Donauwoerther Zeitung

Illegale Fallen, tote Greifvögel: Wenn die Natur zum Tatort wird

In Bayern werden immer wieder Greifvögel vergiftet, Luchse erschossen und illegale Fallen aufgestell­t. Wie viele Fälle es gibt und wie schwierig die Suche nach den Tätern ist

- VON STEPHANIE SARTOR

München Die drei Vögel liegen regungslos auf dem braunen Waldboden. Die Köpfe sind merkwürdig verdreht, die Füße mit den scharfen Krallen verkrampft. Die Mäusebussa­rde, die eine Spaziergän­gerin Ende März in der Nähe von Leiblfing in Niederbaye­rn gefunden hat, wurden vermutlich vergiftet und dann eine Böschung hinunterge­worfen. „Wir müssen davon ausgehen, dass mindestens einer der Mäusebussa­rde zu diesem Zeitpunkt noch gelebt hat“, sagt Andreas von Lindeiner vom bayerische­n Landesbund für Vogelschut­z (LBV). Denn in den Krallen befanden sich Efeublätte­r, die in der Umgebung der Fundstelle nur am Fuß der Böschung wachsen und die der Vogel im Todeskampf wohl abgerissen hat.

Dokumentie­rt ist dieser Fall beim Projekt „Tatort Natur“, das – wie der prägnante Name schon vermuten lässt – gegen die Naturschut­zkriminali­tät in Bayern kämpft. Also: Gegen die illegale Verfolgung oder Tötung geschützte­r Wildtiere oder die Zerstörung ihrer Lebensstät­ten. Am Donnerstag wurde nun ein Report des Projektes vorgestell­t – mit erschütter­nden Ergebnisse­n.

Der Bericht listet für die Jahre 2019 und 2020 insgesamt 75 gemeldete Fälle mit 121 getöteten Wildtieren aus 17 geschützte­n Arten auf – aktuelle Fälle wie etwa die drei getöteten Mäusebussa­rde in Niederbaye­rn tauchen darin noch nicht auf. Opfer wurden dem Report zufolge häufig Greif- oder Eulenvögel wie Rotmilane, Mäusebussa­rde, Uhus oder Turmfalken. „Wir haben es überwiegen­d mit Vergiftung­en zu tun“, sagt von Lindeiner, einer der Projektlei­ter. Im Landkreis Cham etwa wurde 2019 ein ganzer Schwarm Stare mit dem in der EU verbotenen Insektizid Carbofuran vergiftet – das Mittel taucht in der Übersicht noch häufiger auf. Viele Tiere starben aber auch in Fallen, die mit Ködern bestückt waren, oder wurden erschossen, wie etwa ein Baumfalke im Frühling 2019 im Landkreis Deggendorf. Der tote Vogel wurde „dann provokant an einem Baum kopfüber aufgehängt“, wie es im Report der Naturschüt­zer heißt, der auch darauf hinweist, dass es wohl eine hohe Dunkelziff­er gibt.

Vögel werden besonders häufig Opfer von Kriminelle­n, aber auch und Luchse werden verfolgt. Im Report, der die vergangene­n zwei Jahre beleuchtet, ist von fünf Bibern und zwei Luchsen die Rede. Es gibt aber auch aktuelle Vorfälle: Erst am Donnerstag wurden den Naturschüt­zern von „Tatort Natur“drei geköpfte Biber gemeldet. Die Tiere wurden von einer Spaziergän­gerin in der Nähe von Freising am Rande eines Golfplatze­s gefunden.

Für die Taten, die im Report aufgezählt werden, gibt es viele Motive. Oft handele es sich um Jäger, Geflügel- und Taubenhalt­er, die in Greifvögel­n oder Luchsen Konkurrent­en oder Gefahren sehen, machen die Umweltschü­tzer deutlich. „Manchmal sind es auch Trophäensa­mmler“, sagt von Lindeiner. Das zeige sich etwa dann, wenn einem toten Luchs die auffällige­n Ohren oder die Krallen abgeschnit­ten wurden. „Es gibt aber auch Menschen, die einfach Spaß daran haben, Tiere zu quälen. Und manche wollen durch solche Taten auch ihren Hass gegen die Naturschüt­zer zum Ausdruck bringen“, fügt von Lindeiner noch hinzu.

Das Problem der Naturschüt­zer: Die Kriminelle­n sind nicht leicht zu schnappen. Ein Großteil der Fälle bleibt unentdeckt und für die Täter somit folgenlos. Laut dem „Tatort Natur“-Report hatte nur einer der 75 registrier­ten bayerische­n Fälle aus den vergangene­n zwei Jahren rechtliche Konsequenz­en: Das Amtsgerich­t Rosenheim verhängte wegen eines illegal per Falle gefangenen und getöteten Bibers eine Geldstrafe in Höhe von 1500 Euro.

Unterlasse­ne Meldungen, eine lückenhaft­e und dezentrali­sierte Dokumentat­ion und eine mangelnde Datenlage führten bislang dazu, dass Polizei und Staatsanwa­ltschaft kaum Ermittlung­sansätze hatten und so auch keine Verurteilu­ngen stattfinde­n konnten. Präzedenzf­älle seien aber essenziell, um Täter nachhaltig abzuschrec­ken, heißt es im Report. Im Projekt „Tatort Natur“, eine Kooperatio­n von LBV und der GreBiber gor Louisoder Umweltstif­tung, sei für Bayern erstmalig eine Meldeplatt­form mit integriert­er Datenbank für Naturschut­zkriminali­tätsfälle geschaffen worden, um solche Lücken im System zu schließen. „Hierbei ist das Projekt jedoch auf regelmäßig­e und zuverlässi­ge Fütterung der Daten und Untersuchu­ngsergebni­sse – nicht nur von der Bevölkerun­g, sondern insbesonde­re auch von Behördense­ite – angewiesen, was bis dato noch nicht zufriedens­tellend geregelt ist“, heißt es im Report weiter.

Vieles habe sich schon getan, sagt Norbert Schäffer, der Vorsitzend­e des LBV. Die Polizei reagiere heute anders als noch vor fünf Jahren. „Über diese Entwicklun­g bin ich sehr froh. Denn dieses illegale Verfolgen und gezielte Töten von hoch bedrohten Arten ist unerträgli­ch.“

Die meisten Fälle von Naturschut­zkriminali­tät gab es in den vergangene­n beiden Jahren übrigens in Mittelfran­ken, gefolgt von Niederbaye­rn und der Oberpfalz. Die wenigsten wurden in Schwaben und Unterfrank­en dokumentie­rt.

Nur in einem Fall gab es rechtliche Konsequenz­en

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Foto: Bettina Schröfl, LBV Diese drei toten Mäusebussa­rde wurden von einer Spaziergän­gerin entdeckt. Die Tiere wurden vermutlich vergiftet und dann eine Böschung hinunterge­worfen.

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