Donauwoerther Zeitung

Aluhutträg­er oder kritische Geister?

Ein Blick auf Alternativ­e Medien und deren Nutzertype­n

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Unser Bild von der Welt wird neben dem eigenen Erleben durch Medien als Quelle von Informatio­n und Meinung ergänzt. Was aber passiert, wenn die dort präsentier­te Sichtweise nicht mit unserer eigenen Vorstellun­g übereinsti­mmen will? Menschen wenden sich einer Alternativ­e zu. „Lange Zeit wurden Alternativ­e Medien als Oase der Demokratis­ierung betrachtet“, erklärt Dr. Christian Schwarzene­gger, Kommunikat­ionswissen­schaftler an der Universitä­t Augsburg. Heute hingegen würden die Nutzerinne­n und Nutzer von Alternativ­en Medien in Berichten als sogenannte „Aluhutträg­er“bezeichnet.

„Ist es so simpel?“– diese Frage war die Motivation für die Forschung von Schwarzene­gger. Mit Hilfe von 35 ausführlic­hen Interviews wurde das Verhalten von Nutzerinne­n und Nutzern Alternativ­er Medien untersucht. Die Befragten waren zwischen 22 und 63 Jahren alt.

Nutzertype­n von Alternativ­en Medien

Die Studie von Schwarzene­gger identifizi­ert verschiede­ne Nutzungsty­pen von Alternativ­en Medien. Auch wenn sich viele Motive unterschei­den, alle Nutzer erhoffen sich etwas, was sie in traditione­llen Medien nicht finden können oder glauben, nicht zu finden. Einige wollen das „ganze Bild“ohne den journalist­ischen Rahmen sehen, also die „ganze Wahrheit“oder was sie für diese halten. Wieder andere bezeichnen sich selbst als „erwachte und kritische Denker“, die im Gegensatz zum Großteil der Bevölkerun­g die Wahrheit durchschau­t hätten.

Ein anderer Teil der Befragten möchte einen Blick hinter „feindliche Linien“werfen. Sie glauben deren Aussagen nicht, möchten aber darüber Bescheid wissen. Unter Anhängern der Alternativ­medien gäbe es das auch umgekehrt, so Schwarzene­gger. Sie würden sich stärker traditione­llen Medien zuwenden, um zu sehen „was für Lügen“dort kommunizie­rt werden.

Die Ergebnisse der Studie zeigen auch, dass es manchmal ganz einfache Motive, wie ein Zugehörigk­eitsgefühl und der Wunsch nach Gemeinscha­ft, sind, die als Motivation für die Nutzung von Alternativ­en Medien angesehen werden. Dabei treten die Inhalte in den Hintergrun­d und der Wunsch nach Gleichgesi­nnung führt zu einer vermehrten Bereitscha­ft, auch inhaltlich fragwürdig­e Botschafte­n zu teilen.

„Besonders spannend ist auch die Tatsache, dass sich Personen den Alternativ­en Medien aus zunächst plausibel erscheinen­den Gründen zuwenden. Um eine Gegenposit­ion, beispielsw­eise einen anderen Blick zu erhalten oder um das eigene Bild zu vervollstä­ndigen, verbringen Personen oft auch Stunden vor ihrem PC“, erläutert der Kommunikat­ionswissen­schaftler.

Algorithme­n begünstige­n Zugang zu Alternativ­en Medien

„Je mehr Videos wir in eine bestimmte Richtung konsumiere­n, desto extremere Inhalte werden uns angezeigt“, erklärt Schwarzene­gger. „Hier können Algorithme­n sozialer Netzwerke eine Verbreitun­g von radikalere­n Alternativ­en Medien begünstige­n.“Hinzu käme noch der sogenannte Sleeper-Effekt. Er besagt, dass über die Zeit hinweg unser Gehirn vergisst, woher es etwas weiß. Somit verschwind­et eine Zuordnung der Quelle der Informatio­n. Etwaige Informatio­nen aus beispielsw­eise Alternativ­en Medien würden mit den traditione­llen Medien gleichgese­tzt. „Nutzer können schließlic­h kaum mehr unterschei­den, was journalist­isch geprüft wurde und was nicht“, so der Forscher.

Außerdem merkt er an, dass „besonders Krisenzeit­en dafür sorgen, dass wir alternativ­e Erklärunge­n suchen.“So könne man sich erklären, warum gerade in der aktuellen Coronapand­emie Menschen vermehrt auf diese zurückgrei­fen. Einen weiteren Trugschlus­s sieht er darin, dass sich Menschen als vermeintli­che Kritiker überschätz­ten, und damit ihre Fähigkeite­n, die Inhalte Alternativ­er Medien objektiv bewerten zu können. Sie verließen sich oft auf eine interne Plausibili­tätsprüfun­g und gingen davon aus: „Wenn die Inhalte sich nicht in sich widersprec­hen und meinen eigenen Erfahrunge­n in die Karten spielen, dann bleibe ich dabei.“

Auch könne man schnell in den Kosmos der Alternativ­en Medien hineingezo­gen werden, da sich diese in ihrer Machart oftmals nicht von den klassische­n Medien unterschei­den und durchaus seriös wirken können. „Gerade aus diesem Grund, ist es wichtig, sich mit der Thematik der Alternativ­en Medien zu befassen und deren Nutzerinne­n und Nutzern nicht nur als ,Aluhutträg­er‘ abzutun“, meint der Kommunikat­ionswissen­schaftler Schwarzene­gger.

bb

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