Dealer gesteht und macht Therapie
Wende im Nordendorfer Drogenprozess. Juristisch kann der Angeklagte für den Tod der Jugendlichen nicht belangt werden
Landkreis Augsburg Der Angeklagte, der im Sommer an zwei Jugendliche in Nordendorf Drogen verkauft hat, hat am Mittwoch gestanden. Vorausgegangen war eine sogenannte Verfahrensverständigung.
Diese beinhaltet, dass der 34-Jährige schon in Kürze die Haftanstalt verlassen darf und stattdessen eine zweijährige Therapie machen wird. Bedingung war, dass er im Wesentlichen die Anklagepunkte einräumt. Das Urteil lautete daher auf unerlaubten Handel in nicht geringen Mengen sowie Besitz und Abgabe von Drogen an Personen unter 18 Jahren. Verantwortlich für den Tod der beiden Jugendlichen, die wie berichtet an einer Überdosis starben, sei der Angeklagte jedoch nicht.
„Es trifft sie allenfalls eine mittelbare Schuld“, sagt Vorsitzender Richter Christian Grimmeisen in seiner Urteilsbegründung. Schließlich bestehe bei jedem Konsum von Drogen eine „eigenverantwortliche Selbstgefährdung“. Somit könne der Angeklagte rein juristisch nicht wegen Totschlags oder Mords verurteilt werden, sondern nur für den Handel mit Betäubungsmitteln zur Verantwortung gezogen werden.
Ausführlich schilderte ein 17-Jähriger den letzten Tag im Leben der beiden Jugendlichen. An jenem Sommertag habe man sich zuvor an einem Baggersee getroffen, Fußball gespielt, Musik gehört und gechillt. Nachmittags sei der 16-Jährige dann aufgebrochen, um sich bei seinem Kollegen im Nachbardorf etwas zu besorgen. Es sei ein offenes Geheimnis gewesen, dass dieser gewisse „Kollege“, von dem bei den Zeugenaussagen immer wieder die Rede war, den Verstorbenen mit Drogen versorgt hat. Dieser wiederum hat damit seiner Clique versorgt. So sei es gang und gäbe gewesen, gemeinsam Cannabis zu rauchen oder auch mal Amphetamine zu konsumieren. Drogen spielten demnach in dem Freundeskreis eine alltägliche Rolle. Ob den Tod der beiden Jugendlichen nicht etwas bei ihm bewirkt habe, wollte Richter Grimmeisen wissen. „Ja schon“, sagte der Zeuge. Sein Konsum habe sich verringert. Eine ehemalige Mitschülerin hatte bereits ein halbes Jahr vor dem Tod der Jugendlichen den Kontakt abgebrochen. Der Ältere der beiden hätte sich schon lange nicht mehr unter Kontrolle gehabt, sagte sie im Zeugenstand.
Am Abend vor seinem Tod habe sie ihn von seiner Einkaufstour zurückkommen sehen. „Er war käseweiß, hatte dunkle Ringe und war total abgemagert.“Übereinstimmend sagten die Zeugen aus, dass es sich bei der ominösen Drogenquelle aus dem Nachbardorf um den „Kollegen“des verstorbenen 16-Jährigen gehandelt hatte.
Da beide eine Zeit lang im gleichen Betrieb gearbeitet hatten, forderte Richter Grimmeisen mit Blick auf die deutliche Indizienkette schließlich den Angeklagten auf, die „Karten auf den Tisch zu legen“. Er stellte dem 34-Jährigen im Falle eines Geständnisses in Aussicht, „direkt auf Therapie zu gehen“. Auch eine Überstellung in seine Heimat bei Freiburg, um näher bei seinen Angehörigen zu sein, „dürfte kein Problem sein“. Dies gab letztlich den Ausschlag.
Vier Jahre und sechs Monate lautete schließlich das Urteil für den 34-Jährigen. Da dieser selbst ein massives Drogenproblem habe, kommt der Paragraf 64 des Strafgesetzbuches zur Anwendung. Dies bedeutet, dass nur die halbe Strafe, also zwei Jahre und drei Monate, verbüßt werden müsse. Und den größten Teil davon wird er in einer Therapieeinrichtung verbringen.