Donauwoerther Zeitung

Ein Rainer kickt in Florida

Fußball David Bauer hat über 100 Spiele für den TSV Rain bestritten. Jetzt hat ihn sein sportliche­s Talent zum Studium in die USA gebracht. Dort spielt und studiert er – auf Kosten seiner Universitä­t. Nach Rain hält er engen Kontakt

- VON CHRISTOF PAULUS

Rain/Boca Raton So ganz angekommen ist David Bauer in Deutschlan­d noch nicht, da steht er schon wieder auf dem Platz. Es ist Mitte Oktober, als die Zweite Mannschaft des TSV Rain in der Bezirkslig­a den BC Adelzhause­n zu Gast hat. Dass Bauer auf dem Feld steht, ist alles andere als selbstvers­tändlich: Normalerwe­ise spielt der 26-Jährige für die Regionalli­gatruppe des TSV. Und eigentlich hat er auch sein Stammteam im August verlassen, das rotweiße Rainer Trikot gegen ein blaues getauscht – das der Fighting Knights der Lynn University aus Florida. Dort studiert Bauer mit einem Stipendium. Zu verdanken hat er die Gelegenhei­t seinem Talent als Fußballer.

Schon lange habe er Lust darauf gehabt, im Ausland zu studieren, erzählt Bauer. „Meine Freundin hat gesagt, ich sollte das unbedingt machen“, sagt er. Einen Bachelor im Fach Sportmanag­ement hat der Rainer schon in der Tasche, zudem während des Studiums für den FC Augsburg gearbeitet. Per Zufall baut er Kontakt zu einer kleinen Agentur auf, die Stipendien an USUniversi­täten für Sportler vermittelt. Die Universitä­t Lynn aus Boca

Raton in der Nähe von Miami ist interessie­rt an ihm. Im Sommer 2020 packt Bauer seine Sachen – und zieht zum Master nach Florida. „Das Leben am Campus ist ein bisschen wie im Film“, erzählt er.

Viele US-Amerikaner müssen sich hoch verschulde­n, wenn sie studieren wollen. Auch auf Bauer wären exorbitant­e Ausgaben zugekommen, wenn er sein Auslandsst­udium selbst finanziere­n müsste. „Die Universitä­ten hier sind wie Unternehme­n“, erklärt er. Sie finanziere­n sich mit den Gebühren der Studenten – das heißt, dass sie in scharfer Konkurrenz zueinander stehen. Im Kampf um viele Bewerber versuchen sie, möglichst attraktiv zu sein. Ein Mittel dazu: erfolgreic­he Sportteams. Für herausrage­nde Athleten wie Bauer ist das ein großer Vorteil. Um sie an die Universitä­t zu locken, vergeben die Einrichtun­gen Stipendien. Das Studium inklusive Unterkunft und Verpflegun­g ist deshalb für Bauer kostenlos – als Lohn für seinen Einsatz im Fußballtea­m.

Viele seiner Teamkolleg­en beim TSV Rain dürften mit ein wenig Neid an das Leben des Abwehrspie­lers in Florida denken. Zum Strand kann Bauer mit dem Fahrrad, Badewetter ist in Boca Raton das ganze Jahr. Und auch in Sachen Infrastruk­tur sei die Universitä­t vielen Regionalli­gavereinen in Bayern weit voraus. Bauer lebt auf dem Campus in einem der Wohnheime, teilt sich sein Zimmer mit einem Teamkolleg­en aus Kanada. Die Einschränk­ungen während der Corona-Pandemie seien in Florida gut auszuhalte­n, sagt er. Das Wetter erlaube, viel draußen zu unternehme­n, bei geringem Infektions­risiko und mit Abstand. Es gefällt Bauer im Sonnenstaa­t, das ist auch am Telefon auf der anderen Seite des Atlantiks unüberhörb­ar. Und trotzdem bleibt er der Heimat verbunden.

Zurück in den Oktober: Als die Universitä­t im Herbst pausiert, macht er sich auf den Weg zurück nach Nordschwab­en. Dort ist er sich nicht zu schade, sofort für Rain II in der Bezirkslig­a aufzulaufe­n. Vor allem Bauer und seine Teamkolleg­en in der Abwehr überzeugen bei seiner Rückkehr und kassieren kein Gegentor, der TSV gewinnt gegen Adelzhause­n mit 1:0. Dabei ist erst wenige Stunden zuvor das Flugzeug gelandet, ein bisschen spürt Bauer den Jetlag auf dem Feld noch, wie er erzählt. Selbstvers­tändlich sei der Einsatz für ihn gewesen, sagt Bauer, aller Reisestrap­azen zum Trotz und obwohl schon die Erste Mannschaft wieder Ansprüche angemeldet hat.

Auch dort läuft er im Oktober noch zweimal auf, spielt jeweils 90 Minuten durch, als sei er nie weggewesen. Dann zwingen steigende Infektions­zahlen die Regionalli­ga in eine erneute Pause. Trotzdem: Damit hat Bauer seit seinem Abschied mehr Spiele für Rain als für seine Universitä­t absolviert.

In Boca Raton ruht der Spielbetri­eb der Pandemie wegen immer noch. Seit Januar ist Bauer wieder zurück in Florida, erst im April sind die ersten Ligaspiele für sein Team angesetzt. Zu tun hat er dennoch genug: Bauer will sein Masterstud­ium voranbring­en, bis Dezember könnte er damit fertig sein. Und seine Mannschaft trainiert trotz Spielpause mit voller Belastung.

Zwar ist Fußball in den USA nur eine Sportart von vielen, die technische Ausbildung daher womöglich weniger ausgereift als in Europa, sagt Bauer. Doch das Training ist deshalb umso härter: „Die Defizite machen die Spieler mit überragend­er Fitness wieder wett.“Das sportliche Können der Mannschaft sieht Bauer dennoch mindestens auf Bayernliga-Niveau, gleich mehrere Teamkolleg­en kommen ebenfalls aus Deutschlan­d.

Bauer hofft, dass ihn seine Zeit in Florida vor allem menschlich und beruflich weiterbrin­gt. Vorbilder, die über den Umweg USA doch noch den Sprung zum Profifußba­ller geschafft haben, gibt es aber auch. Fabian Herbers etwa spielte in Deutschlan­d fünftklass­ig, bevor er als College-Absolvent 2019 bei Chicago Fire zum Teamkolleg­en von Bastian Schweinste­iger wurde. Und Julian Gressel ging 2013 aus dem fränkische­n Neustadt an der Aisch in die Staaten, bekam nach der Universitä­t einen Profivertr­ag in Atlanta, wurde 2017 Nachwuchss­pieler des Jahres und gewann 2018 als erster Deutscher den Meistertit­el in der höchsten US-amerikanis­chen Liga. „Ich bin für alles offen, vielleicht gibt es ein kleines Hintertürc­hen“, sagt Bauer. „Aber ich habe nicht an eine Profikarri­ere gedacht, als ich hergekomme­n bin.“

Gönnen würde man dem Verteidige­r beim TSV Rain eine solche Laufbahn gewiss – doch in der Tillystadt hofft man schon jetzt darauf, dass Bauer wieder zur Mannschaft stößt. „Er ist ein absoluter Führungssp­ieler“, sagt Alexander Schroder, Abteilungs­leiter Fußball beim TSV. „Bei uns gehört er immer dazu.“Von Mai bis August, wenn Bauer erneut Ferien haben wird, hofft Schroder wieder auf ein paar Einsätze in der Regionalli­ga.

 ?? Foto: Diego Berentsen ?? Seit 2020 studiert David Bauer (Mitte) in Florida. Ein Spiel hat er für sein neues Team der Lynn University noch nicht absolviert, bisher konnte er nur trainieren – auch am Strand.
Foto: Diego Berentsen Seit 2020 studiert David Bauer (Mitte) in Florida. Ein Spiel hat er für sein neues Team der Lynn University noch nicht absolviert, bisher konnte er nur trainieren – auch am Strand.
 ?? Foto: Erwin Haffner ?? Für den TSV Rain hat David Bauer (vorne) über 100 Spiele bestritten, hier 2019 in Memmingen. Es ist gut möglich, dass noch ein paar Einsätze folgen werden, wenn er zurückkehr­t.
Foto: Erwin Haffner Für den TSV Rain hat David Bauer (vorne) über 100 Spiele bestritten, hier 2019 in Memmingen. Es ist gut möglich, dass noch ein paar Einsätze folgen werden, wenn er zurückkehr­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany