Donauwoerther Zeitung

„Es fehlt an Hebammen im Kreißsaal“

Seit Jahren engagieren sich Hebammen für mehr Wertschätz­ung, mehr Lohn und für weniger Belastung. Wie die Donauwörth­er Hebamme Regina Mütze die Lage einschätzt

- Interview: Barbara Wild

Wie würden Sie die aktuelle Lage von Hebammen beschreibe­n?

Regina Mütze: Seit Jahren bemühen sich Hebammen, mehr Nachwuchs für den Beruf zu begeistern. Unser Arbeitspen­sum ist sportlich. Eine Eins-zu-eins-Betreuung unter der Geburt ist sehr erstrebens­wert, das ist aber momentan in den seltensten Fällen durchführb­ar. Eine Hebamme muss oft mehr als eine Frau gleichzeit­ig betreuen. Jede Hebamme, die Geburtshil­fe leistet, egal ob Zuhause, in einem Krankenhau­s oder in einem Geburtshau­s, arbeitet außerdem immer wieder nachts, sonntags und an Feiertagen. Mit mehr Kolleginne­n könnte diese Belastung reduziert werden.

Gibt es aktuell mit 31 Hebammen im Landkreis Donau-Ries ausreichen­d Angebot für Geburtshil­fe, Kurse und Nachsorge?

Mütze: Unser Landkreis ist momentan gut versorgt mit Hebammen, was die außerklini­sche Arbeit – also Kurse, Nachsorge, Beratung uns mehr beinhaltet. Es fehlt an Kolleginne­n im Kreißsaal. Da in den Nachbarlan­dkreisen oftmals Hebammen unterbeset­zt sind, helfen wir aus, wenn wir die Kapazität dazu haben.

Wie ist die Lage in den Geburtssta­tionen in den Krankenhäu­sern?

Mütze: Alle im Kreißsaal arbeitende­n Hebammen wünschen sich mehr Auszeiten. Fast alle Kolleginne­n sind nicht nur in der Klinik, sondern auch außerhalb ebenfalls tätig. Sie geben Kurse, machen Schwangere­nvorsorgen, übernehmen Nachsorgen bei den Eltern. Die Entlohnung von Hebammen war noch nie besonders lukrativ. Wer sich dafür entscheide­t, weiß das. Bis vor wenigen Jahren waren wir beispielsw­eise noch in der Reichsvers­icherungso­rdnung (RVO) verankert. Die sah vor, dass eine Hebamme wenigstens genug Geld für ihr eigenes Begräbnis hatte. Das hat sich zum Glück geändert, aber die entgeltlic­he Entlohnung ist absolut verbesseru­ngswürdig.

Glauben Sie, dass die Akademisie­rung des Berufs die Wende bringt und mehr diesen Beruf wählen?

Mütze: Die Akademisie­rung ist ein Meilenstei­n – auch in Hinblick auf die Bezahlung von Hebammen. In der Medizinges­chichte gibt es seit Jahrhunder­ten zwischen akademisch­em und nicht akademisch­en Personal Kompetenzg­erangel. Es ist gesetzlich festgehalt­en, dass bei jeder Geburt eine Hebamme anwesend sein muss, auch beim Kaiserschn­itt. Bei allen physiologi­schen Geburten trägt sie also auch die Verantwort­ung. Das spiegelt sich in keiner

Weise wider in der Bezahlung. Es ist ein Ziel unseres Berufsverb­andes, die natürliche Geburt deutlich mehr in den Mittelpunk­t zu stellen, um die Gesundheit von Mutter und Kind zu unterstütz­en. Jeder Kaiserschn­itt ist eine Bauchopera­tion und sollte für die nötige Situation vorbehalte­n bleiben. Gäbe es für die natürliche Geburt die gleiche Entlohnung, würde sich deutschlan­dweit sicher manches von selber regeln.

Geht es auch um Wertschätz­ung Ihres Berufsstan­des?

Mütze: Die Geburtshil­fe gilt in der Medizin als das Sahnehäubc­hen. Im besten Fall arbeiten Hebammen und Ärzte zusammen, damit sich eine werdende Familie gut betreut und begleitet fühlt. Zum Glück trifft das auch meistens zu, die Akademisie­rung verschafft uns darüber hinaus jedoch die Grundlage, noch mehr auf Augenhöhe mit anderem akademisch­en Personal zu arbeiten. Leider gibt es erst seit Kurzem die Möglichkei­t, grundanstä­ndig diesen Beruf zu studieren. Wie hoch das Fortbildun­gsinteress­e bei Hebammen schon war, sieht man daran, dass zahlreiche Kolleginne­n nach ihrer staatliche­n Ausbildung bereits ein universitä­res Studium absolviert haben, im Bereich des Pflegemana­gements, der Pädagogik, Public Health und Hebammenwi­ssenschaft­en.

Bleibt Hebamme in ihren Augen ein absolut weiblicher Beruf?

Mütze: Auch hier erwarten wir Veränderun­gen. Zum Glück ist der Begriff des „Entbindung­spflegers“mittlerwei­le Vergangenh­eit, und Männer, die diesen Beruf ergreifen heißen „männliche Hebamme“. Das ist gut so! Der Begriff Hebamme ist und bleibt allerdings die weibliche Bezeichnun­g eines der ältesten Berufe der Welt.

Wenn ein Kind bei einer Geburt einen Schaden erleidet, muss unter Umständen die Haftpflich­tversicher­ung der Hebamme greifen – das kostet sehr viel Geld. Der Staat schießt seit einigen Jahren einen Anteil zu. Ist das Problem damit erledigt?

Mütze: Seit mehreren Jahren steigt die Haftpflich­tprämie für selbststän­dige Hebammen, die Geburtshil­fe leisten, auf etwa 10.000 Euro im Jahr. Mit erhebliche­m bürokratis­chen Aufwand gibt es Unterstütz­ung. Das ist ein Pflaster aber keine Lösung! Als ich als Hebamme nach meinem staatliche­n Examen 1994 anfing zu arbeiten, betrug die Höhe der Versicheru­ng 280 DM. Die Beiträge steigen so enorm, weil die medizinisc­he Versorgung der frühgebore­nen oder einzelner geschädigt­er Kinder deutlich verbessert wurde und leben können, sind damit auch die Folgekoste­n enorm – vom Lohnausfal­l der Eltern, die ihr Kind betreuen, bis zum Umbau am Haus. Das zahlt dann diese Haftpflich­t. Es liegt also nicht daran, dass Hebammen mehr Fehler machen würden.

Welche Hinderniss­e gibt es in ihrer täglichen Arbeit mit den Müttern und Vätern?

Mütze: Es sind eher Herausford­erungen. Durch die zunehmende Individual­isierung der Menschen entstehen individuel­le Ansprüche und Anforderun­gen. Aber so, wie jeder Mensch und jedes Neugeboren­e einzigarti­g ist, so möchten wir genau diese Personen auch begleiten. Hebammen lernen schnell, mit Herausford­erungen umzugehen.

Was hat sich verbessert?

Mütze: Jede Hebamme versucht, eine Balance zwischen Arbeit und Freizeit zu finden. Das ist gar nicht einfach, da wir als Fachfrauen gerne auch nach 20 Uhr oder auch am Wochenende kontaktier­t werden. In der Corona-Zeit stellen wir fest, dass fast alle Menschen unter Mangel an zwischenme­nschlichen Beziehunge­n leiden, da sind wir bei den von uns betreuten Frauen manches Mal auch mehr als „nur“die Hebamme.

Regina Mütze, 48, ist selbststän­dige Heb‰ amme in Donauwörth und stellvertr­etende Kreissprec­herin ihres Berufsstan­des. Sie ist seit 27 Jahren tätig und hat bisher gut 1000 Geburten begleitet. Sie ist selbst Mutter von drei Kindern.

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Foto: dpa Die Geburt eines Kindes ist eine elementare Sache, die werdenden Mütter wollen und sollen sich auf Arzt wie Hebamme voll und ganz verlassen können. Am heutigen Internatio­nalen Hebammenta­g steht die Leistung der Begleiteri­nnen im Fokus.
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