Betrüger legen CoronaHilfe lahm
Weil die Bundesregierung erst ein Schlupfloch in ihrem Antragsverfahren zu schließen hatte, müssen tausende von Unternehmen noch länger auf ihre Abschlagszahlungen warten
Augsburg/Berlin Falsche Identitäten, manipulierte Bilanzen, fehlende Kontrollen: Das Versprechen von Bund und Ländern, Unternehmen in der Krise schnell und unbürokratisch mit Milliardenbeträgen zu helfen, hat auch viele Betrüger angelockt. Die Zahl der Fälle, in denen Staatsanwaltschaften ermitteln oder Gerichte bereits ihre Urteile gesprochen haben, geht in die Tausende, der mutmaßliche Schaden addiert sich nach ersten Schätzungen zu dreistelligen Millionensummen.
Nun kommt ein weiterer, möglicherweise spektakulärer Fall von Subventionsbetrug dazu, der auch für unbescholtene Unternehmen finanzielle Konsequenzen hat: Um auf Nummer sicher zu gehen und weitere Tricksereien zu verhindern, hat das Bundeswirtschaftsministerium die Auszahlung seiner Abschlagszahlungen für eine Reihe von Hilfsprogrammen vorübergehend gestoppt. Auch Betriebe, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen, bekommen damit seit Freitag kein Geld – vor allem diejenigen, die neue Anträge stellen. Alleine in Bayern sind das nach Auskunft der Industrie- und Handelskammer für Augsburg und Schwaben zwischen 400 und 500 Firmen am Tag.
Wie das Magazin berichtet, haben Unbekannte offenbar ein Schlupfloch im Antragsverfahren genutzt und sich mit gefälschten Identitäten als Steuerberater, Rechtsanwälte oder Wirtschaftsprüfer registriert, um Anträge auf Corona-Hilfen einreichen zu können. Gestellt hätten sie diese dann für tatsächlich bestehende Unternehmen, die staatlichen Zuschüsse aber sollen nicht zu diesen, sondern auf die Konten der Betrüger geflossen sein. Nach Informationen unserer Redaktion soll es sich dabei vor allem um Unternehmen aus
Business Insider
Berlin und um eine Handvoll Rechtsanwälte aus Berlin und Nordrhein-Westfalen handeln.
Der Schaden geht offenbar in die Millionen. Details zum Ablauf des Betruges, seinem Auffliegen und zur Höhe des entstandenen Schadens nennt das Ministerium auch auf Nachfrage nicht. Eine Sprecherin sagt lediglich: „Es ist schade und bedauerlich, dass hier versucht wird, die Not unserer Unternehmen in der Corona-Krise auszunutzen und sich die von vielen dringend benötigte staatliche Hilfe zu erschleichen.“
Wie lange Unternehmen jetzt warten müssen, bis wieder Abschläge überwiesen werden, ist unklar. Das Ministerium beteuert, es sei geplant, die vorsorglich gestoppten Abschlagszahlungen „in den nächsten Tagen“wieder aufzunehmen, das sind quasi Vorschüsse auf staatliche Hilfen, die formal erst noch bewilligt werden müssen und im Moment zigtausende von Unternehmen über Wasser halten. Die regulären Zahlungen über die Länder seien von dem Stopp nicht betroffen.
Das bestätigt auch Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger: „Die normalen Bewilligungen der Anträge laufen weiter und die bayerischen Firmen erhalten ihr Geld,“ betont er gegenüber unserer Redaktion. Allerdings lägen auch für Betriebe aus Bayern jetzt Abschlagszahlungen auf Eis, weil die mutmaßlichen Betrüger das System der Abschläge für einige Tage „zerschossen“hätten. Betroffen sind dabei in erster Linie Anträge auf das sogenannte Überbrückungsgeld III, von dem vor allem der Handel profitiert. Während die sogenannten Novemberund Dezemberhilfen und die Starthilfen für Solo-Selbstständige nach Auskunft der Industrie- und Handelskammer zumindest in Bayern inzwischen weitgehend ausgezahlt sind, wurden von den im Freistaat zur Verfügung stehenden 506 Millionen Euro an Überbrückungsgeld III erst etwa 103 Millionen Euro überwiesen. Bundesweit sind es rund 650 Millionen Euro.
„Der Stopp der Abschlagszahlungen ist für viele Unternehmen sehr bitter, denn die finalen Bescheide brauchen mit den aktuellen Regelungen eine halbe Ewigkeit“, kritisiert der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Theurer, gegenüber unserer Redaktion. Mit dem Anhalten der Zahlungen steige auch die Gefahr weiterer Insolvenzen und von noch mehr Arbeitslosen. Der Grüne Dieter Janecek, Mitglied im Wirtschaftsausschuss des Bundestages, nennt die Situation „ziemlich katastrophal“. Aus Gesprächen mit Unternehmern wisse er, dass die Wut gerade bei kleineren Betrieben wachse: „Da braut sich was zusammen.“Immer wieder, sekundiert FDP-Mann Theurer, habe Wirtschaftsminister Peter Altmaier schnelle Hilfen versprochen, sein Wort aber immer wieder gebrochen. Wer jedoch, wie Altmaier, die steile These aufgestellt habe, dass wegen Corona kein Arbeitsplatz verloren und kein Unternehmen pleitegehen soll, „für den sollte es eine Frage der Ehre sein, sich jetzt in aller Form zu entschuldigen“.