Holz für NotreDame
In Paris beginnt nun offiziell die Rekonstruktion der weltberühmten Kathedrale. Experten haben die ersten Eichen markiert, mit denen die Turmspitze wieder errichtet werden soll
Paris Selten hat das Anschlagen einer kleinen weißen Tafel mit der Zahl eins darauf an einem Eichenbaum in Frankreich so ein Medieninteresse auf sich gezogen. Von lokalen und nationalen Kameras umringt hämmerten erst Landwirtschaftsminister Julien Denormandie, dann Kulturministerin Rose– lyne Bachelot auf den kleinen Nagel, an dem das Täfelchen nun hängt. Dann hielt jeder von ihnen noch eine feierliche Rede.
Denn diese Eiche im staatlichen Wald von Bercé, 200 Kilometer südwestlich von Paris, ist nicht irgendein Gewächs. Sie ist der erste von 1000 Bäumen, mit denen man die Turmspitze der Kathedrale Notre-Dame de Paris wieder aufbauen will. Ein Teil des Pariser Wahrzeichens war im April 2019 bei einem dramatischen Feuer abgebrannt. Frankreich erreicht so die nächste Etappe in Richtung seines ambitionierten Ziels, Notre-Dame im April 2024 wieder zu eröffnen.
Wie ungewohnt ein solches Medienspektakel im Wald für Politiker ist, zeigten auch Denormandies kryptische Worte: „Die Wälder haben schon immer eine große Rolle in der Geschichte unseres Landes gespielt, und zwar über Jahrhunderte
sagte er. „Und ich glaube, dass Notre-Dame, was ein Symbol unserer Geschichte ist, zeigt, in welchem Maße die Wälder Zeitgeschichte schreiben.“Seine MinisterKollegin Bachelot fügte hinzu: „Wir brauchen all dieses Holz, weil die Entscheidung getroffen wurde, die Kathedrale so wieder aufzubauen, wie sie vorher war, also vor dem Feuer und seit den Arbeiten des Architekten Eugène Viollet-le-Duc, die 1843 begannen.“
Der Brand an dem zum UnescoWeltkulturerbe gehörenden Gebäude vor rund zwei Jahren hatte für Entsetzen im Land und auf der ganzen Welt gesorgt. Massen an Schaulustigen beobachteten das Feuer bis spät in die Nacht hinein um die Kathedrale herum und schrien erschrocken auf, als die brennende Turmspitze in sich zusammenbrach. Außerdem verbrannten weite Teile des mittelalterlichen Dachstuhls.
Tagelang campten danach Fernsehteams aus aller Welt in der Nähe der Kathedrale und berichteten. Präsident Emmanuel Macron gelobte, Notre-Dame de Paris innerhalb von fünf Jahren wieder aufzubauen. Zunächst sprach er noch von der Möglichkeit, die Turmspitze zeitgenössisch zu gestalten. Im Sommer vergangenen Jahres gab er dann den Experten nach, die eine Rekonstruktion gemäß ihrer letzten Version gefordert hatten. Fast eine Milliarde Euro an Spenden haben große und kleine Geber für den Wiederhinweg“, aufbau zugesagt. Nun also, nach zwei Jahren Absicherungsarbeiten der Baustelle, die unter anderem die Covid-19-Pandemie verzögert hat, beginnt offiziell die Phase der Rekonstruktion.
Eiche Nummer eins ist eine von hunderten, die man bis Ende des Jahres fällen will. Die Bäume sollen jeweils zur Hälfte aus öffentlichen und privaten Wäldern im ganzen Land kommen. Insgesamt acht von ihnen stehen noch im Wald von Bercé – sie werden bis Ende des Monats fallen. Eine Hälfte der Bäume wird man für den Wiederaufbau des Spitzturms einsetzen, die andere für die Rekonstruktion des Dachstuhls. Dabei handelt es sich um besonders alte Bäume – die Nummer eins hat einen Durchmesser von einem Meter und eine verwertbare Höhe von 20 Metern.
Nach dem Fällen soll das Holz für zwölf bis 18 Monate gelagert werden, um dessen Feuchtigkeit auf etwa 30 Prozent zu senken. Im kommenden Jahr werden dann die Zimmerer auf den Plan treten. So könne die Kathedrale tatsächlich wie geplant 2024 wiedereröffnet werden, versprach zumindest Ministerin Bachelot, bevor sie den Wald von Bercé verließ. Selbst wenn viele Kenner diesen Zeitplan noch immer als unrealistisch einschätzen.