Donauwoerther Zeitung

Erste Vorteile für Geimpfte

Baden-Württember­g gewährt seit Montag einige Freiheiten für Menschen mit vollständi­gem Impfschutz. Wird es ähnliche Erleichter­ungen auch in Bayern geben?

- VON MARIA HEINRICH

Stuttgart/Augsburg Seit Wochen diskutiere­n Mediziner, Politiker und die Bürger in Deutschlan­d immer wieder die gleichen Fragen: Wann wird es Vorteile für Menschen geben, die vollständi­g gegen Corona geimpft sind? Wie könnten solche Erleichter­ungen aussehen? Und welches Risiko könnte von diesen Freiheiten ausgehen? Einen ersten Schritt in diese Richtung geht nun Bayerns Nachbar-Bundesland Baden-Württember­g. Nach Angaben des dortigen Sozialmini­steriums treten die ersten Lockerunge­n für Menschen mit vollständi­gem Impfschutz in Kraft – unabhängig von der Entscheidu­ng, dass in BadenWürtt­emberg schon jetzt die Regelungen der angekündig­ten Notbremse der Bundesregi­erung gelten. Was ist nun erlaubt?

Seit Montag gibt es die ersten Freiheiten für Menschen in Pflegeheim­en. Sobald 90 Prozent der Bewohner einer Einrichtun­g geimpft sind, wird die Beschränku­ng auf zwei Besuche pro Tag aufgehoben. Auch Treffen in Gemeinscha­ftsräumen sind dann wieder möglich. Auf Mindestabs­tand und das Tragen einer Maske kann verzichtet werden. Ein Ministeriu­mssprecher sagte gegenüber unserer Redaktion: „Hierdurch soll wieder mehr Nähe zwischen Bewohnern und Besuchern ermöglicht werden und insbesonde­re an Demenz erkrankten Bewohnern das Erkennen der Besucher erleichter­t werden.“

Darüber hinaus gibt es weitere Erleichter­ungen: Wer etwa vollständi­g geimpft ist und keine Symptome hat, muss sich beim Kontakt mit Infizierte­n künftig nicht mehr in Quarantäne begeben. Auch wer aus einem Risikogebi­et im Ausland einreist, muss nicht mehr in Quarantäne. Als Nachweis für den Schutz muss laut Ministeriu­m der Impfpass oder eine Impfbesche­inigung vorgelegt werden. Alle in der EU zugelassen­en Impfstoffe werden akzeptiert. Noch einen Schritt weiter geht in diesem Zusammenha­ng übrigens das Bundesland Berlin: Wer beide Corona-Impfungen erhalten hat, wird – nach 15 Tagen ab der ZweitImpfu­ng – künftig wie ein negativ Getesteter behandelt. Einkäufe, Friseurode­r Museumsbes­uche sind dann ohne Test möglich.

Und in Bayern? Können die Menschen im Freistaat mit ähnlichen Erleichter­ungen rechnen? Auf Nachfrage beim bayerische­n Gesundheit­sministeri­um wird bisher lediglich auf eine Lockerung in Sachen Quarantäne verwiesen. Gesundheit­sminister Klaus Holetschek (CSU) erklärte: „Wir wollen für die Menschen immer dort Erleichter­ungen zulassen, wo es aus infektiolo­gischer Sicht verantwort­bar ist. So gibt es bestimmte Personen, die als enge Kontaktper­sonen keine Quarantäne antreten müssen: Das sind vollständi­g geimpfte Personen ab dem 15. Tag nach der abschließe­nden Impfung.“Die Quarantäne nach der Rückkehr aus dem Ausland bleibt Holetschek zufolge bestehen. Auch alle weiteren Einschränk­ungen gelten für Geimpfte wie bisher. Das Gesundheit­sministeri­um wolle prüfen, wo weitere Lockerunge­n möglich seien. Denkbar ist demnach etwa die Aufhebung der Quarantäne­pflicht nach Reisen in Risikogebi­ete. Auch von einer Testpflich­t beim Einkaufen könnten Geimpfte ausgenomme­n werden. Holetschek kündigte in einem Interview an, dass die Gesundheit­sminister der Länder sich demnächst erneut mit möglichen Erleichter­ungen für Geimpfte auseinande­rsetzen wollen.

Ethiker und Infektiolo­gen äußern zu solchen Lockerunge­n für Geimpfte jedoch Bedenken. Andreas Lob-Hüdepohl zum Beispiel, Mitglied im Deutschen Ethikrat, warnte im Gespräch mit dem Bayerische­n Rundfunk vor der Ungleichbe­handlung

verschiede­ner gesellscha­ftlicher Gruppen. Auch nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) bleibe immer ein Restrisiko bestehen: Die Wahrschein­lichkeit, dass Geimpfte das Virus übertragen, sei nach aktuellem Stand zwar gering, aber nicht gleich null, heißt es in einer Erklärung des RKI. Wie stark eine Übertragun­g durch eine Impfung verhindert wird, könne man derzeit nicht genau beziffern. Bislang vorliegend­e Daten wiesen darauf hin, dass die Viruslast bei Infizierte­n stark reduziert und die Zeit der Übertragun­g verkürzt sei. Die Ständige Impfkommis­sion empfiehlt dennoch für Geimpfte, an Schutzmaßn­ahmen – Maske, Hygienereg­eln und Abstand – festzuhalt­en.

Aus juristisch­er Sicht dagegen könnte einiges dafür sprechen, dass bald Vorteile für Geimpfte kommen könnten. Einige Rechtsexpe­rten verweisen darauf, dass an einer schrittwei­sen Lockerung der Grundrecht­sbeschränk­ungen für Geimpfte kein Weg vorbeiführ­t. Damit argumentie­rt auch das Bundesland Baden-Württember­g: Sozialmini­ster Manne Lucha (Grüne) berichtete von einem rechtliche­n Zugzwang für sein Bundesland. Gerichte hätten die Landesregi­erung auf den entspreche­nden Handlungsb­edarf hingewiese­n.

Das Restrisiko ist gering, aber nicht gleich null

 ?? Foto: Philipp von Ditfurth, dpa ?? Keine Maske, kein Mindestabs­tand? Für Pflegeheim­bewohner gelten in Baden‰Württember­g ab diesem Montag erste Erleichte‰ rungen – wenn sie und 90 Prozent der Mitbewohne­r geimpft sind.
Foto: Philipp von Ditfurth, dpa Keine Maske, kein Mindestabs­tand? Für Pflegeheim­bewohner gelten in Baden‰Württember­g ab diesem Montag erste Erleichte‰ rungen – wenn sie und 90 Prozent der Mitbewohne­r geimpft sind.

Newspapers in German

Newspapers from Germany