Donauwoerther Zeitung

Ein Einschlag nach dem anderen

Das Rieskrater­museum könnte mit seinem einzigarti­gen wissenscha­ftlichen Ansatz zufrieden vor sich hinarbeite­n. Stattdesse­n sorgt eine Gemengelag­e für ständige Unruhe

- VON ROBERT MILDE

Nördlingen Man kann davon ausgehen, dass der Einschlag des Meteoriten vor rund 14,6 Millionen Jahren im Ries eine reichlich explosive Lage hinterließ. Die frei werdende Energie beim Auftreffen wurde auf mehrere 100.000 Hiroshima-Bomben geschätzt, Gesteinsbr­ocken flogen bis zu 70 Kilometer weit. Seit mehr als 30 Jahren bietet das Rieskrater­museum (RKM) in Nördlingen Einblicke in dieses spektakulä­re Ereignis sowie die folgende Phase, in der das durch die Katastroph­e fast vollständi­g ausgelösch­te Leben zurückkehr­te. Zweifellos ein Juwel unter den Museen der Region, das gepflegt sein will.

Was nicht immer einfach war und ist in den jetzt 31 Jahren des Bestehens des RKM. Man könnte von einer Gemengelag­e sprechen, ein Wort, das im allgemeine­n Sprachgebr­auch für eine unübersich­tliche Situation verwendet wird, etwa für widersprüc­hliche Interessen und Absichten unterschie­dlicher Personen. Was es ganz gut trifft.

Das Personal des Rieskrater­museums ist von Beginn an bei zwei Arbeitgebe­rn beschäftig­t. Den Leiter finanziere­n die Staatliche­n Naturwisse­nschaftlic­hen Sammlungen Bayerns, also der Freistaat, die restlichen Mitarbeite­r bezahlt die Stadt Nördlingen. Erster Leiter wurde 1990 Michael Schieber – eine im Nachhinein ungewöhnli­che Wahl, denn Schieber war kein Geologe, wie man es bei einem Museum dieses Zuschnitts erwarten würde. Vielleicht auch deshalb bekommt er

Diplom-Geologin Gisela Pösges zur Seite gestellt, die schnell zum Gesicht und Sprachrohr des Museums wird.

Pösges organisier­t Führungen und hält Vorträge bei Kongressen, aus der Nummer zwei in der Hierarchie des Rieskrater­museums wird – so scheint es zumindest nach außen – die Nummer eins. Ein Problem wird das aber erst später in der Chronologi­e.

Nämlich dann, als Schieber im Jahr 2010 in den Ruhestand geht. Professor Stefan Hölzl übernimmt auf Wunsch der Staatliche­n Naturwisse­nschaftlic­hen Sammlungen zuerst kommissari­sch, im Jahr 2013 dann endgültig die Leitung des Rieskrater­museums. In die Zeit dafällt ein unrühmlich­es Zwischensp­iel durch Elmar Buchner, dem nach Ablauf der Probezeit Ende 2011 gekündigt wird. Vor allem die Stadt Nördlingen hatte Unzufriede­nheit über die Zusammenar­beit geäußert. Buchner sei zu wenig präsent in Nördlingen, würde sich lieber um seine wissenscha­ftlichen Arbeiten kümmern, lautete eine mehrfach geäußerte Kritik. Der Gescholten­e wehrt sich wohl aus arbeitsrec­htlichen Gründen erst mit zwei Monaten Verzögerun­g und lässt dabei mit einem Detail aufhorchen: Für die Zukunft müsse man die Rolle des Fördervere­ins Freunde des Rieskrater­museums klären, der stellenwei­se zu viel Einfluss nehme, klagt der Wissenscha­ftler.

Der Fördervere­in sorgt vor allem in der Gründerpha­se des Museums, als die Strukturen erst geschaffen werden müssen, für wichtige Anschübe von außen, ehe er sich – folgt man nicht nur Buchner, sondern auch anderen interessie­rten Beobachter­n – zunehmend verselbsts­tändigt. Den Freundeskr­eis prägen Persönlich­keiten wie der erst kürzlich gestorbene Wulf-Dietrich Kavasch, Ralf Barfeld (bekanntlic­h der Partner von Gisela Pösges, allein deshalb eine Wahl mit Konfliktpo­tenzial) und zuletzt Oliver Sachs. Das Trio verbindet, dass sie allesamt leidenscha­ftliche Liebhaber des Rieses und seiner einzigarti­gen geologisch­en Geschichte sind, aber auch selbstbewu­sste Alphatiere, die am wissenscha­ftlichen Diskurs gerne ausgiebig teilhaben möchten.

Das wiederum geht Hölzl zu weit, seit dem Januar 2013 endgültig der Chef des Rieskrater­museums und ausgewiese­ner Fachmann mit zahlreiche­n wissenscha­ftlichen Veröffentl­ichungen. Also auch ein Alphatier, zudem eines, das – ganz Wissenscha­ftler – nur Schwarz oder Weiß kennt und ungern Kompromiss­e eingeht. Das führt später zum zwangsläuf­igen Bruch mit Pösges (sie arbeitet mittlerwei­le beim Geopark Ries) und zum Dauerstrei­t mit dem neuen Freundeskr­eis-Vorsitzend­en Oliver Sachs. Nördlingen­s Altoberbür­germeister Hermann Faul, mit dem Thema während seiner langen Amtszeit immer wieder befasst, spricht von verbesseru­ngsbedürft­iger Zusammenar­beit, Hölzl von „unterschie­dlichen Vorstellun­gen, die nie richtig ausgetausc­ht worden sind“.

Die feinste Feder der diplomatiz­wischen schen Formulieru­ng findet aber Oberbürger­meister David Wittner, der den Konflikt mit seinem Amtsantrit­t praktisch geerbt hat. Das Rieskrater­museum scheine „eine Kontinuitä­t zu haben, dass auf fachlicher Ebene unterschie­dliche Meinungen bestehen“, sagt das Stadtoberh­aupt auf Anfrage, um sofort zu ergänzen: „Das ist natürlich nicht im Sinne des Museums.“Die wissenscha­ftliche Hoheit habe aber eindeutig der Museumslei­ter, und das müssten auch alle anderen Beteiligte­n akzeptiere­n.

Ob das mit Hölzl und Sachs noch einmal was wird, darf vorsichtig bezweifelt werden. Das an Pfingsten 2020 letztlich wegen Corona ausgefalle­ne Jubiläum 30 Jahre Rieskrater­museum und Freundeskr­eis stampft Oliver Sachs allein aus dem Boden, und Museumslei­ter Hölzl steht dabei nicht einmal als Grußredner auf dem Programmen­twurf. Stefan Hölzl wiederum teilt die Sachs’sche Begeisteru­ng für den gerade erst vom Freundeskr­eis nach einer großen Spendenakt­ion erworbenen Stubenberg-Meteoriten ganz und gar nicht: Das Fundstück sei schön, aber wissenscha­ftlich komplett uninteress­ant.

„Das Rieskrater­museum scheint eine Kontinuitä­t zu haben, dass auf fachlicher Ebene unterschie­dliche Meinungen bestehen.“Oberbürger­meister David Wittner

 ?? Foto: Jim Benninger ?? Sehen auf diesem Bild alle zufrieden aus? Stefan Hölzl, Gisela Pösges und der damalige Oberbürger­meister Hermann Faul (von links) bei der „Langen Nacht des Rieskrater­museums“im Oktober 2012.
Foto: Jim Benninger Sehen auf diesem Bild alle zufrieden aus? Stefan Hölzl, Gisela Pösges und der damalige Oberbürger­meister Hermann Faul (von links) bei der „Langen Nacht des Rieskrater­museums“im Oktober 2012.

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