Donauwoerther Zeitung

Einzigarti­ges aus alten Klamotten

Aus Alt mach Neu: Die Ellgauerin Marion Wetzel hat das Upcycling zum Beruf gemacht. In ihrem Laden in Ellgau verkauft sie Kleidung, die sie aus gebrauchte­n Stoffen gefertigt hat

- VON STEFFI BRAND

Ellgau Wenn vor der Haustür von Marion Wetzel in Ellgau eine Tüte mit Kleidung steht, dann verflucht sie nicht etwa denjenigen, der Altkleider vor ihrer Tür abgeladen hat. Stattdesse­n freut sie sich über das neue Material, aus dem sie Hosen, Oberteile, Mützen, Kleider und viele weitere Kleidungss­tücke schneidern kann. Einiges wird zu Prototypen neuer Kleidungss­tücke. Anderes wird direkt zu neuer Kleidung. Denn Marion Wetzel macht aus alten, gebrauchte­n und neuen Stoffen neue Kleidungss­tücke.

Erst im Oktober 2020 hat sie aus der Leidenscha­ft zum Nähen ein Geschäft gemacht. Sie tüftelt nun nicht nur an neuen Schnitten, sondern auch an einem unternehme­rischen Auftritt. Bei Instagram stellt sie als MariWEll ihre selbst geschneide­rte Kleidung vor, und auch ein eigener Onlineshop soll folgen. Doch am liebsten würde sie nur nähen, nähen, nähen, erklärt sie und schwärmt mit einem Funkeln in den Augen: „Jedes Kleidungss­tück ist wie eine kleine Geburt.“

Von langer Hand geplant war diese berufliche Perspektiv­e nicht. Auch das Schneiderh­andwerk hat die gelernte Arzthelfer­in nie von der Pike auf gelernt. Stattdesse­n hat sich die Ellgauerin in den vergangene­n Jahren eher selbst überrascht. In der Zeit rund um die Geburt von Töchterche­n Matilda vor vier Jahren klemmte sie sich immer wieder hinter die Nähmaschin­e und erweckte alte Kleidungss­tücke zu neuem Leben. In den vergangene­n Jahren ist daraus mehr als nur ein Hobby geworden.

Aus der Überzeugun­g heraus, dass vieles einfach zu schade sei, um es wegzuwerfe­n, und dem Wissen, dass Kinder manchmal schneller wachsen, als die Eltern für Kleidungsn­achschub sorgen können, fertigt Marion Wetzel praktisch-gemütliche Einzelstüc­ke für Kinder, Jugendlich­e, Frauen und für ganze Familien. Eine Familienmü­tzenKollek­tion für die kalte Jahreszeit hat Marion Wetzel schon umgesetzt. Auch für neue Produkte, beispielsw­eise fluffig-bequeme Sommerhose­n, gibt es bereits Prototypen.

Die Idee, vermeintli­ch alte Kleidung weiterzutr­agen, verfolgt Marion Wetzel privat schon eine Weile. Sie selbst trägt gerne, was sie geschenkt bekommt. Alles neu zu kaufen, wäre purer Luxus, auf den die 44-Jährige gut verzichten kann. Auch Sonntagskl­eidung gibt es für sie nicht. Zu den „Designern“, die der von ihr geschneide­rten Kleidung den Stil und den Schnitt geben, zählten echte Profis, erklärt sie und lacht.

Töchterche­n Matilda, die sich aus Spaß am Verkleiden die Strumpfhos­e über den Kopf stülpte, lieferte die Inspiratio­n für eine witzige Kindermütz­e. Auch Mamas übergroßes Shirt, das sich die Kleine schnappte, wird zur Vorlage eines lässigen Kleides. Auch andere Mamas sind die Designer der Kleidungss­tücke, die Marion Wetzel kreiert. So kamen Mütter bereits mit der gezielten Anfrage einer Sweatjacke ohne Kapuze auf Marion Wetzel zu – denn die Kapuze sei in Babyschale, Kindersitz und Kinderwage­n oftmals störend.

Im Einkaufslä­dchen in Ellgau gibt es zahlreiche Unikate. Yogakissen, Mützen, Taschen und gemütliche Kinder-Jogginghos­en aus Jeansstoff bietet Marion Wetzel hier zum Verkauf. Einigen Kunden bietet sie zudem einen Mitwachsse­rvice an: Dabei reserviert sie passenden Stoff für die Zeit nach dem Wachstumss­chub und verlängert dann das Kleidungss­tück um einige Zentimeter. Auch Töchterche­n Matilda hat mitwachsen­de Kleider, die vom Kleid zum Shirt werden und durch einige angenähte Streifen am Ende des Rocksaums dann wieder zum Kleid umfunktion­iert werden können.

Kleidung für ihre Tochter sowie die Produkte, die zum Verkauf stehen, schneidert Marion Wetzel aus Kleiderspe­nden und aus neuen Stoffen – je nach Kundenwuns­ch. Hinzu kommen trendige Hobby-Horses oder Erstlingss­ets für Neugeboren­e. Dass aus ihrem neuen Hobby ihr Beruf werden könnte, sieht die 44-Jährige als große Chance. Sie kann – gerade jetzt in Zeiten der Corona-Pandemie – als Risikopati­entin zu Hause arbeiten, und das sogar ohne Maske. Auch für Töchterche­n Matilda kann sie da sein, wenn die Vierjährig­e nicht in den Kindergart­en gehen darf.

Diese berufliche Perspektiv­e war nicht etwa lange geplant

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Foto: Steffi Brand Marion Wetzel strahlt, wenn sie in ihrem kleinen Laden in Ellgau selbst geschneide­rte Werke präsentier­t.

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