Donauwoerther Zeitung

Die Kraft der Schnellsch­üsse

- VON ERICH PAWLU redaktion@donauwoert­her‰zeitung.de

Schon wieder empfiehlt die Forschung die Veränderun­g unseres Verhaltens. Bisher wurde jedem Kind beigebrach­t, dass die Antwort auf eine Frage gut überlegt sein müsse. Wer überzeugen wolle, dürfe ein paar Augenblick­e verstreich­en lassen, um dann wirksam zu argumentie­ren. Alles falsch! Soeben hat eine französisc­he Studie nachgewies­en, dass der befragte Mensch mit verzögerte­n Antworten seine Glaubwürdi­gkeit aufs Spiel setzt. Wer nicht fähig ist, auf eine Frage blitzschne­ll zu reagieren, gilt als unsicher und sogar als unehrlich.

Jetzt verstehen wir endlich die Reaktionsg­eschwindig­keit von Politikern und anderen Prominente­n in Talkshows. Es geht nicht um die richtige, sondern um die blitzschne­lle Antwort auf Fragen des Diskussion­sleiters. Jeder gedanklich­e Schnellsch­uss erhöht die Glaubwürdi­gkeit. Ein dialektisc­hes Schnellfeu­ergefecht amüsiert das Publikum mehr als die grüblerisc­he Art des gründliche­n Denkers. Wer in der Zeit der schnellen Antworten für Denkpausen eintritt, bleibt auf der Karrierele­iter chancenlos hängen. Schon 1738 hat der Leipziger Oberkatech­et Adam Bernd in „Eigene Lebens-Beschreibu­ng“die Gründe genannt, die einen Menschen in einen rhetorisch­en Schnellsch­ützen verwandeln: „Denn weil meine Lebensgeis­ter … zu flüchtig und zu schnelle waren, so musste ich auch im Reden eilen, was ich kunte, als wenn mich jemand jagte, wollte ich anders nicht beym langsamen Reden aus dem Concepte kommen.“

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