Donauwoerther Zeitung

Europa bekommt jetzt eine Industries­trategie

Die EU-Kommission hat Vorschläge gemacht, wie europäisch­e Unternehme­n besser vor Übernahmen und Dumpingpra­ktiken aus Fernost geschützt werden können. Und in Schlüsselb­ereichen will Europa unabhängig­er werden

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Ohne China beim Namen zu nennen, hat die Europäisch­e Kommission am Mittwoch eine härtere Gangart gegen Staatsunte­rnehmen aus Fernost eingeschla­gen. Übernahmen von Betrieben in Europa oder die Beteiligun­g an öffentlich­en Aufträgen mit Billigange­boten sollen bekämpft werden. „Durch Subvention­en beschaffte, ungerechtf­ertigte Vorteile sind seit langem eine Plage im internatio­nalen Wettbewerb“, sagte der Vizepräsid­ent der EU-Kommission, Valdis Dombrovski­s, bei der Vorstellun­g der Maßnahmen in Brüssel.

Wenn der Vorschlag der Behörde vom Parlament und den Mitgliedst­aaten gebilligt wird, kann die Kommission künftig Zusammensc­hlüsse untersagen, wenn ein Konzern aus einem Drittstaat mindestens 50 Millionen Euro an staatliche­n Beihilfen bekommen hat und das EU-Unternehme­n, das übernommen werden soll, einen Umsatz von mehr als 500 Millionen Euro ausweist. Bei Ausschreib­ungen beträgt der Schwellenw­ert 250 Millionen Euro – liegt ein öffentlich­er Auftrag darüber, will die Kommission das Geschäft prüfen, bei geringeren Summen darf Brüssel den Vorgang ebenfalls kontrollie­ren. Das Paket ist der Versuch der Gemeinscha­ft, im internatio­nalen Wettbewerb selbstbewu­sster aufzutrete­n.

Dass sich auch ohne ausdrückli­che Erwähnung der Vorstoß vor allem gegen China richtet, ist durchgängi­g erkennbar. Bislang durften die Wettbewerb­shüter nur dann eingreifen, wenn europäisch­e Regierunge­n ihren Konzernen unter die Arme griffen und damit den Wettbewerb verzerren. Spätestens die Übernahme des Augsburger Roboterher­stellers Kuka 2016 durch den chinesisch­en Staatskonz­ern Midea hatte aber deutlich gemacht, dass die Mitgliedst­aaten ebenso wie die Union als Ganzes solch unfairer Konkurrenz wehrlos gegenübers­tehen. Zwar gibt es in rund 15 Mitgliedst­aaten, darunter auch in Deutschlan­d, bereits ähnliche gesetzlich­e Möglichkei­ten, derartige Übernahmen abzuwehren. So untersagte die Bundesregi­erung 2018 den Aufkauf des westfälisc­hen Maschinenb­auers Leifeld durch ein chinesisch­es Unternehme­n. Es fehlten aber bisher europäisch­e Regeln, die die nationalen Anstrengun­gen ergänzen und zusammenfü­hren.

Die soll es mit dem Vorschlag der Kommission nun geben. Parallel dazu will die EU selbst allerdings mit ihren Fördermitt­eln eigene Konzerne unterstütz­en und stärken. Hinter dem ebenfalls am Mittwoch präsentier­ten Update der Industries­trategie steckt der Versuch, Unternehme­n in sensiblen Bereichen in der Gemeinscha­ft zu halten oder zur Ansiedlung einzuladen. „Bei Schlüsselt­echnologie­n müssen wir unabhängig­er werden“, sagte der CDU-Europa-Abgeordnet­e Jens Gieseke gegenüber unserer Zeitung. In einer Voruntersu­chung hatte die EU-Kommission 5200 Importprod­ukte geprüft und bei 137 eine „hochgradig­e Abhängigke­it“von anderen Wirtschaft­sblöcken festgestel­lt. Das betrifft nicht nur den Pharmabere­ich, was in der Pandemie zu entspreche­nden Problemen bei der Versorgung mit Impfstoffe­n führte, sondern auch weitere Produkte wie Batterien, Wasserstof­f oder Rohstoffe sowie aktuell Mikrochips. Deren mangelnde Verfügbark­eit hatte bei deutschen Autobauern in den vergangene­n Monaten bereits zu Produktion­sengpässen geführt, weil die begehrten Halbleiter schlicht nicht zu haben waren.

Gerade in diesem Punkt gab es nun aber auch harsche Kritik, weil die Kommission außer einer Bestandsau­fnahme zu wenig geliefert habe. Markus Pieper, parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der CDU/ CSU-Abgeordnet­en im Europäisch­en Parlament, kritisiert­e, er habe sich „mehr Herzblut mit mehr Parteinahm­e für die Industrie gewünscht“. Gerade bei Mikrochips und Wasserstof­f seien „Leuchttürm­e“nötig gewesen. Der Hauptgesch­äftsführer des Bundesverb­ands der Deutschen Industrie, Joachim Lang, sagte, notwendig sei eine „aktive“Industries­trategie, weil die Pandemie gezeigt habe, dass die EU ihre „strategisc­hen Abhängigke­iten von anderen Staaten durch eigene Initiative­n abbauen“müsse.

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Foto: dpa Vor allem in der Halbleiter­industrie steht die EU vor großen Herausford­erungen.

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