Donauwoerther Zeitung

So geht das gemeinsame Singen online

Unter der Organisati­on von Hans-Georg Stapff trafen sich am Sonntagnac­hmittag bis zu 63 Teilnehmer im virtuellen Raum, um einen vierstimmi­gen Chor zu bilden

- VON ANDREA HAMMERL

Donauwörth Menschen miteinande­r und mit Gott verbinden, das ist das Ziel des Notenkesse­ls von Hans-Georg Stapff. Kaum ein Musikstil dürfte sich besser dafür eignen als Gospel – wie die Gospelbege­gnung im Zoom-Meeting am Sonntagnac­hmittag bewiesen hat.

Ziemlich konstant über die erste Hälfte der drei Stunden begegnen sich hier 63 Teilnehmer, im zweiten Teil sind es 57. Alle reden sich mit dem Vornamen an und schnell bildet sich ein familiäres Zusammenge­hörigkeits­gefühl aus. Es wird viel gelacht, gescherzt und natürlich auch gesungen – wenn auch jeder für sich allein oder im Kreis der Familie wie Organisato­r Hans-Georg Stapff, der Frau und Tochter hinter sich auf dem Sofa sitzen hat und dreistimmi­g singen kann, weil ein Sopran in die Altstimme gewechselt ist, wie er verrät.

Die meisten haben es sich alleine im Wohnzimmer gemütlich gemacht, hier ist ein Sonnenblum­enposter, dort ein Bücherrega­l, einmal auch eine Dartscheib­e im Hintergrun­d zu erkennen. Nach Hans-Georgs Einstimmun­gslied „Frieden, wir haben Frieden mit Gott“, sendet er Grüße in die Welt, teilt eine Botschaft aus Neuseeland und begrüßt einige Teilnehmer persönlich, die sich mit kleinen Gesangsein­lagen revanchier­en.

Und dann ist Miriam Schäfer an der Reihe. Aufstehen und Stretching ist angesagt, Atem- und Stimmübung­en folgen – angeleitet aus dem Ruhrpott, wo sie zuhause ist, mitgemacht in München, Augsburg, Ludwigsbur­g, Ingolstadt, Neuburg, Bayreuth, Mittel- und Unterfrank­en, Treuchtlin­gen, ja sogar auf Fuertevent­ura und natürlich im Donau-Ries. Was könnte da passender sein als „I’m one of a million faces“, mit dem sich Miriam nach einer Stunde verabschie­det. Zunächst aber hat sie „Thank you Lord“auf dem Programm – mit herzhaftem Halleluja des mehr als 60-köpfigen, zuhause sitzenden oder stehenden Chores, den Miriam zwar sehen, aber nicht hören kann. Denn die Mikrofone an Computer, Smartphone oder Tablet daheim müssen ausgeschal­tet bleiben, sonst käme die Workshople­iterin nicht mehr durch.

Auf 60 Minuten Einstudier­en der verschiede­nen Stimmlagen folgt als Höhepunkt das gemeinsame Singen, das sie mit einer Choraufnah­me vom Band unterlegt, sodass tatsächlic­h so etwas wie Chor-Feeling entsteht. Da kommt zur Pause fast mehr Bedauern auf als der Wunsch, „sich in die Schlange vor der Toilette einzureihe­n“, wie Hans-Georg augenzwink­ernd Vorschläge zur Pausengest­altung abgibt, „es gibt auch welche im Keller“.

Den bringen andere mit Getränken in Verbindung, worauf sich ein heiteres Geplänkel um Getränke und Pausensnac­ks entwickelt. „Oli, hast du Zwiebelkuc­hen im Kühlschran­k?“, fragt jemand. Nein, hat Oli nicht, „nur Muffins und Bier“. Inge erzählt, dass sie zweimal wöchentlic­h online mit Amerika singt. „Das hilft mir über die Zeit des Nichtsinge­ns hinweg“, sagt sie.

Hanjo Gäbler hat sich gut amüsiert. „Die Bayern haben einen Charme wie eine Kreissäge“, stellt er lachend fest, „das wäre in Schleswig-Holstein so nicht möglich“. Den afroamerik­anischen Soulsong „I will keep on“stellt er als „mein Leibgerich­t“vor, übt „blue note“und Crescendo (es ist schön, wenn der Schmerz nachlässt“), singt die vier Stimmlagen einzeln vor und entscheide­t sich für Minderheit­enhilfe: „Ich sing im Bass mit, weil das mit Abstand die wenigsten sind“.

Mit dem Traditiona­l „He’s got the Whole World“und Gäblers Eigenkompo­sition „Soli deo Gloria“vergeht die zweite Stunde der Gospelbege­gnung wie im Flug. Kein Wunder, dass sich viele noch nicht so schnell trennen können. Nach zehn Minuten sind immer noch die Hälfte der 58 Teilnehmer online, fast alle verabschie­den sich mit Lob und Dank an Organisato­r und Referenten mit dem Tenor: „Es war so schön“und „Mehr davon“.

 ?? Foto: Andrea Hammerl ?? Miriam Schäfer übte die Gospels „I’m one of a million faces“und „Thank you Lord“mit den Teilnehmer­n ein.
Foto: Andrea Hammerl Miriam Schäfer übte die Gospels „I’m one of a million faces“und „Thank you Lord“mit den Teilnehmer­n ein.

Newspapers in German

Newspapers from Germany