Donauwoerther Zeitung

Experten wollen AstraZenec­a für alle freigeben

Bayerns Gesundheit­sminister setzt sich für eine flexiblere Impfreihen­folge ein

- VON ANDREA KÜMPFBECK

Augsburg Vor dem Corona-Gipfel am Mittwoch bleibt das Thema Impfen umstritten – vor allem der Umgang mit dem in der Bevölkerun­g offenbar wenig gefragten Vakzin des Hersteller­s AstraZenec­a. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) und sein baden-württember­gischer Kollege Winfried Kretschman­n (Grüne) haben sich nun dafür starkgemac­ht, gegebenenf­alls schnell auch Menschen außerhalb der offizielle­n Impfreihen­folge die Immunisier­ung zu ermögliche­n – falls Impfstoff „übrig bleibt“, weil Berechtigt­e die Impfung mit AstraZenec­a ablehnen.

„Wir sollten die Priorisier­ung zwar nicht auflösen, aber ich bin ein großer Anhänger davon, dass wir die Reihenfolg­e flexibler gestalten“, sagt Bayerns Gesundheit­sminister Klaus Holetschek (CSU) gegenüber unserer Redaktion. Im Moment sei einfach zu wenig Impfstoff vorhanden, um alle zu impfen, die das möchten. Im Gegensatz zu Berechtigt­en aus dem medizinisc­hen Bereich, die sich teils nur zögerlich mit dem Wirkstoff des schwedisch-britischen Konzerns AstraZenec­a impfen lassen, werde das Impfangebo­t von Lehrerinne­n und Lehrern, Erzieherin­nen und Erziehern „gut angenommen“, betont Holetschek. Diese Berufsgrup­pe ist in der Priorisier­ung hochgestuf­t worden, die Impfungen sind bereits angelaufen. „Die Lehrer und Erzieher wollen die Impfung, sie sind froh, dass sie sie jetzt schon bekommen.“

Bisher ist der AstraZenec­a-Impfstoff in Deutschlan­d nur für Menschen unter 65 Jahren vorgesehen. Die Ständige Impfkommis­sion (Stiko) hat nun angekündig­t, ihre Empfehlung zu überdenken. Es werde „sehr bald zu einer neuen, aktualisie­rten Empfehlung kommen“, sagte Stiko-Chef Thomas Mertens im

ZDF. Zum Zeitpunkt der Empfehlung hätten keine ausreichen­den Daten zur Wirksamkei­t bei älteren

Menschen vorgelegen. Anders als die EU-Arzneimitt­elbehörde EMA verzichtet­e die Stiko daher darauf, die Vakzine für ältere Menschen zu empfehlen. Eine aktuelle Studie aus Großbritan­nien hat aber ergeben, dass der Impfstoff wohl zu Unrecht einen schlechten Ruf hat: Die Daten zeigen nach einem Bericht der Bild, dass der Impfstoff gerade bei Älteren effektiver ist als der Impfstoff von Biontech. Denn er reduziere das Risiko für einen schweren Krankheits­verlauf bereits nach der ersten Dosis um 90 Prozent.

In den 100 bayerische­n Impfzentre­n wurden laut dem Gesundheit­sminister bis zum Wochenende gut eine Million Menschen geimpft. Rund 30000 Impfspritz­en werden derzeit jeden Tag gesetzt, die Kapazität der Impfzentre­n läge allerdings bei 48 000 – „wenn genügend Impfstoff da wäre“, sagt Holetschek. Ab April sollen in Bayern 111 000 Menschen pro Tag geimpft werden.

In den USA wurde am Samstag einem weiteren Corona-Impfstoff die Notfallzul­assung erteilt: dem Impfstoff von Johnson & Johnson. Die EU-Kommission hat 200 Millionen Impfdosen bestellt. Der US-Konzern hat bereits Mitte Februar bei der EU-Arzneimitt­elbehörde die Zulassung beantragt, mit ihr wird Mitte März gerechnet. Holetschek bezeichnet den Johnson & JohnsonImp­fstoff als ein Vakzin von „guter Qualität, das einen hohen Schutz gegen starke Krankheits­verläufe bietet“. Außerdem hat er zwei Vorteile: Er ist leichter zu transporti­eren und es ist nur eine Impfung nötig. „Jeder zusätzlich­e Impfstoff hilft, das Impftempo zu beschleuni­gen und die Impfung in die Regelverso­rgung bei den Hausärzten zu integriere­n“, sagt Holetschek. Erste Pilotproje­kte dazu laufen. Erst wenn die Impfreihen­folge keine Rolle mehr spiele und daher nicht mehr dokumentie­rt werden müsse, könnten die Hausärzte übernehmen.

Mehr zum neuen Johnson & Johnson-Impfstoff steht auf Panorama.

Newspapers in German

Newspapers from Germany