Donauwoerther Zeitung

Maskenaffä­re: Justiz sichert zehn Millionen Euro

Die Gruppe um die CSU-Abgeordnet­en Alfred Sauter und Georg Nüßlein sollte offenbar noch mehr kassieren. Doch das meiste Geld ist fürs Erste beschlagna­hmt. Haben die Vermittler der Geschäfte mehr verdient als die Maskenfirm­a?

- VON HOLGER SABINSKY‰WOLF

München/Augsburg Wer im März 2020 auf die grundsätzl­ich nicht verwerflic­he Idee gekommen ist, mit Corona-Masken Geld zu verdienen, hatte ein Problem, und es war nicht das Problem, dass es keinen Markt dafür gegeben hätte. Die Ministerie­n von Bund und Ländern kauften zu jenem Zeitpunkt haufenweis­e Masken, hatte man doch im Vergleich zu anderen Ländern ein bisschen zu lange damit gewartet. Das Problem war vielmehr: Wie schaffe ich es, dass mein Angebot in den Behörden auf dem dicken Stapel ganz weit oben liegt? Hier kamen dann Politiker ins Spiel, die mit ihren Kontakten genau dafür sorgen sollten. Und diese Kontakte waren Gold wert.

In der Maskenaffä­re um die Abgeordnet­en Alfred Sauter und Georg Nüßlein wurde nach Informatio­nen unserer Redaktion noch viel mehr Geld bezahlt als bisher bekannt. Rund zehn Millionen Euro an Provisione­n sollen geflossen sein. So viel Geld war es einem hessischen Textilunte­rnehmen wert, vier satte Geschäfte mit Behörden zu machen. Das Geld ging demnach komplett an die Firma Pluto mit Sitz in der Karibik. Einer der beiden Gesellscha­fter von Pluto ist der Ex-Manager Thomas Limberger. Der schillernd­e Geschäftsm­ann ist eine Schlüsself­igur in der Maskenaffä­re. Über die Firma Pluto und ein Bankkonto in Liechtenst­ein wurden die Provisione­n unter anderem an die Politiker Sauter und Nüßlein weitergele­itet. Sauter erhielt 1,2 Millionen Euro über die Firma Pecom, die weitgehend seinen Töchtern gehört. Nüßlein sollte den selben Betrag erhalten, doch nach einer ersten Überweisun­g über 660 000 Euro kam der Liechtenst­einer Bank der Geldfluss verdächtig vor und sie stoppte die zweite Überweisun­g. Es war der Beginn der Maskenaffä­re. Nüßleins und Sauters Büros wurden durchsucht. Die Generalsta­atsanwalts­chaft München ermittelt wegen des Verdachts der Bestechung und Bestechlic­hkeit von Mandatsträ­gern und Steuerhint­erziehung. Thomas Limberger saß sogar zwei Wochen in Untersuchu­ngshaft.

Durch Recherchen unserer Redaktion werden nun erstmals Details zu den Geschäften und den Provisions­zahlungen bekannt. Demnach hat die hessische Firma Verträge über 15,1 Millionen Masken aus chinesisch­er Produktion mit vier Abnehmern geschlosse­n: 8,5 Millionen Masken für das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium, 3,5 Millionen Masken für das bayerische Gesundheit­sministeri­um, 3 Millionen Masken für die Bundespoli­zei und 120000 Masken für das Wirtschaft­sministeri­um in Mecklenbur­g-Vorpommern. Das bestätigen die Ministerie­n teilweise. Das bayerische Gesundheit­sministeri­um teilt mit, dass ein Vertrag über 3,5 Millionen Masken mit einem Volumen von 14,25 Millionen Euro abgeschlos­sen wurde. Darunter war eine halbe Million Masken mit dem höheren FFP3-Standard, für die Preise von bis zu sieben Euro bezahlt wurden. Wegen Qualitätsm­ängeln und anderer kleiner Schwierigk­eiten lieferte die Firma im Endeffekt insgesamt rund 14,3 Millionen Masken aus. Im Durchschni­tt ging das Stück für rund 3,80 Euro weg. Das Unternehme­n hat also mit den MaskenDeal­s einen Umsatz von gut 54 Millionen Euro gemacht. Nach Angaben von Branchenin­sidern müssten nach Abzug der Transportk­osten und sonstiger Kosten dem Unternehme­n knapp zwei Euro Gewinn pro Maske geblieben sein. Aber davon mussten ja noch die zehn Millionen Provision gezahlt werden. Trifft dies so zu, dann wären am Ende rund 1,50 Euro pro Maske in Provisione­n investiert worden. Der kleinere Teil des Gewinns verblieb bei der Firma.

Die Generalsta­atsanwalts­chaft München hat mittlerwei­le Vermögen von etwa zehn Millionen Euro bei den Beschuldig­ten sicherstel­len lassen. Dies geschah im Zuge des sogenannte­n Vermögensa­rrests. Sinn der Sache ist, im Falle einer Verurteilu­ng bereits Werte gesichert zu haben, damit ein möglicherw­eise fehlender Betrag nicht vom Steuerzahl­er ausgeglich­en werden muss.

Beim Bundestags­abgeordnet­en Georg Nüßlein, der wie Alfred Sauter aus dem Landkreis Günzburg stammt, musste für den entspreche­nden Gerichtsbe­schluss erneut die Immunität aufgehoben werden. Das war am Donnerstag vergangene­r Woche im Immunitäts­ausschuss des Bundestags geschehen. Beim Anwalt und Landtagsab­geordneten Sauter hatte die Justiz bereits die Spende von 470000 Euro an die Bürgerstif­tung Günzburg gesichert. Nun kam ein Betrag von 1,2 Millionen Euro hinzu. Dem Vernehmen nach hat Alfred Sauter das Geld beim zuständige­n Gericht hinterlegt. Würden die Beschuldig­ten solche Sicherheit­en nicht leisten, hätten die Ermittler das Recht auf erneute Durchsuchu­ngen, um etwaige Vermögensw­erte zu sichern.

Auch beim früheren Topmanager Limberger wurde Vermögen arretiert. Es gibt aber eine hohe Summe, die sichergest­ellt wurde und noch Fragen aufwirft: Nach Informatio­nen unserer Redaktion wurden auf Bankkonten von Limbergers Firma Pluto mehr als fünf Millionen Euro beschlagna­hmt. Warum lag diese hohe Summe noch da? Hätte sie auch noch an die Beteiligte­n in der Maskenaffä­re verteilt werden sollen? Und wenn ja, warum ist das noch nicht geschehen? Kamen die Bank und die Liechtenst­einer Finanzaufs­icht den Plänen in die Quere?

Und dann ist da ja noch die alles entscheide­nde Frage: Waren all diese Geschäfte überhaupt strafbar? Handelt es sich wirklich um Korruption oder waren es legale Vermittlun­gstätigkei­ten? An dieser Stelle liegen die Meinungen der Ermittler und der Beschuldig­ten weit auseinande­r. Sauter, Nüßlein, Limberger und die anderen bestreiten Korruption­sdelikte. Mehr will Sauters Anwalt Martin Imbeck derzeit noch nicht sagen. Auch Limbergers Anwalt Florian Ufer äußert sich nicht. Klar ist nur, dass der entspreche­nde Paragraf 108e des Strafgeset­zbuches juristisch­es Neuland ist. Bislang wurde noch nicht über einen nennenswer­ten Fall entschiede­n. Die Rechtslage ist knifflig. Sollte am Ende keine Verurteilu­ng wegen Korruption stehen, müsste die Justiz das Geld wieder zurückzahl­en.

Unternehme­r saß zwei Wochen in U‰Haft

 ?? Foto: Moritz Frankenber­g, dpa ?? Haben sich CSU‰Politiker und Geschäftsl­eute die Hände an Maskengesc­häften schmutzig gemacht?
Foto: Moritz Frankenber­g, dpa Haben sich CSU‰Politiker und Geschäftsl­eute die Hände an Maskengesc­häften schmutzig gemacht?

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