Donauwoerther Zeitung

Ein tierischer Fall vor Gericht

Ein Tier wurde aus dem Kesseltal nach Belzheim transporti­ert, obwohl es zu verletzt dafür gewesen sein soll. Vor dem Nördlinger Amtsgerich­t musste sich der Fahrer verantwort­en

- VON LISA GILZ

Landkreis Vier Uhr morgens an einem Apriltag 2020. Eine Kuh wird im Kesseltal auf einen Lastwagen aufgeladen. Eine Stunde später muss der Fahrer einen Tierarzt rufen, denn das Rind kann nicht mehr aufstehen. Der zuständige Tierarzt untersucht das Tier und stellt eine Fraktur am linken Bein fest. Er ordnet eine Notschlach­tung an. Der Fall hat juristisch­e Konsequenz­en. Es soll ein Vergehen nach dem Tierschutz­gesetz vorliegen. Doch im November 2020 legt der Angeklagte Einspruch ein.

Am Dienstag stand der 33-Jährige aus dem Ries nun vor Gericht. Samira Jessl, Vertreteri­n der Staatsanwa­ltschaft Augsburg, las die Anklagesch­rift im Amtsgerich­t Nördlingen vor. Der Angeklagte habe das Rind am 5. April 2020 rund 44 Kilometer aus dem Kesseltal nach Belzheim transporti­ert, obwohl das Tier bereits am 3. April Anzeichen für eine Fraktur zeigte. Es hätte früher von den Schmerzen erlöst werden müssen. Stattdesse­n litt es während des Transports zusätzlich.

Rieser Lastwagenf­ahrer gab an, nichts von einem Bruch gewusst zu haben. „Ich habe es selbst aufgeladen, es ist ganz normal die Rampe hochgelauf­en“, sagte der 33-Jährige. Er habe dabei keine Verletzung­en erkannt. Das Tier habe er ganz hinten angebunden und anschließe­nd eine der Trennwände geschlosse­n. Am Ende der Fahrt soll er bemerkt haben, dass das Rind mit dem linken Bein in der Trennwand hängen geblieben war. Der angeforder­te Tierarzt konnte für das Rind nichts mehr tun. Richter Nicolas Pfeil fragte den Angeklagte­n, welcher Grund ihm von dem Landwirt angegeben wurde, das Tier abzuholen. „Das Rind hätte die anderen Kühe im Stall aufgeregt, weil es brünftig war“, sagte der Angeklagte. So erklärte er sich auch, wieso das Tier versuchte, über die Trennwand zu springen.

Der Tierarzt wurde als erster Zeuge aufgerufen. Vor Ort hätte er das Rind untersucht. Vorne links konnte er eine Fraktur festellen. Er habe das notwendige Formular „Anlage 8“ausgefüllt, sagte der Tierarzt. Auf Nachfragen des Richters zum Alter der Wunde und ob der Angeklagte ihm etwas über deren Ursprung gesagt habe, konnte der Tierarzt nichts sagen. Von außen betrachtet sei es nicht möglich gewesen, das Alter eines solchen Bruchs zu bestimmen.

Die zweite Zeugin und Verantwort­liche in dem landwirtsc­haftlichen Betrieb im Kesseltal, aus dem das Rind abgeholt wurde, gab an, an dem Tag nicht anwesend gewesen zu sein. Auf die Fragen des Richters, ob sie wüsste, wieso das Rind abgeholt werden sollte, ob man in der Familie über das Tier gesprochen hatte und ob es bereits vorher verletzt gewesen war, verweigert­e die gebürtige Dillingeri­n die Antwort.

Als dritter Zeuge sagte der zuständige Amtstierar­zt aus, der vergangene­s Jahr den Hinweis bekam, dass es bei der Notschlach­tung Ungereimth­eiten gab. Die notwendige­n Dokumente seien nicht wie vorgeschri­eben unterzeich­net worden, erklärte der Amtstierar­zt. Des Weiteren sei es unwahrsche­inlich, dass der Bruch, wie er bei dem Tier vorlag, erst während der Fahrt entstanden sei. „Die Splitterfr­aktur entDer steht durch eine hohe Belastung des Knochens in Kombinatio­n mit einer Drehung“, sagte der Veterinärm­ediziner. Er habe deshalb mit der Zeugin telefonier­t. Bei dem Gespräch wurde ihm gesagt, dass das Tier bereits vorher gelahmt habe und allen Beteiligte­n die Verletzung bewusst gewesen sei. Ein Verfahren gegen den landwirtsc­haftlichen Betrieb sei deshalb im Kreis Dillingen schon angestoßen worden.

Die Frage, wann der Bruch wirklich entstanden ist, konnte am Ende der Verhandlun­g nicht geklärt werden. Der vierte Zeuge, der eventuell wichtige Angaben zum Zustand der Kuh hätte machen können, konnte aus gesundheit­lichen Gründen am Dienstag nicht aussagen. Verteidige­r, Richter und Staatsanwa­ltschaft konnten sich trotzdem einigen. Die Staatsanwa­ltschaft war bereit, die Anklage gegen Auflagen fallen zu lassen. Der Angeklagte muss in drei Raten 900 Euro an das Tierheim Hamlar spenden. Mit der letzten Zahlung wird das Verfahren endgültig eingestell­t. Die erste Rate muss der Lastwagenf­ahrer im Mai 2022 spenden.

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