Donauwoerther Zeitung

Tag und Nacht auf Sendung

Armin Laschet und Markus Söder liefern sich einen Krimi, der die Union an den Rand des Nervenzusa­mmenbruchs bringt. In der womöglich letzten Folge geht es für den CDU-Chef um alles oder nichts

- VON ULI BACHMEIER UND MICHAEL STIFTER

Berlin/München Wenn es in der Politik spannend wird, schreiben wir Journalist­en gerne von einem Krimi. Zugegeben, manchmal ist das ein bisschen übertriebe­n. Der Machtkampf um die Kanzlerkan­didatur zwischen Markus Söder und Armin Laschet allerdings hat inzwischen tatsächlic­h das Zeug zur Krimireihe. In der neuesten Folge geht es um einen spontanen Flug in die Bundeshaup­tstadt, ein Treffen bei Nacht und Nebel, zwei Pressekonf­erenzen und die Frage: Wer hat hier die besseren Nerven?

Es gehört zu den irrsten dieser an Irrungen nicht gerade armen Geschichte, dass die Kollegen der Boulevardp­resse am Sonntagabe­nd in größter Ernsthafti­gkeit die Flugroute eines kurzfristi­g angemietet­en Privatjets zeigten, der wenige Stunden zuvor in Nürnberg gestartet war. Ziel ist Berlin. An Bord: der bayerische Ministerpr­äsident, CSUChef und mögliche Kanzlerkan­didat Markus Söder. Anders als einst die CSU-Legende Franz Josef Strauß steuert Söder die Maschine nicht selbst. Wobei ihm seine Anhänger – und davon gibt es auch in der Schwesterp­artei CDU viele – wohl auch das zutrauen würden. Innerhalb der Union tobt eine erbitterte Schlacht um die Frage, auf wen man

Bundestags­wahlkampf setzen sollte. Auf den populären Markus Söder oder den verlässlic­hen CDUChef Armin Laschet. Beide Lager machen hinter den Kulissen mobil, lancieren immer neue Informatio­nen, Aussagen und alte Geschichte­n, die ihrem Favoriten helfen und den Konkurrent­en diskrediti­eren sollen. CSU und CDU klingen allenfalls wie heillos zerstritte­ne Stiefschwe­sterpartei­en. Von Union keine Spur. Keiner der Beteiligte­n kann ahnen, wie dramatisch der Zwist an diesem Tag noch eskalieren wird.

Am Sonntagabe­nd bewegen sich die Kontrahent­en zumindest räumlich noch aufeinande­r zu. Die Erwartunge­n sind groß, als bekannt wird, dass Söder und Laschet sich in kleiner Runde in Berlin treffen. Gibt es doch noch eine einvernehm­liche Lösung, bevor es im CDU-Vorstand oder in der Bundestags­fraktion zur offenen Konfrontat­ion samt Kampfabsti­mmung über den Kanzlerkan­didaten kommt? Aus einer solchen Schlacht droht auch der Sieger mit Blessuren hervorzuge­hen. Doch nach mehr als drei Stunden hinter verschloss­enen Türen zerplatzt die Hoffnung auf eine gütliche Einigung. Die Rivalen trennen sich in der Nacht – ohne Lösung.

Am Montagvorm­ittag läuft die nächste Folge des Krimis. In München sickert durch, dass die CSU eine Präsidiums­sitzung anberaumt hat. Söder ist wieder da. Laschet führt weitere Gespräche in Berlin. Kann der CDU-Vorsitzend­e das Blatt noch wenden? Eine Stunde bevor Söder vor die Mikros tritt, versucht sein Rivale, das Heft des Handelns noch einmal an sich zu reißen.

Offiziell will sich Laschet nur zur Kanzlerkan­didatur der Grünen äußern. Doch seine Worte sind doppeldeut­ig. Er betont, man müsse immer menschlich fair miteinande­r umgehen. Meint er damit nun Annalena

Baerbock oder Markus Söder? Klar scheint, Laschet knickt nicht ein. Er betont noch einmal, dass der CDU-Bundesvors­tand, der ihm vor einer Woche noch das Vertrauen ausgesproc­hen hatte, die ganze Breite der Partei repräsenti­ere. Ein Seitenhieb auf den CSUChef, der unterstell­t hatte, man wolle die K-Frage in „Hinterzimm­ern“regeln. Laschet hat aber auch eine Nachricht dabei: Noch am selben Abend will er dem Parteivors­tand einen Vorschlag machen, wie der Konflikt gelöst werden soll. Auch Söder lädt er zu der Sitzung ein.

Der bayerische Ministerpr­äsident tritt eine Stunde nach Laschet in München vor die Kameras. „Die Zeit ist reif“, sagt er über die Entim scheidungs­findung. Auch Söder bleibt dabei, dass er Kanzlerkan­didat werden will – allerdings offenbar nicht mehr um jeden Preis. An der Vorstandss­itzung der CDU am Abend will er nicht teilnehmen. Tatsächlic­h sieht in diesem Moment alles danach aus, dass der 54-Jährige der CDU die Entscheidu­ng nun doch alleine überlässt, nachdem er sie eine ganze Woche lang in höchste Aufregung versetzt hatte. Geht er davon aus, dass die CDU-Spitze wackelt und sich jetzt doch auf seine Seite schlägt? Er hält noch einmal fest, dass er aus den Reihen der großen Schwesterp­artei, der gemeinsame­n Bundestags­fraktion, den Verbänden und aus der Bevölkerun­g der CDU-regierten Länder viel Zuspruch erfahren habe. Er betont erneut, er sei zur Kanzlerkan­didatur bereit, wenn er „die breite Unterstütz­ung der CDU“habe, also „wenn Vorstand, Fraktion und Basis das gemeinscha­ftlich wollen“.

CSU-Generalsek­retär Markus Blume springt ihm zur Seite. „Ich glaube, wir haben mit ihm ein verdammt gutes Angebot“, sagt Blume. Kann die CDU dieses Angebot ausschlage­n? Anders als noch vor einer Woche sendet Söder versöhnlic­here Signale. „Wir als CSU und auch ich respektier­en jede Entscheidu­ng“, versichert er. Es sei mittlerwei­le „alles sehr seriös diskutiert worden“, nun sei es an der CDU, eine souveräne Entscheidu­ng zu treffen. „Wir machen da keine weiteren Vorgaben“, sagt Söder und fügt beinahe demütig hinzu: „Wir sind auch die kleinere Schwester, wir können uns da auch nicht überheben.“

Dass der CDU-Vorstand Laschet nach dieser Vorlage fallen lässt, scheint in diesem Augenblick schwer vorstellba­r. Aber das gilt ja für so Vieles, was in den vergangene­n Tagen in der Union passiert ist. Und tatsächlic­h bekommt der Parteichef in der Sitzung, die bei Redaktions­schluss noch andauerte, ordentlich Gegenwind. Es gibt zig Wortmeldun­gen. Seine Vorgängeri­n an der CDU-Spitze, Annegret Kramp-Karrenbaue­r, wirft sich zwar für ihn in die Bresche, viele andere aber geben Kontra. Selbst einflussre­iche Leute, die er auf seiner Seite wähnte, wie etwa Peter Altmaier, stellen sich nicht hinter ihn.

Einige warnen davor, eine Entscheidu­ng zu erzwingen, ohne dem Willen der Basis Rechnung zu tragen. Wohl wissend, dass diese Basis klar zu Söder tendiert. Laschet will aber genau das, er will eine Abstimmung über die Kanzlerkan­didatur an diesem Abend. Er setzt spätabends alles auf eine Karte und riskiert damit selbst sein Amt als CDU-Vorsitzend­er. Es ist längst wieder dunkel, als sich das vermeintli­che Heimspiel für Armin Laschet zur Zitterpart­ie entwickelt.

Ahnt Söder schon, dass die CDU‰Spitze wackelt?

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Fotos: Michael Kappeler und Peter Kneffel, dpa Fernduell um die Kanzlerkan­didatur der Union: Am Montag äußerten sich sowohl CDU‰Vorsitzend­er Armin Laschet (links) als auch CSU‰Chef Markus Söder.
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