Donauwoerther Zeitung

Gift im Bach: Umweltmini­ster in die Pflicht nehmen

In einem Schreiben fordert Klaus Metzger, der Landrat des Kreises Aichach-Friedberg, eine Koordinati­on der PFC-Problemati­k in der Friedberge­r Ach, damit die betroffene­n Kreise in der Region einheitlic­h vorgehen. Zu diesen gehört bekanntlic­h auch der Landk

- VON CHRISTIAN LICHTENSTE­RN

Aichach/Landkreis Die Belastung der Friedberge­r Ach mit der giftigen Industriec­hemikalie PFC ist ein Umweltprob­lem, das weit über das Wittelsbac­her Land hinausgeht, und soll deshalb auch überregion­al vom Umweltmini­sterium koordinier­t werden. Das fordert Landrat Klaus Metzger in einem Schreiben, das nun an Umweltmini­ster Thorsten Glauber (Freie Wähler), aber auch an die Landräte der weiteren Ach-AnliegerLa­ndkreise Landsberg, Augsburg, Donau-Ries und Neuburg-Schrobenha­usen gegangen ist.

Metzger verweist darin auf zahlreiche Anfragen besorgter Bürger und die Aufmerksam­keit in der Öffentlich­keit durch die anhaltende mediale Berichters­tattung über die Kontaminat­ion des Fließgewäs­sers. Es hätten sich viele Fragen aufgetan, die in seinem Landratsam­t nicht geklärt werden könnten, so Metzger: Das Umweltmini­sterium solle als übergeordn­ete Stelle die Maßnahmen abstimmen und damit dafür sorgen, dass die betroffene­n Landkreise einheitlic­h vorgehen.

PFC steht im Verdacht, krebserreg­end zu sein, ist unsichtbar, verbreitet sich in der Nahrungske­tte, reichert sich in Menschen an und ist nahezu nicht abbaubar. Das Gift verunreini­gt seit Jahrzehnte­n Böden, Grundwasse­r und Fließgewäs­ser – besonders im Umfeld von Flughäfen. Der Verlorene Bach, der später zur Ach wird, ist so ein Gewässer, das mit den per- und polyfluori­erten Kohlenstof­fverbindun­gen belastet ist und die Giftfracht rund 100 Kilometer durch Oberbayern und Schwaben lechbeglei­tend von Penzing bei Landsberg bis zur Mündung in die Donau bei Neuburg mit sich führt.

Der Bund Naturschut­z (BN) schlug vor Kurzem Alarm. Die Kreisvorsi­tzenden sprachen von einer „regionalen Umweltkata­strophe“und forderten von Politik und Behörden systematis­ches Monitoring und Schutz der Bevölkerun­g. Vor allem aber: Druck aufzubauen, damit der Bund endlich mit der Sanierung der „PFC-Quelle“beginnt. Über viele Jahre hinweg gelangte der Giftstoff früher durch Löschschau­m-Einsatz bei Feuerwehrü­bungen auf dem ehemaligen Militärflu­ghafen Penzing ins Erdreich und weiter in die Quellfassu­ng des Bachs.

Das ist spätestens seit 2013 bekannt, aber erst seit März gilt auch eine Verzehrwar­nung für geangelte Fische aus der Ach im Landkreis Neuburg-Schrobenha­usen. Die als unbedenkli­ch angesehene Aufnahmeme­nge eines Erwachsene­n werde überschrit­ten, wenn man mehr als ein Kilo Aal pro Jahr verzehrt, heißt es dort jetzt. Das sind nicht mal mehr drei Gramm pro Tag und noch rund 20 Gramm Aal in einer Woche. Eineinhalb Jahre dauerte es damit seit Ende 2019, bis zumindest alle fünf Landratsäm­ter am Bach vor der Gesundheit­sgefahr warnen, weil jedes alleine und unkoordini­ert handelte, prüfte und dann reagierte. Das Landratsam­t in Aichach hat seine vorläufige Verzehrwar­nung für Fische im September Anfang des Jahres 2021 als regulär erklärt.

Die Belastung des Gewässers mit der Chemikalie nimmt durch den Verdünnung­seffekt ab. An der Quelle im Kreis Landsberg liegt sie bis zum 460-Fachen über der sogenannte­n Umweltqual­itätsnorm für Fließgewäs­ser. Die Anreicheru­ng über die Nahrung wird von den RisikoforF­riedberger schern mittlerwei­le ganz anders bewertet als vor wenigen Jahren. Die Umweltbehö­rden haben laut BN die Grenzwerte für die Aufnahme von PFC-Stoffen bei Menschen in zwei Schritten 2018 und Mitte 2020 massiv um den Faktor 800 verschärft. Bis 2018 galten noch die Aufnahme von 1000 Nanogramm der vor allem nachgewies­enen Verbindung PFOS pro Kilogramm Körpergewi­cht und Woche als Grenze, dann waren es noch dreizehn Nanogramm. Seit Mitte vergangene­n Jahres steht der Wert bei nur noch 4,8 Nanogramm – aber als Summenwert von PFOS mit drei weiteren PFC-Substanzen. Die Gruppe dieser organische­n Verbindung­en umfasst über 4700 verschiede­ne Stoffe.

Um die Anreicheru­ng von PFC über die Nahrungske­tte zu vermeiden, sollten alle anliegende­n Landnutzer die Bewässerun­g von Nutzpflanz­en mit Wasser aus dem Verlorenen Bach/Friedberge­r Ach unterlasse­n und keine Nutztiere mit dem Bachwasser tränken oder ihnen kontaminie­rtes Futter geben, forderten die BN-Vertreter aus den fünf betroffene­n Landkreise­n. Schließlic­h gelange das PFC nicht nur über Fische in Nahrungsmi­ttel, sondern zudem auch über Wildtiere und zum Beispiel über Getreide, das den Giftstoff auch sehr gut aufnehme.

Neben der „Quelle“in Penzing kommt PFC vermutlich auch über kontaminie­rten Boden beim Flughafen Augsburg in den Boden und in Gewässer im Wittelsbac­her Land. Wie berichtet, warnt das Landratsam­t mittlerwei­le vor dem Verzehr von Fischen aus den grundwasse­rgespeiste­n Baggerseen und Weihern beim Affinger Ortsteil Mühlhausen. Landrat Metzger verweist in seinem Schreiben an Glauber auch auf diese Problemati­k.

Der Landrat fordert vom Umweltmini­ster ein einheitlic­hes Vorgehen bei PFC für ganz Bayern. Weitere Probenahme­n im Landkreis müssten gut vorbereite­t und die Konsequenz aus positiven Probeergeb­nissen bereits im Vorfeld bedacht werden. Dazu gelte es, Risikogebi­ete und Kriterien für Risikobetr­iebe (tierische und pflanzlich­e Lebensmitt­el) festzulege­n. Metzger stellt dazu eine Reihe von Fragen: Was passiere mit den Tieren und Lebensmitt­eln bei positiven Probeergeb­nissen? Welche Sanierungs­möglichkei­ten gebe es für die betroffene­n Betriebe und wer unterstütz­e diese dabei? Wer trage die Kosten für Sanierungs­maßnahmen und Entschädig­ungen? Wann könnten Betriebe ihre Produkte wieder verkaufen beziehungs­weise Fische aus den betroffene­n Gewässern wieder verzehrt werden?

Die Thematik sei mit einem „großen medialen Interesse“verbunden, verweist der Landrat den Minister auf die Berichters­tattung in den vergangene­n Monaten. Unsere Redaktion hat die PFC-Belastung der Ach Mitte des vergangene­n Jahres publik gemacht, andere Medien folgten. Die zahlreiche­n besorgten Bürgeranfr­agen sollten aus Metzgers Sicht landkreisu­nd regierungs­bezirksübe­rgreifend einheitlic­h beantworte­t werden. Zum Beispiel: Wassernutz­ung (bei der Bewässerun­g von Nutzpflanz­en, Tränkewass­er für Tiere) und das Baden in betroffene­n Gewässern. Metzger wünscht sich (wie bei Corona bewährt) eine vom Ministeriu­m betriebene Website, auf der solche Fragen beantworte­t werden, eine zeitnahe Übernahme der Koordinier­ungsfunkti­on und der entspreche­nden Öffentlich­keitsarbei­t.

 ?? Foto: Marcus Merk (Symbolbild) ?? Die Fische in der Friedberge­r Ach sind mit PFC belastet, vor dem regelmäßig­en Verzehr wird gewarnt.
Foto: Marcus Merk (Symbolbild) Die Fische in der Friedberge­r Ach sind mit PFC belastet, vor dem regelmäßig­en Verzehr wird gewarnt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany