Das schmutzige Geld aus Aserbaidschan
Die Union hat ihren nächsten Korruptionsfall. Wieder gibt es Durchsuchungen. Und wieder steht der Anfangsverdacht der Bestechlichkeit im Raum. Diesmal trifft es den Abgeordneten Fischer
Berlin Es ist Donnerstag kurz vor 10.30 Uhr. Im Plenarsaal des Bundestags hat gerade die namentliche Abstimmung über die Pandemielage begonnen. Das heißt: Die Abgeordneten müssen über die Beschlüsse entscheiden, die Bund und Länder beim Corona-Gipfel in der langen Nacht davor getroffen haben. Axel E. Fischer, ein bulliger Mann mit raspelkurzem grauen Haar, eilt die Treppe hinauf. Er hatte noch Stunden zuvor gegenüber unserer Redaktion angekündigt, gegen die Verlängerung des Lockdowns bis kurz vor Ostern und damit den Corona-Kurs der Kanzlerin aus seiner eigenen Partei zu stimmen. Doch der CDU-Politiker wird von Mitarbeitern der Oberstaatsanwaltschaft München abgefangen.
Fischer, so berichtet ein Abgeordneter, der zufällig dabeisteht, protestiert lautstark, wirft aufgeregt die Arme hoch. Einen der Vertreter der Staatsanwaltschaft hat der Beobachter bereits fast auf die Minute genau eine Woche zuvor im Bundestag gesehen. Da stand der CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein im Zentrum des Interesses. Gegen ihn wird wegen Bestechlichkeit ermittelt, er soll im Zusammenhang mit einem Geschäft um CoronaMasken 660 000 Euro Provision kassiert und nicht versteuert haben.
Das Prozedere bei Fischer ist das gleiche wie bei Nüßlein. Am Morgen um Punkt 9 Uhr tritt der Immunitätsausschuss des Bundestags zusammen. Das Gremium beschließt die Aufhebung der parlamentarischen Immunität Fischers und macht damit den Weg frei für den Vollzug gerichtlicher Durchsuchungsund Beschlagnahmebeschlüsse. Die Ermittlungen führt die Generalstaatsanwaltschaft München, nach deren Angaben ein Anfangsverdacht der „Bestechlichkeit von Mandatsträgern“vorliegt. Wie in solchen Fällen üblich, wird der Name Fischer dabei nicht genannt. Die Behörde verweist ausdrücklich auf die im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren geltende Unschuldsvermutung.
Den Angaben zufolge waren umfangreiche Ermittlungsmaßnahmen gegen ehemalige und aktive Mitglieder des Bundestages vorausgegangen, die der Parlamentarischen Versammlung des Europarates angehört hätten. „Ihnen wird vorgeworfen, in der Zeit zwischen 2008 bis 2016 unter anderem Gelder aus Aserbaidschan über britische Briefkastengesellschaften mit baltischen Konten erhalten zu haben“, informiert die Generalstaatsanwaltschaft. Für das Geld, Summen werden nicht genannt, sollen sich die Abgeordneten politisch für die Interessen des aserbaidschanischen Diktators Ilham
Aliyev eingesetzt haben. Oder, wie es die Staatsanwaltschaft formuliert: „Damit verbunden war die Aufforderung, bei Anträgen und Abstimmungen zu verschiedenen Resolutionen sowie bei der Besetzung von Funktionen und Kommissionen des Europarates Einfluss im Sinne von Delegierten des Staates Aserbaidschan zu nehmen.“
Träfen die Vorwürfe zu, hätte sich Fischer also der klassischen Bestechlichkeit schuldig gemacht. Bei der Aktion, an der rund 60 Beamte des Bundeskriminalamts beteiligt waren, wurden insgesamt sechs Objekte in Baden-Württemberg und Berlin durchsucht, darunter Wohnungen, Geschäftsräume und das Bundestagsbüro Fischers.
Der 54-jährige Abgeordnete aus Karlsruhe muss die Ermittler in die Räume begleiten, die im ersten Stock eines Bundestags-Nebengebäudes am Berliner Boulevard Unter den Linden 71 in Sichtweite des Brandenburger Tors und der britischen Botschaft liegen. Gegen 11 Uhr ist die Razzia in vollem Gange, packen Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft Unterlagen in Kisten. Der als stramm konservativ geltende CDU-Politiker steht dabei und sieht zu, wie Rechner beschlagnahmt, Schubladen durchsucht, Papiere gewälzt werden. Als unsere Redaktion anruft, nimmt Fischer ab. Zunächst erkundigt er sich bei einer Vertreterin der Ermittlungsbehörde, ob er Journalistenfragen beantworten darf. Das sei seine Sache, so die Antwort. Das Gespräch dauert nur kurz. Fischer nennt die Vorwürfe, die gegen ihn erhoben werden „haltlos“. Und weiter: „Da haben sie was Altes ausgegraben mit Aserbaidschan.“Fischer beteuert: „Das wird sich aufklären lassen, aber bis dahin ist mein Ruf natürlich ruiniert.“Nähere Angaben zu den Vorwürfen macht der Haushaltspolitiker nicht.
Das autoritäre Regime der ölreichen Kaukasusrepublik Aserbaidschan hatte im Versuch, sein Image aufzupolieren, immer wieder die Nähe zu deutschen Politikern gesucht, von Kaviar-Diplomatie war die Rede. Es geht um ein LobbyNetzwerk, das offenbar der ehemalige CSU-Staatssekretär Eduard Lintner geknüpft hatte. Über Briefkastenfirmen sollen dazu 800000 Euro nach Deutschland geflossen sein. Die CDU-Abgeordnete Karin Strenz habe sich auffällig für die Belange des Diktators Ilham Aliyev eingesetzt und dafür Geld erhalten. Immer wieder war in den vergangenen Jahren im Europarat aufgefallen, dass etwa Appelle zur Menschenrechtssituation in Aserbaidschan keine Mehrheit fanden. Oder dass Wahlbeobachter verdächtig milde Urteile zu Urnengängen im Kaukasusstaat fällten. Nicht nur Geld soll das Alijev-Regime eingesetzt haben, um sich das Schweigen von Europarat-Mitgliedern zu erkaufen. In der seit 2013 schwelenden Aserbaidschan-Affäre geht es auch um Teppiche, Uhren oder luxuriöse Gratis-Reisen.
Fischer war zwar als Mitglied des Europarats der „Baku-Connection“zugerechnet worden, eine aktive Mitwirkung an der sogenannten Kaviar-Diplomatie aber war ihm bislang nicht vorgeworfen worden. Die politische Zukunft Fischers, seit 1998 im Bundestag, war zuletzt offen. Denn für die kommende Bundestagswahl nominierte die CDU im Wahlkreis Karlsruhe-Land nicht ihn, sondern den 33-jährigen Nicolas Zippelius als Direktkandidaten.