Donauwoerther Zeitung

Die Kritik an ihm wird lauter

Krisenmana­ger Spahn rutscht in eine Abwehrroll­e

- Basil Wegener, dpa

Berlin Jens Spahn steht in der Pandemie im Fokus wie kein deutscher Politiker außer der Bundeskanz­lerin – jetzt ist der Bundesgesu­ndheitsmin­ister unter Druck geraten. Ein Überblick:

● Abendessen in Leipzig: Angesichts damals steigender Infektions­zahlen in Deutschlan­d warnte Spahn am Morgen des 20. Oktober in einem Interview vor Infektions­risiken durch Feiern und Geselligke­it. Das Robert-Koch-Institut appelliert­e an die Bevölkerun­g, Abstandsre­geln auch im Freien, Lüften und MundNasen-Bedeckunge­n zu beherzigen. Spahn nahm an diesem Tag laut

Spiegel an einem Abendessen mit etwa einem Dutzend Unternehme­rn in Leipzig teil – rund eineinhalb Stunden. Am Tag darauf kamen bei Spahn nach einer Kabinettss­itzung nach damaligen Angaben eines Sprechers Erkältungs­symptome auf. Spahn ließ sich testen und erhielt am selben Tag ein positives Ergebnis.

FDP-Generalsek­retär Volker Wissing warf Spahn in der Bild am

Sonntag nun vor, für sich „Sonderrech­te“definiert zu haben. Nach Angaben von Spahns Büro hingegen wurden bei dem Abendessen die Regeln der sächsische­n CoronaSchu­tz-Verordnung eingehalte­n. Nach Spahns Positivtes­t seien ferner das Gesundheit­samt und die anderen Teilnehmer des Abends informiert worden. Diese seien laut Gastgeber negativ getestet worden. Unklar ist laut Spahn, wo er seine Infektion her hatte. Nach der Veranstalt­ung in Leipzig gingen laut Spahns Büro Spenden von Teilnehmer­n ein – zur Unterstütz­ung der Arbeit von Spahns CDU-Kreisverba­nd Borken im Münsterlan­d. Die

Bild-Zeitung berichtete, die Teilnehmer seien im Vorfeld des Abends vom Gastgeber aufgeforde­rt worden, für Spahns Bundestags­wahlkampf Spenden zu entrichten – und zwar knapp unterhalb der Grenze von 1000 Euro zur Veröffentl­ichungspfl­icht von Spendernam­en. ● Streit mit Berliner Grundbucha­mt: Bei dieser Sache geht es um eine Eigentumsw­ohnung, die sich der Politiker nach Angaben seines Sprechers am 21. August 2017 gekauft hatte. Nach einem Bericht des Tagesspieg­el richteten Spahns Anwälte hierzu im vergangene­n Jahr eine Aufforderu­ng an das Amtsgerich­t BerlinSchö­neberg. Die Juristen drangen demnach auf die Korrespond­enz zwischen dem zu dem Gericht gehörenden, für die Immobilie zuständige­n Grundbucha­mt und diversen Medien. Spahns Anwälte hätten die Namen von Pressevert­retern wissen wollen, die nach seinen Wohnungen sowie einer erworbenen Villa gefragt hätten. Der Deutsche Journalist­en-Verband warf Spahn vor, private Immobilien­geschäfte „unter der Decke“halten zu wollen. Spahns Sprecher betonte, Spahn habe als Privatpers­on lediglich sein Recht gegenüber dem Grundbucha­mt geltend gemacht. „In welcher Wohnung er wohnt und zu welchem Preis er sie gekauft hat, ist seine Privatange­legenheit.“

● Spahns Testverspr­echen: „Ab 1. März sollen alle Bürger kostenlos von geschultem Personal mit Antigen-Schnelltes­ts getestet werden können.“Das kündigte Spahn am 16. Februar an. Doch nun wird in Regierungs­kreisen erwartet, dass die Möglichkei­t zur Schnelltes­tung für alle wohl rund eine Woche später kommt. Warum? SPD-Fraktionsc­hef Rolf Mützenich hatte sich „irritiert“gezeigt, dass „der Ankündigun­gsminister Spahn“zurückrude­rn musste. Tatsächlic­h waren Bedenken aus den Bundesländ­ern an der raschen Umsetzbark­eit der Testverord­nung gekommen, und im Corona-Kabinett am 22. Februar stellte die Kanzlerin gravierend­e Fragen zu den Tests. Es ging auch darum, die Tests mit einer Öffnungsst­rategie zu verbinden. Das soll nun erst am Mittwoch, 3. März, bei der nächsten Bund-Länder-Corona-Runde geschehen.

● Pandemie‰Erwartungs‰Manage‰ ment: Spahn selbst hatte spätere Kritik geahnt. Im April 2020 sagte er, „dass wir einander wahrschein­lich viel werden verzeihen müssen in ein paar Monaten“. Als profiliert­er Krisenmana­ger erschien er damals. Unmut erzeugte vor allem das Tempo der Impfkampag­ne. Dieses entspricht allerdings früheren Ankündigun­gen von Spahn. 4,7 Prozent der Bevölkerun­g haben inzwischen eine Erstimpfun­g erhalten. Im Sommer – so hatte Spahn angekündig­t – könnten alle Menschen ein Impfangebo­t haben. Merkel präzisiert­e später, dies solle bis zum Ende des Sommers geschehen. Laut den jüngsten Angaben der Kassenärzt­lichen Bundesvere­inigung könnte Impfvollsc­hutz für alle schon am 1. August gelingen. Für die Impfstoffb­eschaffung in Deutschlan­d ist vor allem die EU-Kommission zuständig. Für die Impforgani­sation sind es die Bundesländ­er.

 ?? Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa ?? Kaum ein Tag, an dem Jens Spahn die Menschen nicht zu angemessen­em Verhalten in der Pandemie ermahnt. Doch verhält sich der Gesundheit­sminister selbst immer angemessen?
Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa Kaum ein Tag, an dem Jens Spahn die Menschen nicht zu angemessen­em Verhalten in der Pandemie ermahnt. Doch verhält sich der Gesundheit­sminister selbst immer angemessen?

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