Streit ums Stäbchen
Schüler sollen sich jetzt zwei Mal pro Woche selbst testen. Lehrer und Eltern tragen das im Grundsatz mit, doch es gibt auch Kritik. Woran sich die entzündet und welche Regeln künftig an Bayerns Schulen gelten
Augsburg Bei der Vorstellung, dass alle Schüler in einem Klassenzimmer zeitgleich ihre Masken abnehmen und sich ein Wattestäbchen in die Nase schieben, könnte Günter Manhardt die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. „Da ist das Infektionsrisiko doch viel zu groß! Die Schüler fuchteln sich in der Nase herum und müssen womöglich niesen“, sagt der Schulleiter des Schmuttertal-Gymnasiums in Diedorf im Landkreis Augsburg. „Auf keinen Fall finden an unserer Schule diese Tests in den Klassenzimmern statt. Sondern in der Sporthalle oder im Freien“, fügt Manhardt, der auch Sprecher der Schulleiterinnen und Schulleiter der Gymnasien in Schwaben ist, hinzu. Er und seine Kollegen im ganzen Freistaat sollen nach den Osterferien die neue Strategie der Staatsregierung umsetzen: Testen, was das Zeug hält.
Bund und Länder haben sich Anfang der Woche darauf verständigt, dass die Corona-Tests für Schüler und Lehrkräfte ausgeweitet werden, es solle baldmöglichst zwei Testungen pro Woche geben, heißt es im gemeinsamen Beschluss von Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten der Länder. In Bayern sieht die Sache so aus: Liegt die Sieben-Tage-Inzidenz in Landkreis unter der kritischen 100er-Marke, sind die Tests, die an den Schulen durchgeführt werden, freiwillig – aber nachdrücklich empfohlen. Liegt sie darüber, dürfen am Präsenzunterricht nur Schüler teilnehmen, die entweder einen in der Schule gemachten negativen Selbsttest oder einen außerhalb der Schule von Fachpersonal durchgeführten und höchstens 48 Stunden alten negativen PCRoder POC-Antigentest vorweisen können. Zum Hintergrund: Eigentlich müssen die Schüler bei einem
Wert von über 100 in den Distanzunterricht. Doch in den Abschlussklassen sowie in der vierten Klasse der Grundschule und den Jahrgangsstufen 11 an Gymnasien, Fachoberschulen und Berufsoberschulen ist Präsenzunterricht mit Mindestabstand oder Wechselunterricht weiterhin möglich – eben mit negativem Test.
Die Ankündigung, dass sich Schüler künftig öfter testen sollen, löst Diskussionen aus. Kritik gibt es vor allem daran, dass die Tests von den Schülern selbst gemacht werden sollen und dass sie an den Schulen durchgeführt werden. Vom bayerischen Kultusministerium heißt es, die Tests seien so konzipiert, „dass sie die Schüler unabhängig von ihrem Alter eigenständig durchführen können“. Schulen seien aber keine Testzentren, sondern Orte des Lernens und Lehrens, bemängelt etwa der Bayerische Philologenverband, der die Lehrkräfte an Gymnasien und beruflichen Oberschulen vertritt. Generell unterstützt der Interessenverband aber die Testoffensive: „Sich zu testen, muss zur Normalität werden. Diese Solidarität können wir von jedem in der Gesellschaft einfordern“, sagt Michael Schwägerl, der Vorsitzende.
Auch der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband hält die Tests für sinnvoll, fordert aber, dass sie durch Fachpersonal oder durch die Eltern – am besten zu Hause – durchgeführt werden. „Weder ist der Gesundheitsschutz der Lehrkräfte noch der Schülerinnen und Schüler gewahrt, noch die Persönlichkeitsrechte der Kinder und Jugendlichen im Falle eines positiven Tests im Klassenzimmer“, heißt es in einem Brandbrief an Ministerpräsident Markus Söder.
Der Diedorfer Schulleiter Manhardt berichtet im Gespräch mit unserer Redaktion, dass ihm einige Eltern gesagt hätten, dass sie Tests in der Schule ablehnen. „Sie haben Angst, dass ihr Kind das nicht vereinem kraften könnte, wenn es bei einem positiven Ergebnis sofort isoliert werden muss.“Er selbst kann auch nicht so recht verstehen, warum die Corona-Tests nicht zu Hause am Frühstückstisch gemacht werden können. „Das Problem beim Testen in der Schule ist doch, dass man die Schüler erst einmal mit dem öffentlichen Nahverkehr fahren lässt, um danach vielleicht festzustellen, dass sie ansteckend sind.“
Manhardt sieht noch ein anderes Problem: Seiner Ansicht nach müssten die Tests für alle Schüler verpflichtend sein. Denn wenn nur wenige freiwillig mitmachten, sei die Schutzwirkung gering. „Insgesamt ist das ohnehin nur eine Behelfslösung. Angesichts des Infektionsrisikos in den Schulhäusern ist die einzig sinnvolle Lösung, schnell alle Lehrkräfte und Schüler zu impfen.“
Am Diedorfer Gymnasium sind – wie an vielen anderen Schulen in Bayern – bislang noch gar keine Tests angekommen. Für die Beschaffung und die Auslieferung an die Kreisverwaltungsbehörden sei das Gesundheitsministerium zuständig, erklärt das Kultusministerium. Bis zum Ende dieser Woche sollen demnach 9,5 Millionen Tests ausgeliefert sein.
Welchen Test seine Schule bekommt, weiß Schulleiter Manhardt noch nicht. Doch das ist nicht ganz unerheblich. Manhardt zufolge sind derzeit zwei Tests auf dem Markt, mit denen sich die Schüler künftig testen können. Der eine ist von der Firma Roche, der andere von Siemens. Beim Test von Roche sei die Pufferlösung zur Aufrechterhaltung eines stabilen pH-Werts bereits in den Reagenzgläsern, sagt der Schulleiter. „Jedes Kind kann sich also hinsetzen, den Abstrich in die Lösung tauchen und diese dann auf den Teststreifen träufeln. Das ist deutlich handlicher als der Test von Siemens. Da muss man die Lösung erst in die Reagenzgläser umfüllen. Ein ziemlicher Aufwand.“
Bei der ganzen Debatte schwingt übrigens noch eine andere Frage mit – die, wie zuverlässig die Tests eigentlich sind. Dass es Probleme geben kann, zeigt ein Fall aus Altdorf bei Nürnberg. Bei einer Reihentestung am Leibniz-Gymnasium sind dort 29 von 180 Schnelltests – keine Selbsttests – positiv ausgefallen. In diesen Fällen wurden zusätzliche PCR-Tests gemacht. Das Ergebnis: 28 von 29 Tests waren falsch-positiv, die Kinder waren also gar nicht infiziert. Einem Bericht des Portals
nordbayern.de zufolge kann sich das zuständige Landratsamt die hohe Fehlerquote nicht erklären, eine derartige Häufung falsch positiver Tests sei bisher noch nicht vorgekommen.
An vielen Schulen gibt es noch keine Tests