Donauwoerther Zeitung

Wenn Eltern rätseln

Zeugnisbem­erkungen sind oft kryptisch

- VON JAKOB STADLER

Augsburg Häufig versuchen Eltern und Schüler, die schriftlic­he Beurteilun­g im Zeugnis in Noten zu übersetzen – bei einer Fünf in Mathe versteht immerhin jeder, was los ist.

Simone Fleischman­n, Präsidenti­n des Bayerische­n Lehrer- und Lehrerinne­nverbandes, warnt davor. Für Mitarbeit, Sozial- und Arbeitsver­halten gebe es aus gutem Grund keine Schulnoten. „Schüler brauchen ein stark individuel­les Feedback“, sagt sie. An Grund- und Mittelschu­len werden Stärken und Schwächen genau beschriebe­n – Textbauste­ine seien wenig aussagekrä­ftig.

In anderen Schularten bestehen Zeugnisbem­erkungen oft aus nur zwei oder drei Sätzen. Während Grundschul-Klassleite­r jeden Tag viel Zeit mit ihrer Klasse verbringen, unterricht­en Lehrer an Gymnasium oder Realschule hunderte Schüler. Auch eine knappe Beschreibu­ng sei besser als keine, findet Fleischman­n, „weil Schüler ganzheitli­ch in ihrem Lern-, Arbeitsund Sozialverh­alten beschriebe­n werden sollen“. Auch Benedikt Karl vom Bayerische­n Philologen­verband betont, Mitarbeit und Verhalten seien „nicht mit einer Note fassbar“. Er sagt: „Ich würde nicht dazu raten, die große Interpreta­tionsmasch­ine anzuwerfen.“Die Bemerkunge­n seien nicht immer vergleichb­ar, Lehrer würden unterschie­dlich formuliere­n, je nach Schule gebe es Besonderhe­iten.

Ganz wird man das Interpreti­eren aber kaum verhindern, schließlic­h lassen viele Begriffe Spielraum. Was etwa, wenn im Zeugnis steht: „Sebastian ist ein rationaler Schüler“? Ein gutes Beispiel für einen Begriff, der nicht klar in der Bedeutung ist, findet Fleischman­n. „Das heißt, Sebastian kann klar denken und löst Aufgaben eher mit dem Kopf“– wenn es sich auf die Mitarbeit bezieht. Anderes wäre es, wenn es heißt: „Sebastian ist ein rationaler Schüler, der aber in der Zusammenar­beit in der Gruppe nicht immer auf die Meinungen der Mitschüler eingehen kann.“Bezogen auf das Sozialverh­alten würde das fehlende Empathie bescheinig­en. Eltern und Schüler würden aber nicht von einer Bemerkung über problemati­sches Verhalten überrascht, betont Karl. Eine wirklich negative Bemerkung hat eine Vorgeschic­hte – dann gab es bereits Kontakt mit den Eltern.

Newspapers in German

Newspapers from Germany