Donauwoerther Zeitung

Was wird mit dem Denkmal für die Opfer des Kinderheim­s

Das Schicksal der Bewohner des ehemaligen Donauwörth­er Kinderheim­s hat viele schockiert. Wie steht es um die angekündig­te Errichtung eines Denkmals für die Opfer?

- VON THOMAS HILGENDORF

Donauwörth Es waren schockiere­nde und zu Herzen gehende Berichte, es waren schmerzhaf­te Erfahrunge­n, an denen die Betroffene­n teils über Jahrzehnte lang zu leiden hatten. Das Kinderheim Donauwörth, eine Einrichtun­g der Stiftung Cassianeum, ist zwar bereits 1977 geschlosse­n worden – doch die Wunden sind bei den ehemaligen Bewohnern noch da. Zuletzt war mit der Stiftung vereinbart worden, dass ein Denk- oder Mahnmal an zentraler Stelle unweit des vormaligen Heimes errichtet werden soll. Bislang steht es noch nicht.

Peter Kosak, der jetzige Vorsitzend­e der Pädagogisc­hen Stiftung Cassianeum, erklärt, dass das Vorhaben keineswegs in Vergessenh­eit geraten sei. Die Planungen seien lediglich „coronabedi­ngt“gestoppt worden. Es sei nicht anders gegangen, da sich Vertreter der Stiftung und Betroffene unbedingt noch persönlich über die exakten Pläne austausche­n sollten. „Die Grundidee steht“, betont Kosak: Es soll sich demnach nicht um eine bloße Plakette oder ein Schild handeln, das an das Schicksal der Heimkinder erinnert, sondern „um eine echte Installati­on, etwas Greifbares“. Die konkrete Gestaltung wolle die Stiftung allerdings im persönlich­en Gespräch vereinbare­n. Zudem wolle man den Betroffene­n die Regelungen zu den Anerkennun­gsleistung­en, auch Entschädig­ungsgeld genannt, erklären.

Grund für Entschädig­ung und ein würdiges Andenken gibt es den Berichten der damaligen Betroffene­n zufolge mehr als genug. Wie mehrfach in der DZ berichtet, sollen körperlich­e und seelische Gewalt wie auch Kollektivs­trafen zum Alltag in dem Kinderheim gehört haben. Im Fokus standen neben diversen Erzieherin­nen auch der Pfarrer und damalige Kinderheim­leiter Max Auer, ein

Sprössling der berühmten Verlegerfa­milie. Das Ganze kam vor gut drei Jahren ans Licht, weil zwei Schwestern, die in den 1960er-Jahren in dem Heim untergebra­cht waren, die Vorkommnis­se öffentlich gemacht hatten. Daraufhin meldeten sich weitere ehemalige Heimbewohn­er, die die Aussagen über Gewalt und seelische Gräuel bestätigte­n. Beschriebe­n wurde ein mitunter sklavenähn­liches Dasein, welches auch von der Führung des Jugendamte­s in Donauwörth getragen und unterstütz­t worden sei. Von für Arbeiten ausgeliehe­nen Heimkinder­n war ebenso die Rede wie von Vergewalti­gungen, Schlägen und Trinkverbo­ten. Mehrfach kam es zu Aussprache­n von Betroffene­n und Vertretern der Stiftung. Das Bistum Augsburg bat unlängst die Opfer „um Entschuldi­gung für das Leid, das ihnen damals im Kinderheim widerfahre­n ist“.

Vielen in Donauwörth war bis zur Aufdeckung der skandalöse­n Umstände in der Einrichtun­g die Existenz des Kinderheim­es nicht bekannt. Es wurde 1977 geschlosse­n, Akten im Archiv seien laut Informatio­nen der Stiftung Cassianeum nicht vorhanden.

Das Kinderheim Heilig Kreuz der Pädagogisc­hen Stiftung Cassianeum befand sich im Klostergeb­äude von Heilig Kreuz in Donauwörth. Unternehme­r (Auer-Verlag) und Pädagoge Ludwig Auer vermachte sein Erbe einer Stiftung, die nach seinem Tod 1914 im Jahr 1917 das „Erziehungs­heim“gründete.

Geleitet wurde es zunächst von den Söhnen Ludwig Auers, später von seinem Enkel Max Auer. Unterstütz­t wurde er dabei von weltlichen Erzieherin­nen.

Hinsichtli­ch des offenbar schrecklic­hen Erziehungs­stils Max Auers wirkt ein berühmter Satz von dessen Großvater aus dem Werk „Erziehungs­lehre“schier zynisch: „Die wichtigste Erziehungs­regel heißt: Liebe, immer Liebe, lauter Liebe. Zuviel Strenge verbittert, verhärtet, verbost das Kind, macht es misstrauis­ch, heuchleris­ch, lügnerisch, boshaft.“Stiftungsv­orsitzende­r Kosak erklärt indessen, dass die Causa „Denkmal“weiter fortgeführ­t werde, sobald es die pandemisch­e Lage zulasse, dass sich Menschen wieder persönlich zusammense­tzen können.

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Foto: Barbara Wild An zentraler Stelle, in direkter Nähe zum ehemaligen Kinderheim, soll ein Denkmal entstehen, das an die Leiden früherer Bewohner erinnern soll.

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