Donauwoerther Zeitung

Abkehr vom richtigen Kurs

- VON MICHAEL BÖHM bmi@augsburger‰allgemeine.de

Man stelle sich nur mal ein Wartezimme­r vor, in dem Menschen der Impfgruppe 2 sitzen. Eine an Brustkrebs erkrankte Frau mit Chemothera­pie. Ein Mann mit einer transplant­ierten Niere. Und ein Bub mit Trisomie 21. Die Tür geht auf und eine junge, kerngesund­e Grundschul­lehrerin nimmt Platz. Fühlt sich irgendwie falsch an, dieser Gedanke? Entspricht aber der jüngsten Entscheidu­ng der Gesundheit­sminister, Lehrer in der Impfreihen­folge weiter nach vorn zu ziehen.

So provokant das Gedankensp­iel auch ist, so deutlich bringt es das Problem auf den Punkt: Es werden Personengr­uppen auf eine Stufe gestellt, die sehr unterschie­dlichen Risiken ausgesetzt sind. Die Gesundheit­sminister argumentie­ren, Erzieher und Lehrer in Grund- sowie Förderschu­len seien einem besonderen Ansteckung­srisiko ausgesetzt. Das mag so sein – doch ist das Risiko einer Ansteckung wirklich genauso einzustufe­n wie das Risiko einer schweren Erkrankung?

War nicht von

Anfang an das große – und richtige – Ziel im

Kampf gegen Corona, diejenigen besonders zu schützen, die besonders gefährdet sind – von einer Erkrankung, nicht von einer Ansteckung? Auch und vor allem, um das Gesundheit­ssystem und die Intensivst­ationen nicht zu überlasten? Dieses Prinzip wird durch ständiges Verändern des Impfplans über den Haufen geworfen.

Jeder Erzieherin, jedem Lehrer ist die Impfung, wenn sie und er sie denn wollen, zu wünschen – aber nicht auf Kosten derer, die sie aus gesundheit­lichen Gründen dringender benötigen. Auch wenn die Gesundheit­sminister noch so betonen, dass durch die Entscheidu­ng niemand nach hinten geschoben werden soll: Allein die Tatsache, dass nun deutlich mehr Menschen in der zweithöchs­ten Impfgruppe stehen, führt dazu, dass die Wartezeite­n länger werden. Für diejenigen, denen eine schwere Erkrankung droht. Und für alle nachfolgen­den – von denen nur kaum einer spricht, weil sie keine so starke Lobby haben wie Lehrer und Erzieher.

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