberal, vor allem sein energisches Eintreten für die Schuldenbremse stört sie schon lange. Ginge es alleine nach Finanzminister Olaf Scholz, würde an Felds Stelle vermutlich Marcel Fratzscher in den Rat einziehen, der sich als Leiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin den Ruf eines sozialdemokratischen Lieblingsgutachters erworben hat. Oder der Düsseldorfer Professor Jens Südekum, auch er ein scharfer Kritiker der Schuldenbremse.
Mitten in der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten steht das wichtigste wirtschaftliche Beratergremium der Regierung damit ohne Vorsitzenden da. Die SPD hat Feld jäh gestoppt, gegen die Berufung von Fratzscher oder Südekum wiederum sperrt sich Wirtschaftsminister Peter Altmaier, sodass die fünf Wirtschaftsweisen möglicherweise bis zur Vereidigung einer neuen Regierung im Herbst nur zu viert sein werden.
Was auf den ersten Blick wie ein parteipolitisches Bubenstück der Sozialdemokraten aussieht, ist bei genauerem Hinsehen für die Union mindestens genauso peinlich: Die CDU, die Partei Ludwig Erhards, und ihre Kanzlerin sind offenbar nicht mehr in der Lage, einen Kandidaten mit einem klaren ordnungspolitischen Kompass in der
Koalition durchzusetzen, bei dem das Erwirtschaften vor dem Verteilen kommt. Oder, was noch viel schlimmer wäre: Sie wollen es womöglich schon gar nicht mehr.
Wissenschaftliche Berater wie Lars Feld müssen unabhängig sein, streitbar und notfalls auch unbequem – bei Hofe aber kommt das selten gut an. In Berlin ist es ein offenes Geheimnis, dass Feld sich schon vor Corona mit seiner Kritik an der übertriebenen Regelungswut und der nonchalanten Ausgabenpolitik der Großen Koalition im Kanzleramt immer unbeliebter gemacht hat. Und selbst wenn Angela Merkel seine Demission nicht aktiv betrieben hat, so nimmt sie diese zumindest billigend in Kauf.
Dass ihr Amtschef Helge Braun gerade erst einen etwas großzügigeren Umgang mit der Schuldenbremse gefordert und dafür sogar eine Grundgesetzänderung ins Spiel gebracht hat, passt in dieses Bild:
Die Regierung, das gilt auch für die kommende, wünscht sich auf längere Zeit mehr Spielraum beim Geldausgeben – ein Wirtschaftsweiser, der eloquent und mit großem medialen Echo die Risiken einer solchen Politik formuliert, stört da nur. Zwar hält auch der bekennende Marktwirtschaftler Feld das aktuelle Krisenmanagement mit seinen immer neuen Milliardenpaketen für alternativlos, anders als viele Handelnde aber will er nach der Pandemie möglichst rasch wieder zurück zu den normalen Schuldenregeln. Diese Logik der ökonomischen Vernunft hat es in der Politik ohnehin schon schwer – in einem Wahljahr mitten in der Pandemie aber noch ungleich schwerer.
Wer immer auf Lars Feld folgt: Die Entscheidung ist eine Richtungsentscheidung. Sie wird zeigen, wie ernst es der deutschen Politik noch mit den Prinzipien von Markt und Wettbewerb ist.