So geht das gemeinsame Singen online
Unter der Organisation von Hans-Georg Stapff trafen sich am Sonntagnachmittag bis zu 63 Teilnehmer im virtuellen Raum, um einen vierstimmigen Chor zu bilden
Donauwörth Menschen miteinander und mit Gott verbinden, das ist das Ziel des Notenkessels von Hans-Georg Stapff. Kaum ein Musikstil dürfte sich besser dafür eignen als Gospel – wie die Gospelbegegnung im Zoom-Meeting am Sonntagnachmittag bewiesen hat.
Ziemlich konstant über die erste Hälfte der drei Stunden begegnen sich hier 63 Teilnehmer, im zweiten Teil sind es 57. Alle reden sich mit dem Vornamen an und schnell bildet sich ein familiäres Zusammengehörigkeitsgefühl aus. Es wird viel gelacht, gescherzt und natürlich auch gesungen – wenn auch jeder für sich allein oder im Kreis der Familie wie Organisator Hans-Georg Stapff, der Frau und Tochter hinter sich auf dem Sofa sitzen hat und dreistimmig singen kann, weil ein Sopran in die Altstimme gewechselt ist, wie er verrät.
Die meisten haben es sich alleine im Wohnzimmer gemütlich gemacht, hier ist ein Sonnenblumenposter, dort ein Bücherregal, einmal auch eine Dartscheibe im Hintergrund zu erkennen. Nach Hans-Georgs Einstimmungslied „Frieden, wir haben Frieden mit Gott“, sendet er Grüße in die Welt, teilt eine Botschaft aus Neuseeland und begrüßt einige Teilnehmer persönlich, die sich mit kleinen Gesangseinlagen revanchieren.
Und dann ist Miriam Schäfer an der Reihe. Aufstehen und Stretching ist angesagt, Atem- und Stimmübungen folgen – angeleitet aus dem Ruhrpott, wo sie zuhause ist, mitgemacht in München, Augsburg, Ludwigsburg, Ingolstadt, Neuburg, Bayreuth, Mittel- und Unterfranken, Treuchtlingen, ja sogar auf Fuerteventura und natürlich im Donau-Ries. Was könnte da passender sein als „I’m one of a million faces“, mit dem sich Miriam nach einer Stunde verabschiedet. Zunächst aber hat sie „Thank you Lord“auf dem Programm – mit herzhaftem Halleluja des mehr als 60-köpfigen, zuhause sitzenden oder stehenden Chores, den Miriam zwar sehen, aber nicht hören kann. Denn die Mikrofone an Computer, Smartphone oder Tablet daheim müssen ausgeschaltet bleiben, sonst käme die Workshopleiterin nicht mehr durch.
Auf 60 Minuten Einstudieren der verschiedenen Stimmlagen folgt als Höhepunkt das gemeinsame Singen, das sie mit einer Choraufnahme vom Band unterlegt, sodass tatsächlich so etwas wie Chor-Feeling entsteht. Da kommt zur Pause fast mehr Bedauern auf als der Wunsch, „sich in die Schlange vor der Toilette einzureihen“, wie Hans-Georg augenzwinkernd Vorschläge zur Pausengestaltung abgibt, „es gibt auch welche im Keller“.
Den bringen andere mit Getränken in Verbindung, worauf sich ein heiteres Geplänkel um Getränke und Pausensnacks entwickelt. „Oli, hast du Zwiebelkuchen im Kühlschrank?“, fragt jemand. Nein, hat Oli nicht, „nur Muffins und Bier“. Inge erzählt, dass sie zweimal wöchentlich online mit Amerika singt. „Das hilft mir über die Zeit des Nichtsingens hinweg“, sagt sie.
Hanjo Gäbler hat sich gut amüsiert. „Die Bayern haben einen Charme wie eine Kreissäge“, stellt er lachend fest, „das wäre in Schleswig-Holstein so nicht möglich“. Den afroamerikanischen Soulsong „I will keep on“stellt er als „mein Leibgericht“vor, übt „blue note“und Crescendo (es ist schön, wenn der Schmerz nachlässt“), singt die vier Stimmlagen einzeln vor und entscheidet sich für Minderheitenhilfe: „Ich sing im Bass mit, weil das mit Abstand die wenigsten sind“.
Mit dem Traditional „He’s got the Whole World“und Gäblers Eigenkomposition „Soli deo Gloria“vergeht die zweite Stunde der Gospelbegegnung wie im Flug. Kein Wunder, dass sich viele noch nicht so schnell trennen können. Nach zehn Minuten sind immer noch die Hälfte der 58 Teilnehmer online, fast alle verabschieden sich mit Lob und Dank an Organisator und Referenten mit dem Tenor: „Es war so schön“und „Mehr davon“.