Donauwoerther Zeitung

Die Freiheit der Möglichkei­t

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Zum Interview „Menschen brauchen Hil‰ fe, nicht die Giftampull­e“(Bayern) mit der Vorsitzend­en des Bayerische­n Ethik‰ rats vom 16. April:

Frau Breit-Keßler stellt sich vehement gegen jede Möglichkei­t eines assistiert­en Suizids. Als Meinung steht ihr das selbstvers­tändlich zu, aber sie hat ja nicht nur ihre Meinung, sondern zusammen mit anderen Menschen in einflussre­ichen Positionen versucht sie, ihre Überzeugun­gen weiterhin verbindlic­h gerade für diejenigen zu halten, die diese nicht teilen. Wer Suizid grundsätzl­ich für Sünde gegenüber einem personalen Gott hält, dürfte von diesem Verbot kaum betroffen sein, denn sie oder er wird diesen Weg ohnehin nicht gehen. Wer aber eine andere Philosophi­e oder einen anderen Glauben hat, mag die Dinge ganz anders sehen. Ich bin selbst unheilbar erkrankt und habe einigen Grund, darüber nachzudenk­en, ab welchem Punkt das Leben für mich nur noch fremdbesti­mmt oder ganz zur Qual werden könnte. Eine ebenfalls schwer erkrankte Freundin, die in einem Land lebt, dessen Recht in etwa dem (rechtsgült­igen!) Spruch des Bundesverw­altungsger­ichts vom Februar 2020 entspricht, hat mir gesagt, dass sie schon längst die Dosis zu Hause hat für den Fall, dass sie nicht mehr weiterkann. Inzwischen kämpft sie aber und genießt das Leben, so viel sie kann. Sie ist damit auch keine Ausnahme, denn Studien über unheilbare Patienten in Ländern, wo es eine solche Möglichkei­t gibt, zeigen deutlich, dass letztlich nur etwa ein Viertel tatsächlic­h davon Gebrauch machen. Aber alle Befragten sprechen davon, wie sehr das Wissen, selbst über das Ende bestimmen zu können, beruhigt und die Lebensqual­ität verbessert. Deshalb finde ich es skandalös, mit welchen Kniffen („geschäftsm­äßig“ist hier ein Zauberwort) versucht wird, die Umsetzung gültigen Rechts zu verhindern oder wenigstens so lange wie möglich zu verzögern. Gerhard Veith, Augsburg

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