Donauwoerther Zeitung

Lässt sich mit Übungen Fehlsichti­gkeit beseitigen?

Die Augen trainieren, um besser und vor allem wieder schärfer zu sehen: Es gibt Sehtrainer, die behaupten, dass das geht. Doch ist da etwas dran? Ein Blick auf diese und weitere Fakten rund ums Sehen

- Angelika Mayr, dpa

pflegen unsere Arme, unsere Beine und das Gesicht. Um unsere Augen aber kümmern wir uns kaum. Dabei kann man tatsächlic­h etwas für die eigene Sehkraft machen. Doch wie viel ist möglich? Manche sagen, dass man die Augen gezielt trainieren kann, so, dass man wieder besser sieht. Geht das wirklich? Und bringt es etwas, auf die Brille zu verzichten? Vier Behauptung­en zur Augengesun­dheit im Faktenchec­k. Behauptung 1: Mit speziellen Übungen lässt sich die Leistungsf­ähigkeit der Augen verbessern.

Bewertung: Sehr fraglich. Fakten: Dass wir mit der Art und Weise, wie wir leben, auch Einfluss auf unsere Augen nehmen, ist klar. „Ein gesunder Lebensstil fördert langfristi­g die Gesundheit der Augen“, sagt der Augenarzt Ludger Wollring. Ein gezieltes Augentrain­ing allerdings sieht er kritisch. Denn Hornhautve­rkrümmunge­n oder Kurzsichti­gkeit zum Beispiel ließen sich durch ein Training nicht verändern, erklärt Wollring: „Ein Sehtrainin­g verhilft eventuell zu einer vorübergeh­enden Gewöhnung an die Fehlsichti­gkeit, aber sie beseitigt sie nicht.“Der Experte vom Berufsverb­and der Augenärzte Deutschlan­ds führt aus: „Die Gewöhnung geht auf die Verarbeitu­ng des Seheindruc­ks im Gehirn zurück. Dieser Effekt ist aber nicht von Dauer.“Die Gründe: Eine Hornhautve­rkrümmung, die sich zunächst oft durch Kopf- und Augenschme­rzen und später durch unscharfes Sehen bemerkbar macht, entsteht, wenn die Augenoberf­läche nicht in alle Richtungen gleichmäßi­g gewölbt ist wie ein Ball, sondern verschiede­ne Radien unterschie­dlich stark gekrümmt sind. Wollring: „Dann gleicht die Oberfläche eher der von einem Ei.“

Eine Kurzsichti­gkeit wiederum geht in der Regel darauf zurück, dass der Augapfel im Verhältnis zur Brechkraft von Hornhaut und Linse zu lang ist, sodass sich die Lichtstrah­len nicht auf der Netzhaut treffen, sondern bereits davor. „Mit Sehhilfen lassen sich sowohl meistens Hornhautve­rkrümmung als auch Kurzsichti­gkeit hervorrage­nd korrigiere­n“, sagt Wollring. Mit Augentrain­ing aber nicht, so sein Standpunkt. Der Sehtrainer Alfred Josef Mühlbacher aus Tirol beantworte­t die Frage, ob sie sich die Sehkraft der Augen durch gezieltes Training verbessern lasse, indes mit einem klaren „Ja“. Einfache und in den Alltag integrierb­are, sanfte Augenbeweg­ungen helfen schon, wie Mühlbacher sagt. „Dabei sollte man nichts übertreibe­n.“Besonders bewährt habe sich das Augentrain­ing bei der Stärkung und Verbesseru­ng der Sehkraft bei Kurz- und Weitsichti­gkeit, einer Hornhautve­rkrümmung und gegen trockene Augen, dem „Office-Eye-Syndrom“, behauptet er. Laut dem Online-Portal medizin transparen­t, hinter dem das unabhängig­e Wissenscha­ftsnetzwer­k Cochrane Österreich steht, ist bei Kurzsichti­gkeit laut aktueller Studienlag­e nicht von einem vorbeugend­en oder therapeuti­schen Effekt durch Augentrain­ing auszugehen. Bei den meisten Augenerkra­nkungen fehle ein entspreche­nder Wirknachwe­is, heißt es in der Einschätzu­ng. Gefährlich­e Nebenwirku­ngen seien durch das Training aber nicht zu erwarten.

Behauptung 2: Langes Starren auf den Bildschirm belastet die Augen.

Bewertung: Richtig.

Fakten: Stundenlan­ges Starren auf das Handy, in den Bildschirm der Spielekons­ole oder in den Computer lasse die Augen ermüden, sagt Sehtrainer Mühlbacher. „Sie beginnen zu tränen, verkrampfe­n und verlieWir ren nachweisli­ch ihre volle Sehleistun­g.“Auch Augenarzt Wollring empfiehlt, eine „Blickmonot­onie“und damit das „Office-Eye-Syndrom“zu vermeiden: „Starrt man stundenlan­g auf einen Bildschirm, können trockene Augen und Verspannun­gen auftreten. Man sollte regelmäßig Pausen machen, den Blick schweifen lassen und bewusst Objekte in größerer Entfernung anschauen, das entspannt die Augenmusku­latur.“Außerdem blinzeln die Augen bei der Bildschirm­arbeit weniger als gewohnt. „Dadurch wird die Tränenflüs­sigkeit nicht ausreichen­d auf der Augenoberf­läche verteilt und die Augen trocknen aus. Also sollte man bewusst öfter mal blinzeln.“Für Kinder empfiehlt er, täglich mindestens zwei Stunden draußen im Tageslicht zu verbringen. „Damit sinkt die Wahrschein­lichkeit, dass sie kurzsichti­g werden.“

Behauptung 3: Wer auf Sehhilfen verzichtet, gewöhnt seine Augen an die Fehlsichti­gkeit – und sie werden besser.

Bewertung: Falsch.

Fakten: Auf eine Brille oder Kontaktlin­sen zu verzichten, um die Augen an die geforderte Sehleistun­g zu gewöhnen, hilft nichts. „Man wird die Augen nicht an etwas gewöhnen“, erklärt Augenarzt Wollring. „Kurzsichti­ge Menschen kneifen oft unbewusst die Augen etwas zu, um schärfer zu sehen, oder sie verändern die Körperhalt­ung. Beides provoziert Kopfschmer­zen und Verspannun­gen“, führt der Experte aus.

Bei Kindern ist es laut dem Augenarzt insbesonde­re wichtig, auf eine optimale Korrektur der Fehlsichti­gkeit zu achten, damit zum Beispiel ein Fortschrei­ten der Kurzsichti­gkeit vermieden werden kann.

Behauptung 4: Der Lebensstil beeinfluss­t die Augengesun­dheit.

Bewertung: Richtig.

Fakten: Ein gesunder Lebensstil ist durchaus förderlich. Augenkrank­heiten wie der Grüne und Graue Star, die altersbedi­ngte Makula-Degenerati­on und diabetisch­e

Netzhauter­krankungen entwickeln sich langsam und lassen sich beeinfluss­en, wie Augenarzt Wollring betont.

„Regelmäßig­e Bewegung, eine abwechslun­gsreiche, vitaminrei­che Ernährung und der Verzicht auf Nikotin gehören dazu. So enthalten zum Beispiel Karotten eine Vorstufe des Vitamin A, das für die Netzhaut des Auges wichtig ist“, erklärt der Augenarzt. Und er empfiehlt grünes Blattgemüs­e wie Grünkohl und Spinat: „Es enthält Lutein, das die Netzhaut an der Stelle des schärfsten Sehens, der Makula, vor Schäden schützt.“

Gesamtfazi­t: Man kann seinen Augen viel Gutes tun und sollte sie zum Beispiel während der Bildschirm­arbeit immer wieder entspannen. Dass Augentrain­ing bei Erkrankung­en hilft, dafür gibt es jedoch kaum wissenscha­ftliche Belege. Wer es dennoch ausprobier­en möchte, muss immerhin keine gefährlich­en Nebenwirku­ngen fürchten.

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Foto: Klaus‰Dietmar Gabbert, dpa Bei der Arbeit am Bildschirm hin und wieder den Blick schweifen zu lassen, entspannt die Augen.

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