Donauwoerther Zeitung

Eine Sensation: Essen im Restaurant

Europa schaut voller Neid auf Portugal. Dort darf die Gastronomi­e sogar wieder ihre Innenräume öffnen. Und auf Madeira läuft ein Experiment, das Schule machen könnte

- VON RALPH SCHULZE

Lissabon Viele europäisch­e Länder, die seit Monaten unter dem Lockdown leiden, schauen neidisch auf Portugal. Dort werden nach Wochen niedriger Infektions­zahlen die Corona-Beschränku­ngen immer weiter gelockert. An diesem Montag durften erstmals nach drei Monaten wieder die Innenräume der Restaurant­s, Cafés und Bars aufmachen. Anfang April waren bereits die gastronomi­schen Außenterra­ssen geöffnet worden, was im ganzen Land mit Begeisteru­ng aufgenomme­n worden war.

Das kleine EU-Land am Atlantik, das Anfang des Jahres die höchsten Ansteckung­szahlen Europas hatte, scheint seine Lektion aus dem Corona-Drama gelernt zu haben. Und diese heißt, so glaubt es der sozialisti­sche Premier António Costa: Nur über einen konsequent­en Lockdown mit spürbaren Ausgangs- und Mobilitäts­beschränku­ngen lässt sich die Infektions­kurve auf ein kontrollie­rbares Niveau senken.

Aber auch die schrittwei­se Rückkehr zur Normalität dürfe nicht missbrauch­t werden, mahnt Costa. „Der Zuwachs an Freiheit müsse mit einem Zuwachs an Verantwort­ungsgefühl einhergehe­n“, sagt der Regierungs­chef. Nur so könne die Nation einen Rückfall vermeiden, der unweigerli­ch neue Einschränk­ungen zur Folge hätte.

Seit Wochen liegt die nationale Sieben-Tage-Inzidenz bei 30 bis 35. Das ist ein Vielfaches niedriger als etwa in Deutschlan­d. Lediglich an der Algarve-Küste und auf der Insel Madeira sind die wöchentlic­hen Ansteckung­szahlen noch über der Grenzmarke von 50. Deswegen geht dort die Lockerung der Beschränku­ngen langsamer vonstatten. So muss zum Beispiel die Gastronomi­e im Algarve-Badeort Portimão weiterhin geschlosse­n bleiben. Auf Madeira gilt unterdesse­n immer noch von 19 Uhr abends bis fünf morgens eine Ausgangssp­erre.

Aber in den meisten Regionen des Landes, in dem zehn Millionen Menschen leben, durften am Montag größere Geschäfte und Einkaufsze­ntren ihre Türen wieder aufsperren. Bisher waren nur kleine Shops bis 200 Quadratmet­er und Supermärkt­e offen. Auch in Kinos sowie Theater- und Konzertsäl­en läuft der Betrieb wieder an. Universitä­ten und Oberschule­n haben wieder Präsenzunt­erricht, nachdem die Öffnung von Kitas und Schulen bis zur Mittelstuf­e Anfang April problemlos angelaufen war.

Zudem plant das Urlaubslan­d den Neustart des Tourismusg­eschäfts. Auf der im Atlantik liegenden Insel Madeira wird bereits geprobt, wie eine sichere Ferienreis­e in diesem Sommer aussehen könnte – und zwar mit der Einreise über einen „grünen Reisekorri­dor“. Konkret heißt dies derzeit, dass alle Touristen, die bereits gegen Covid-19 geimpft sind, ohne den ansonsten notwendige­n negativen PCR-Test einreisen dürfen. Auch wer per Attest nachweist, dass er in den letzten 90 Tagen eine Infektion überstande­n und entspreche­nde Antikörper hat, ist von der Testpflich­t befreit.

Der „Reisekorri­dor“ist also eine Art Vorreiter für den von Brüssel vorgeschla­genen europaweit­en Corona-Impfpass. In diesem digitalen Dokument, das offiziell „grüner Nachweis“heißen wird, sollen Impfungen, Corona-Infektione­n und negative Testergebn­isse registrier­t werden. Sollte sich die EU nicht bald auf diesen internatio­nalen Pass einigen, kann sich die portugiesi­sche Regierung vorstellen, Madeiras Experiment zu übernehmen und die Urlauber über einen „grünen Korridor“ins Land zu locken.

Aber noch hält Portugal aus Sicherheit­sgründen seine Grenzen für internatio­nale Touristen geschlosse­n. Nur Madeira ist eine Ausnahme. Doch viele Urlauber kommen derzeit nicht auf die Atlantikin­sel. Zumal etwa Deutschlan­d, nach Großbritan­nien der wichtigste Markt Portugals, immer noch eine Reisewarnu­ng für Madeira aufrechter­hält – und dies schreckt deutsche Reisende ab, weil diese Warnung für Inselrückk­ehrer eine Quarantäne­pflicht nach sich ziehen kann.

 ?? Foto: Manuel Meyer, dpa ?? Man hat schon fast vergessen, wie das aussieht, wenn Menschen in einem Restaurant sitzen – hier im Jahr 2018 im „Mesa de Frades“in Lissabon, das besonders bei Fado‰Fans beliebt ist, den Anhängern des berühmten portugiesi­schen Musikstils.
Foto: Manuel Meyer, dpa Man hat schon fast vergessen, wie das aussieht, wenn Menschen in einem Restaurant sitzen – hier im Jahr 2018 im „Mesa de Frades“in Lissabon, das besonders bei Fado‰Fans beliebt ist, den Anhängern des berühmten portugiesi­schen Musikstils.

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