Audi gendert – und droht jetzt eine Klage
Seit Anfang März spricht der Konzern mit seinen „Mitarbeiter_innen“in geschlechtsneutraler Form. Nun gibt es Ärger. Warum ausgerechnet ein VW-Mitarbeiter gegen die Praxis im Schwesterunternehmen vorgehen will
Ingolstadt Dass es Ärger geben dürfte, musste Audi klar sein. Denn der Streit, den sich Audi mit der Entscheidung für die Nutzung geschlechtssensibler Sprache in der Unternehmenskommunikation ins Haus geholt hat, wird seit Jahren mit zunehmender Härte geführt. Diskriminiert die Verwendung des generischen Maskulinums Frauen und Menschen, die sich nicht eindeutig einem Geschlecht zuordnen wollen oder können? Ist die Sprache nicht nur ein Spiegel herrschender Ungleichheiten, sondern gar ein Mittel, diese zu zementieren?
In Universitäten, Medien und immer öfter auch in Unternehmen wird teils erbittert über diese Fragen gestritten. Audi hat sich als eines der ersten großen Unternehmen des Landes eindeutig platziert. Anfang März berichtete unsere Redaktion als erste darüber, dass der Ingolstädter Autobauer in seiner deutschen Kommunikation ab sofort die geschlechtliche Vielfalt widerspiegeln will. Nun verlangt ein Mitarbeiter von Volkswagen, dass die Konzerntochter die beschlossenen Regeln überarbeitet. Ansonsten droht er mit Klage – notfalls bis zum Bundesgerichtshof. Unterstützer dafür hat er. Doch der Reihe nach.
Ein Jahr lang hat sich eine Projektgruppe bei Audi mit der Frage befasst, wie geschlechtliche Vielfalt in der Kommunikation des Konzerns gespiegelt werden kann. Nun ist das generische Maskulinum aus allen Aussagen des Vorstands, im Intranet und bei Pressemitteilungen verschwunden. Eine dreizehnseitige Broschüre klärt die Beschäftigten über Alternativen auf. Das sind vor allem neutrale Bezeichnungen wie „Führungskraft“oder Partizipformen wie „Mitarbeitende“. Parallel gibt es die Möglichkeit, explizit alle Geschlechter einzuschließen. Ein groß geschriebenes Binnen-I wie in „MitarbeiterInnen“, ein Sternchen zwischen männlicher und weiblicher Endung oder der sogenannte Gender-Gap sind nur einige der vorgeschlagenen Varianten. Audi hat sich für letztere Lösung entschieden. Statt von „Audianern“ist nun in allen offiziellen Dokumenten von „Audianer_innen“die Rede.
Beinahe zwei Monate nach dem Start des Projekts sagt eine AudiSprecherin heute, dass es natürlich eine rege Diskussion in der Belegschaft über die neue Kommunikations-Richtlinie gegeben habe. „Wir freuen uns über die intensiven Diskussionen und haben viele positive
Rückmeldungen erhalten.“Zu der juristischen Frage will Audi keinerlei Kommentar abgeben. Man stehe aber nach wie vor zur gendersensiblen Sprache, habe auch über 200 „Kommunikator_innen“geschult, um sie im Umgang mit gendersensibler Sprache fit zu machen.
Das reicht einem Mitarbeiter von Volkswagen aber nicht. Der Mann, der laut seinen Anwälten Burkhard Benecken (Marl) und Dirk Giesen (Düsseldorf) nicht namentlich in Erscheinung treten will, besitzt einen Doktortitel und arbeitet in
Wolfsburg in diversen konzernübergreifenden Arbeitsgruppen und Steuerungskreisen eng mit Audi zusammen. Weil er dabei mehrmals aufgefordert worden sei, sich an die neuen Kommunikationsrichtlinien zu halten, sei er eindeutig selbst von der Audi-Regelung betroffen, erklärt Anwalt Dirk Giesen. Er betont aber auch, sein Mandant wehre sich nicht grundsätzlich gegen gendergerechte Sprache und geschlechterneutrale Personenbezeichnungen. Er empfinde es aber als „sprachliche Vergewaltigung“die Benutzung des Gender Gap vorzuschreiben.
Am 7. April haben Benecken und Giesen Audi-Chef Duesmann daher eine strafbewehrte Unterlassungserklärung geschickt: Bis zum 18. April solle Audi versichern, es künftig zu unterlassen, die Anwendung des Gender-Gap verpflichtend vorzuschreiben. Sollte es dennoch vorkommen, solle das Unternehmen 100000 Euro für jeden Fall bezahlen. Wenn Audi nicht unterzeichne, werde man eine einstweilige Verfügung am Landgericht Ingolstadt erwirken und sei bereit, die Sache mit
Archivfoto: Ulrich Wagner einer Klage durchzufechten. Unterzeichnet hat Audi laut Benecken bisher nicht. Dafür aber in letzter Minute um eine Fristverlängerung bis 3. Mai gebeten, die man, mit großer Verwunderung, gewähre.
Unterstützt wird der VW-Mitarbeiter vom Verein für deutsche Sprache (VDS), der in Sachen Gendern eine eindeutige Meinung vertritt. „Sprachliche Umweltverschmutzung“nennt VDS-Präsident Walter Krämer das. Der Verein hat nun die Anwälte vermittelt und geht ins finanzielle Risiko. Sprecherin Dorota Wilke verweist auf den Rat für deutsche Rechtschreibung, der sich als maßgebliches Gremium im deutschen Sprachraum erst Ende März erneut gegen die Verwendung von Gender-Gap, Gender-Stern und Co. ausgesprochen habe. „Man muss mit Sprache sensibel umgehen. Es spricht nichts dagegen, einfach zu fragen, wie jemand angesprochen werden will. Aber wenn man etwa von Ärzteschaft spricht, muss man sich als Frau, die Medizin studiert hat, schon sehr anstrengen, um sich nicht gemeint zu fühlen“, so Wilke.
Am Sonntag lief das Ultimatum der Anwälte aus