Das Schlitzohr
Bernd Hölzenbein und die ewig junge Elfmeterfrage
Frankfurt/Main Auch 47 Jahre nach der markantesten Szene seiner Fußballerkarriere besteht für Bernd Hölzenbein absolut kein Zweifel. Als es um den umstrittenen Strafstoß im WM-Finale von 1974 geht, ergreift er am Telefon lautstark das Wort und ruft, ohne zu zögern: „Ganz klarer Elfmeter! Anschließend hätte es eigentlich noch mal einen geben müssen, der wurde aber nicht gepfiffen.“Vor seinem 75. Geburtstag am kommenden Dienstag hat sich Hölzenbein ein halbes Leben lang zur viel diskutierten Aktion beim 2:1-Erfolg gegen die Niederlande äußern müssen, sie habe ihn aber „auch immer im Gespräch gehalten“.
Hölzenbeins jahrzehntelanges Wirken für seinen Herzensklub Eintracht Frankfurt als Spieler, Vizepräsident, Sportmanager, Berater und nun Markenbotschafter ist dagegen in den Hintergrund geraten. 14 Jahre am Stück kickte der Rechtsaußen für den Traditionsklub am Main, noch heute ist er dem Verein verbunden. Zum aktuellen Höhenflug, den er coronabedingt vom Sofa aus verfolgen muss, sagt er: „Das begeistert mich auf jeden Fall.“Auch wenn Wehmut mitschwingt, dass er nicht im Stadion sein kann, hat er sich an sein Dasein als TV-Zuschauer gewöhnt. „Ich sehe jedes Spiel. Wenn Fußball kommt, läuft Fußball.“
Der hochdekorierte Ex-Fußballer genießt bei der Eintracht noch heute riesiges Ansehen. Wenn sich Präsident Peter Fischer mal über Hölzenbein statt über Fredi-BobicGerüchte äußern darf, gerät er direkt ins Schwärmen. „Er hat Deutschland zum Weltmeister gemacht“, sagte Fischer. Für den ExWeltmeister, den Vereinspräsident Fischer als „cleveres Schlitzohr als Spieler und Funktionär“tituliert, hat sich in der Corona-Krise einiges geändert. Nicht nur die Stadionbesuche fehlen ihm, sondern auch die Treffen „mit’m Grabi“(Jürgen Grabowski) oder „mit’m Nickel“(Bernd Nickel), die auch lange Zeit für die Eintracht spielten. CharityGolf-Turniere, bei denen er sonst mit den früheren Weltmeister-Kollegen zusammentraf, gibt es seit Beginn der Pandemie nicht mehr. Das letzte Treffen, bei dem die 1974er Weltmeister in größerer Runde zusammenkamen, ist schon einige Jahre her. 2014 kam das Team vor der WM in Brasilien in Düsseldorf zusammen, seither beschränken sich die Kontakte auf Einzelbegegnungen. Hölzenbein hält bis heute den Eintracht-Vereinsrekord für die meisten Tore insgesamt (160) und in einer Bundesliga-Saison (26).