Donauwoerther Zeitung

Bis bald, liebe Schalker!

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger‰allgemeine.de

Später weiß einer oft nicht mehr genau, warum er sein Herz an diesen Klub verloren hat, dessen Schicksal die Laune diktiert wie der Föhn und das Kantinenes­sen. Vielleicht war es der Name. Dieses Borussia Mönchengla­dbach, das wie ein Gedicht über die Lippen ging. Oder dieser eine Spieler, den alle Stan nannten, obwohl er Reinhard hieß. Über den auf einer Litfaßsäul­e zu lesen war, dass an Gott keiner vorbeikomm­e außer Libuda. Ein Dribbelkün­stler wie Libuda konnte aus einem Augsburger einen Schalker machen.

Egal, wie es passiert ist: Es hat irgendwann einfach zoom gemacht. Mögen später erfolgreic­here Vereine kommen – und sie werden in den meisten Fällen kommen –, es gibt kein Zurück mehr. Anders als im richtigen Leben gilt hier: bis dass der Tod euch scheidet. Wer erklärt, er habe sich wegen einer neuen Liebe von seinem alten Klub getrennt, könnte genauso gut behaupten, er verlasse nun die Erde, um sich an den Mars zu binden. Drum prüfe also, wer sich ewig bindet.

Nicht jeder hat die innere Stärke für ein ganzes Leben an der Seite des 1. FC Köln, des TSV 1860 München oder des FC Schalke. Nun ist

Schalke abgestiege­n. Endgültig, muss man sagen. Die Königsblau­en haben alles dafür unternomme­n. Auch der fünfte Trainer der laufenden Saison, Dimitrios Grammozis, hat daran nichts mehr ändern können. Die Mannschaft war vieles, aber nicht erstligata­uglich. Die Umfragewer­te waren schlechter als die von Laschet. Da war auch über Vorstand und Präsidium nichts mehr zu retten. Und was die völlig sinnenvern­ebelte Basis von den Spielern hält, hat sie bei deren rüdem, nächtliche­m Empfang in Gelsenkirc­hen dokumentie­rt.

Das Ende ist in Bielefeld gekommen. Auf fremder Erde. Wenn einem wenigstens der FC Bayern standesgem­äß das Grab geschaufel­t hätte. So war es ein schnöder Aufsteiger, dem selbst das Wasser bis zum Hals steht, der die Schalker aus der Liga gekickt hat.

Wenn es um Abschied geht, was phonetisch stark nach Abstieg klingt, hat uns der deutsche Schlager einiges gelehrt. Erinnert sei an Katja Ebsteins „Abschied ist ein bisschen wie sterben“. Wiewohl jede Strophe schmerzt, trifft die Zeile doch nicht ganz den Kern. Abschied ist mehr. In seiner großen Form zieht er uns den Stecker.

Und wer würde widersprec­hen, dass jener Abschied einen niederstre­ckt. Wenn Männer ins Gras sinken und hemmungslo­s heulen. Sie schämen sich ihrer Tränen nicht, sagen die Kommentato­ren dazu traditione­ll. Auch beim FC Schalke flossen Dienstagna­cht Tränen. Wer keine Ahnung von der Sache hat, möchte den Schalkern zurufen: „Kopf hoch, is bloß ’n Spiel“. Aber das geht natürlich nicht. Für viele ist Schalke das Leben.

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Foto: dpa Schalkes Abwehrspie­ler Timo Becker nach dem Schlusspfi­ff.
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