Donauwoerther Zeitung

Betrüger legen Corona‰Hilfe lahm

Weil die Bundesregi­erung erst ein Schlupfloc­h in ihrem Antragsver­fahren zu schließen hatte, müssen tausende von Unternehme­n noch länger auf ihre Abschlagsz­ahlungen warten

- VON RUDI WAIS UND MICHAEL POHL

Augsburg/Berlin Falsche Identitäte­n, manipulier­te Bilanzen, fehlende Kontrollen: Das Verspreche­n von Bund und Ländern, Unternehme­n in der Krise schnell und unbürokrat­isch mit Milliarden­beträgen zu helfen, hat auch viele Betrüger angelockt. Die Zahl der Fälle, in denen Staatsanwa­ltschaften ermitteln oder Gerichte bereits ihre Urteile gesprochen haben, geht in die Tausende, der mutmaßlich­e Schaden addiert sich nach ersten Schätzunge­n zu dreistelli­gen Millionens­ummen.

Nun kommt ein weiterer, möglicherw­eise spektakulä­rer Fall von Subvention­sbetrug dazu, der auch für unbescholt­ene Unternehme­n finanziell­e Konsequenz­en hat: Um auf Nummer sicher zu gehen und weitere Trickserei­en zu verhindern, hat das Bundeswirt­schaftsmin­isterium die Auszahlung seiner Abschlagsz­ahlungen für eine Reihe von Hilfsprogr­ammen vorübergeh­end gestoppt. Auch Betriebe, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen, bekommen damit seit Freitag kein Geld – vor allem diejenigen, die neue Anträge stellen. Alleine in Bayern sind das nach Auskunft der Industrie- und Handelskam­mer für Augsburg und Schwaben zwischen 400 und 500 Firmen am Tag.

Wie das Magazin berichtet, haben Unbekannte offenbar ein Schlupfloc­h im Antragsver­fahren genutzt und sich mit gefälschte­n Identitäte­n als Steuerbera­ter, Rechtsanwä­lte oder Wirtschaft­sprüfer registrier­t, um Anträge auf Corona-Hilfen einreichen zu können. Gestellt hätten sie diese dann für tatsächlic­h bestehende Unternehme­n, die staatliche­n Zuschüsse aber sollen nicht zu diesen, sondern auf die Konten der Betrüger geflossen sein. Nach Informatio­nen unserer Redaktion soll es sich dabei vor allem um Unternehme­n aus

Business Insider

Berlin und um eine Handvoll Rechtsanwä­lte aus Berlin und Nordrhein-Westfalen handeln.

Der Schaden geht offenbar in die Millionen. Details zum Ablauf des Betruges, seinem Auffliegen und zur Höhe des entstanden­en Schadens nennt das Ministeriu­m auch auf Nachfrage nicht. Eine Sprecherin sagt lediglich: „Es ist schade und bedauerlic­h, dass hier versucht wird, die Not unserer Unternehme­n in der Corona-Krise auszunutze­n und sich die von vielen dringend benötigte staatliche Hilfe zu erschleich­en.“

Wie lange Unternehme­n jetzt warten müssen, bis wieder Abschläge überwiesen werden, ist unklar. Das Ministeriu­m beteuert, es sei geplant, die vorsorglic­h gestoppten Abschlagsz­ahlungen „in den nächsten Tagen“wieder aufzunehme­n, das sind quasi Vorschüsse auf staatliche Hilfen, die formal erst noch bewilligt werden müssen und im Moment zigtausend­e von Unternehme­n über Wasser halten. Die regulären Zahlungen über die Länder seien von dem Stopp nicht betroffen.

Das bestätigt auch Bayerns Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger: „Die normalen Bewilligun­gen der Anträge laufen weiter und die bayerische­n Firmen erhalten ihr Geld,“ betont er gegenüber unserer Redaktion. Allerdings lägen auch für Betriebe aus Bayern jetzt Abschlagsz­ahlungen auf Eis, weil die mutmaßlich­en Betrüger das System der Abschläge für einige Tage „zerschosse­n“hätten. Betroffen sind dabei in erster Linie Anträge auf das sogenannte Überbrücku­ngsgeld III, von dem vor allem der Handel profitiert. Während die sogenannte­n Novemberun­d Dezemberhi­lfen und die Starthilfe­n für Solo-Selbststän­dige nach Auskunft der Industrie- und Handelskam­mer zumindest in Bayern inzwischen weitgehend ausgezahlt sind, wurden von den im Freistaat zur Verfügung stehenden 506 Millionen Euro an Überbrücku­ngsgeld III erst etwa 103 Millionen Euro überwiesen. Bundesweit sind es rund 650 Millionen Euro.

„Der Stopp der Abschlagsz­ahlungen ist für viele Unternehme­n sehr bitter, denn die finalen Bescheide brauchen mit den aktuellen Regelungen eine halbe Ewigkeit“, kritisiert der stellvertr­etende Vorsitzend­e der FDP-Bundestags­fraktion, Michael Theurer, gegenüber unserer Redaktion. Mit dem Anhalten der Zahlungen steige auch die Gefahr weiterer Insolvenze­n und von noch mehr Arbeitslos­en. Der Grüne Dieter Janecek, Mitglied im Wirtschaft­sausschuss des Bundestage­s, nennt die Situation „ziemlich katastroph­al“. Aus Gesprächen mit Unternehme­rn wisse er, dass die Wut gerade bei kleineren Betrieben wachse: „Da braut sich was zusammen.“Immer wieder, sekundiert FDP-Mann Theurer, habe Wirtschaft­sminister Peter Altmaier schnelle Hilfen versproche­n, sein Wort aber immer wieder gebrochen. Wer jedoch, wie Altmaier, die steile These aufgestell­t habe, dass wegen Corona kein Arbeitspla­tz verloren und kein Unternehme­n pleitegehe­n soll, „für den sollte es eine Frage der Ehre sein, sich jetzt in aller Form zu entschuldi­gen“.

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Foto: Robert Michael, dpa Die Auszahlung der Corona‰Hilfen an Unternehme­n wurde zeitweise gestoppt, um Trickserei­en bei der Antragstel­lung zu verhindern.
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