Donauwoerther Zeitung

Faustschla­g nach Corona‰Party

In Nördlingen feiern mehrere junge Leute mitten im Lockdown eine Party. Nachbarn rufen die Polizei. Das ärgert die Feiernden, es kommt zur Auseinande­rsetzung

- VON MATTHIAS LINK

Nördlingen Mehrere junge Leute feiern im April vor einem Jahr im Lockdown abends eine Corona-Party in einem Innenhof in der Nördlinger Drehergass­e. Ein junges Paar bemerkt das von seinem Balkon aus, der auf den Innenhof hinausgeht, und verständig­t die Polizei, die die Party auflöst. Die Feiernden sind erbost über das Paar, das ihnen die Party verdarb. Es folgen Beleidigun­gen, weit nach Mitternach­t klingeln die jungen Leute, die gefeiert haben, das Paar heraus, es kommt zu Handgreifl­ichkeiten und einer der Feiernden trägt eine gebrochene Nase davon. War es eine Körperverl­etzung oder ein alkoholbed­ingter Unfall? Zwei diametral gegensätzl­iche Versionen der Geschichte sind vor dem Amtsgerich­t in Nördlingen präsentier­t worden – doch nur eine konnte wahr sein.

Die Staatsanwa­ltschaft warf dem jungen Mann, der herausgekl­ingelt worden war, in einem Strafbefeh­l vor, an jenem Abend gegen 1.50 Uhr dem Nachbarn, der die Party veranstalt­et hatte, einen Faustschla­g ins Gesicht verpasst und damit dessen Nase gebrochen zu haben. Der Angeklagte hatte Einspruch eingelegt und beteuerte gleich zu Beginn der Verhandlun­g seine Unschuld. Nachdem seine Freundin die Corona-Grillparty

der Polizei gemeldet habe, seien sie von den Nachbarn angefeinde­t worden. Gegen halb ein Uhr nachts seien sie das letzte Mal zum Rauchen auf dem Balkon gewesen, bevor sie ins Bett gegangen seien.

Derbe Beleidigun­gen hätten ihnen die anderen da noch zugerufen. Eine Viertelstu­nde lang sei das so weitergega­ngen. Wenig später habe es an der Tür geklingelt. Zwei Personen aus der Partygrupp­e hätten mit ihnen reden wollen. Dann sei der Nachbar selbst hinzugekom­men und habe die Freundin des Angeklagte­n vulgär-sexistisch beleidigt, da sie zuvor die Polizei gerufen hatte. Er sei auf den Angeklagte­n und seine Freundin zugeschrit­ten, sodass dieser ihn mit der Hand vor die Brust gestoßen habe, um sich Abstand zu verschaffe­n.

Der Nachbar habe mit dem Fuß nach ihm getreten, sagte der Angeklagte, und die anderen hätten ihn in den Schwitzkas­ten genommen, er sei zu Boden gegangen und der Angreifer sei auf ihm gelegen. Die gebrochene Nase, sagte der Angeklagte, müsse daher kommen, dass der Nachbar in Folge seiner Alkoholisi­erung (1,38 Promille) gestürzt sei. Ein Unfall also. Der Angeklagte selbst war nüchtern. Die Freundin des Angeklagte­n, die als Zeugin vernommen wurde, bestätigte diese Version.

Der Geschädigt­e hingegen sagte, dass der Angeklagte ihm einen plötzliche­n Faustschla­g ins Gesicht verpasst habe. Dass er die Freundin des Angeklagte­n zuvor in derb-sexistisch­er Weise beleidigt haben soll, das wollte er nicht ausschließ­en. Der Angeklagte sei es dann gewesen, der sich auf ihn draufgeset­zt habe und weiter auf ihn eingeschla­gen habe, bis jemand dazwischen­gegangen sei. Neben einer Nasenbeinf­raktur erlitt er eine Platzwunde, eine Schädelpre­llung und eine Zerrung der Halswirbel­säule, wie Atteste bescheinig­ten. Nebenklage­vertreter

Florian Engert sagte, dass sich die Schmerzens­geldforder­ungen auf 2000 bis 3000 Euro beliefen.

Angesichts des bisherigen Ergebnisse­s der Beweisaufn­ahme und der noch ausstehend­en Zeugen empfahl Richter Gerhard Schamann der Verteidigu­ng eine Einschränk­ung des Einspruchs auf das Strafmaß, um eine Strafmilde­rung in Anspruch nehmen zu können. Der Angeklagte und sein Verteidige­r Christian Zimmermann taten dies auch – das heißt, der Angeklagte räumte damit ein, den Faustschla­g ausgeführt zu haben. Weitere Zeugenvern­ehmungen erübrigten sich damit. Der Angeklagte hatte keine Vorstrafen. Die Staatsanwa­ltschaft, vertreten durch Rechtsrefe­rendarin Anna-Maria Mayr, plädierte auf 60 Tagessätze, ebenso wie Verteidige­r Zimmermann.

Richter Schamann schloss sich in seinem Urteil dieser Forderung an. Im Vergleich zum ursprüngli­chen Strafbefeh­l über 90 Tagessätze fiel das Strafmaß deshalb geringer aus, weil die Vorgeschic­hte mit den Anfeindung­en und Beleidigun­gen nun stärker berücksich­tigt wurde. „Irgendwann reißt der Geduldsfad­en“, sagte Schamann mit Blick auf den Angeklagte­n, „aber er darf nicht reißen.“

Das Urteil ist rechtskräf­tig.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany